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Neonazi mit Erinnerungslücken: Ehemaliger Mitangeklagter sagt im Prozess zu rechten Anschlägen in Neukölln aus
Zwei Berliner Neonazis stehen wegen einer Serie rechter Straftaten erneut vor Gericht. Am Landgericht sagte am Donnerstag ein früherer Mitangeklagter aus.
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Er müsse eines vorwegsagen, betont Samuel B.: „Ich kann mich generell nur sehr schwer an Dinge erinnern.“ Am Donnerstagmorgen war der polizeibekannte Neonazi als Zeuge im Berufungsprozess gegen die beiden Hauptverdächtigen in der rechtsextremen Neuköllner Anschlagsserie, Sebastian T. und Tilo P., geladen.
In erster Instanz saß B. noch selbst auf der Anklagebank: Er und zwei weitere Rechtsextreme wurden damals wegen Sachbeschädigungen in mehreren Fällen zu Geldstrafen verurteilt. Das Berliner Amtsgericht sah es als erwiesen an, dass B. gemeinsam mit Sebastian T. und Tilo P. unter anderem Sticker klebte, auf denen das Gesicht des verurteilten NS-Kriegsverbrechers Rudolf Heß sowie der Spruch „Mord verjährt nicht“ zu sehen waren.
Während B. im ersten Prozess geschwiegen hatte, musste er nun als Zeuge aussagen. Das tue er „widerwillig“, betonte sein rechtlicher Beistand, der bekannte NPD-Anwalt Wolfgang Nahrath. Im Ergebnis räumte B. zwar ein, dass er in seinem „Leben schon mal Sticker geklebt“ habe. Auch das Gesicht von Rudolf Heß erkenne er, mit seinem Fall habe er sich „einmal intensiv beschäftigt“. An die konkreten Sticker und -aktionen habe er aber keine Erinnerung.
Mit den Angeklagten sei er „lose bekannt“, sagt B.
Seine Erinnerungslücken begründete B. damit, dass er vor einigen Jahren im Ausland überfallen worden sei. Deswegen befände er sich bis heute in Therapie und könne sich generell nur schwer an Dinge erinnern. So erinnere er sich auch nicht mehr daran, dass ein von ihm gemietetes Auto polizeilich durchsucht worden war.
Auch zu Sebastian T. und Tilo P. bestehe bloß eine lose Bekanntschaft, sagte B. „Man grüßt sich halt, wenn man sich sieht.“ Allerdings gilt B. den Sicherheitsbehörden als enger Kontakt von Sebastian B. Beide waren von Observationsbeamten vielfach gemeinsam beobachtet worden. Neben Stickeraktionen sollen beide nach Tagesspiegel-Informationen auch bei gemeinsamen Kneipenbesuchen beobachtet worden sein.
Dem 41-jährigen früheren AfD-Politiker Tilo P. und dem 38-jährigen ehemaligen NPD-Kader Sebastian T. wird vorgeworfen, in der Nacht des 1. Februar 2018 die Autos des Buchhändlers Heinz Ostermann und des Linken-Politikers Ferat Koçak in Brand gesetzt zu haben. Zudem geht es im Berufungsverfahren um rechtsextreme Schmierereien, Drohungen an Hauswänden und volksverhetzende Aufkleber. T. steht zudem wegen des Verdachts des Betrugs mit Corona-Subventionen und Sozialleistungen in fünfstelliger Höhe sowie wegen Schwarzarbeit vor Gericht.
In erster Instanz waren P. und T. vom Verdacht der Brandstiftung aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden. Der einschlägig mehrfach vorbestrafte T. war wegen einiger der anderen genannten Taten zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren, P. zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Die Generalstaatsanwaltschaft legte in beiden Fällen Berufung ein.
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