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Nachruf auf Claus Hopke: Hierbleiben und Einrichten
Nach dem Mauerfall ging er zur SPD-Zentrale, um den Mitgliedsbeitrag für 28 Jahre nachzuzahlen
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Er hat ein paar durchaus wesentliche Dinge im Leben nicht auf die Reihe bekommen, und niemand weiß so recht warum. Eigentlich war er ein umsichtiger Typ, ein Organisator.
In den Westen abzuhauen, hat er versäumt. Alles Teure, das er anschaffte, damals, als die Grenze noch offen war, musste einen Griff haben, damit man es hinüberschaffen konnte, eine Reiseschreibmaschine etwa, die transportable Nähmaschine für seine Frau. Irgendwas muss dann immer dazwischengekommen sein, die Geburt der ersten beiden Söhne vielleicht, der gute Job? Jedenfalls hat ihn der Mauerbau im Sommer ‘61 kalt erwischt. Jetzt hieß es Hierbleiben und sich Einrichten.
Das hat er ganz gut hinbekommen; die größeren Verbiegungen verlangte ihm weniger der Staat ab als seine Frau. Der Umzug 1976 nach Zepernick in das Haus etwa. Er hat sich das nicht ausgesucht. Niemand an seiner Stelle hätte sich das ausgesucht. Erika wollte halt ein Haus – „Alle haben eins, nur wir nicht!“ – also zogen sie raus aus Prenzlauer Berg, aus ihrer großen Wohnung, ganz oben, zwei Balkons, kurz vor der Mauer, sein Atelier gleich um die Ecke in der Schönhauser. In Zepernick gab es nun diese verwinkelte Hütte aus Lehmsteinen, an der eigentlich alles gemacht werden musste, und das im Osten, wo man möglichst alles selbst machte, also er selbst, denn er war der Mann, noch dazu ein so umsichtiger.
Bescheidene Verhältnisse
Für die Fahrerlaubnis hat all die Umsicht nicht gereicht, und er hätte sie wirklich brauchen können. Er musste immer mühsam mit der S- und U-Bahn aus Zepernick zum Atelier fahren und konnte kaum was transportieren. Am DDR-typischen Automangel lag es jedenfalls nicht. Einigen Freunden hat er Autos besorgt. Womöglich war er mit der Arbeit so beschäftigt, dass es an den Terminen scheiterte. Nach dem Mauerfall war kaum noch Arbeit da, und er konnte endlich fahren lernen. Dass er auf die Westautos gewartet und Wartburg und Trabant unter seiner Würde empfunden hätte, ist kaum vorstellbar. Claus Hopke war eher von der bescheidenen Sorte.
Kam auch aus bescheidenen Verhältnissen, der Vater war Klempner. Claus malte viel, aber an eine Künstlerlaufbahn dachte niemand. Schaufenstergestaltung lernte er und war darin so gut, dass sie ihn an der Fachschule für Werbung sofort nahmen, ganz ohne Prüfung.
Dabei war er politisch gar kein sicherer Kandidat. Seine Eltern waren Sozialdemokraten, also wurde Claus auch einer. Und das in der DDR, in der es allein in Ost-Berlin bis zum Mauerbau noch eine Stummel-SPD gab. Es waren die 50er Jahre, und der Sozialdemokrat Hopke musste regelmäßig beim Rektor der Fachschule antreten, um seine Mindesttauglichkeit unter Beweis zu stellen. Als er sich in West-Berlin ein Buch über amerikanische Ornamentik ausgeliehen hatte, flog ein anderer von der Schule; sie hatten die beiden verwechselt.
Glück hatte Claus Hopke auch nach dem Abschluss. Weil er aus Berlin kam, boten sie ihm eine Stelle in Berlin an als stellvertretender Werbeleiter bei den Fotochemischen Werken . Gab es Dinge außerhalb der Hauptstadt zu regeln, ließ er sich im Dienstwagen durch die Republik fahren.
Trotzdem machte er sich selbstständig, Anfang der Sechziger muss das gewesen sein. Die Aussicht, dass der Oberwerbeleiter den Posten bald für ihn räumen würde, war gering, und als eigener Chef ließ sich viel mehr Geld verdienen. Er wurde freier Ausstellungsmacher, konzipierte und baute Messestände, errichtete Werbeaufsteller, malte Wände so an, dass Bilder und Fotos an ihnen besser zur Geltung kamen. Die Aufträge bekam er vom Kulturbund und von Industriebetrieben und manchmal auch von ganz weit oben. Die Idee für die Ausstellung über den Aufbau des sozialistischen Berliner Stadtzentrums etwa kam von höchster Ebene. Ebenso die für die DDR-Jubelschau, welche in Kairo gezeigt werden sollte. Leider starb der Ostblock-freundliche Staatspräsident Nasser, die Ausstellung fiel aus und damit auch Claus Hopkes Ägyptenreise.
Gut genug ist besser als sehr gut
Der Gutbeschäftigte behielt seine sozialdemokratische Überzeugung gut genug verborgen, dass die Genossen, die nicht seine waren, ihm vertrauten. Er überzeugte sie mit Fachkenntnis und Zuverlässigkeit. Neider bescheinigten ihm eine hohe Kompetenz im Runterschrauben von Ansprüchen – eine nicht ganz unwesentliche Fähigkeit unter den Bedingungen von Mangelwirtschaft und Termindruck. Gut-genug ist allemal besser als Sehr-gut, wenn Sehr-gut gar nicht geht.
Die Gemeineren unter den Neidern meinten, Claus Hopke sei deshalb so gut im Sich-Bescheiden, weil es ihm am künstlerischen Ehrgeiz mangelte. Die wenigsten kannten allerdings seine Kunst. Er legte es ja auch nicht darauf an, sie zu verbreiten. Einer seiner Söhne sagt, das habe politische Gründe gehabt – tatsächlich gibt es ein paar Bilder, die ihn in Schwierigkeiten hätten bringen können, Ulbricht als Clown etwa oder die abstürzende Friedenstaube mit der CSSR-Fahne im Schnabel. Wie auch immer, ein unverwechselbarer Stil, ohne den Kunst selten Erfolg hat, ist schwer auszumachen.
Als die Mauer fiel, stellte Claus Hopke den Kassierer in der West-Berliner SPD-Zentrale vor eine interessante Aufgabe: die Beiträge seit August 1961 gedachte der Getreue nunmehr nachzuzahlen. Einmal Sozialdemokrat, immer Sozialdemokrat. Die Sozialdemokratie belohnte die Treue mit Erlass. Was nicht nur den Kassierer erleichterte, sondern auch das reaktivierte Mitglied. Woher hätte es das ganze Geld denn nehmen sollen? Denn synchron zur DDR schwand auch die Auftragslage des Ausstellungsmachers.
Immerhin war nun das Haus ein Glücksfall: Wohnen umsonst. Und der bislang so viel Beschäftigte hatte auf einmal die Zeit und die Freiheit, sich nicht nur mehr um die eigene Kunst zu kümmern, sondern auch um die Welt um ihn herum. Er gründete den SPD-Ortsverband Barnim, arbeitete im Vorstand der Arbeiterwohlfahrt, war zwei Jahre lang Bürgermeister von Zepernick und viel länger Kreistagsabgeordneter. Je unfreundlicher das neue System den Geschäftsmann Hopke behandelte, desto dienstbarer war der Sozialdemokrat Hopke fürs neue System.
Auf einem lustigen Foto sitzt er hochbetagt, breit grinsend auf einem Stuhl, alle Auszeichnungen seines Lebens an der Brust, das Bundesverdienstkreuz in der Mitte, umringt von acht Orden, die ihm die ungeliebte DDR verliehen hat.
Am 14. November wird im Willy-Brandt-Haus eine Ausstellungen mit Bildern von Claus Hopke und Textilkunst seiner Frau eröffnet.
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