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Jacinda Ardern stellt in Berlin ihr Buch vor.

© imago images/AAP/DAVID ROWLAND via www.imago-images.de

Neuseelands Ex-Premier Ardern kommt nach Berlin: Milchabpumpen im Regierungsflieger – das Private ist politisch

Neuseelands frühere Premierministerin stellt am Montag in Berlin ihre Memoiren vor. Für unsere Kolumnistin ist sie „a different kind“ – nicht nur im Unterschied zu den mächtigen Männern dieser Welt.

Eine Kolumne von Aline von Drateln

Stand:

Das Wetter ist schön und die Nachrichten sind schlecht. Putin, Trump, Netanjahu, Chamenei – verzeihen Sie mir diese Emotionalität, aber ich kann ihre Fressen nicht mehr sehen, ich kann ihre Scheiße nicht mehr hören. Und damit zitiere ich nur, was einst Kanzleramtschef Pofalla zu seinem christdemokratischen Parteikollegen Bosbach sagte.

Aufrüsten. Drohen. Unterdrücken. Foltern. Weltpolitik 2025 ist noch immer ein Kräftemessen wie im Mittelalter. Ich finde nicht, dass man zum Arzt gehen sollte, wenn man deshalb Visionen bekommt, dass es auch anders gehen müsse.

„A Different Kind of Power“ heißt das Buch von Jacinda Ardern, das Anfang Juni erschienen ist, und das sie an diesem Montag in Berlin bei der Bertelsmann-Repräsentanz Unter den Linden im Gespräch mit Autorin Miriam Stein vorstellen wird.

Ihre Memoiren beginnen mit dem Natürlichstem, was einer Frau im Laufe ihres Lebens so passieren kann: einem Schwangerschaftstest auf dem Klo. Das Private ist politisch, insbesondere wenn man Premierminister ist und noch insbesondere, wenn man zudem eine Frau ist.

Jacinda Ardern hat nicht nur gewagt, das höchste politische Amt ihres Landes, Neuseeland, anzunehmen. Sie hat obendrein während ihrer Amtszeit ein Kind bekommen. Das tun viele Staatsoberhäupter. Doch es wird nicht gezählt, wie viele Männer, sehr wohl aber, wie viele Frauen: zwei.

Vor Jacinda Ardern war es nur eine einzige: Benazir Bhutto, ehemalige Regierungschefin von Pakistan. Weil Jacinda Ardern kein Mann ist, lag deshalb nicht nur ihr Neuseeland, sondern die ganze Welt auf ihren Schultern. Sehr genau wurde kommentiert, was sie tat. Viel mehr als bei ihren männlichen Vorgängern und Nachfolgern.

Auch ihre Memoiren lesen sich anders als die von Männern oder Merkeln, die ihre Weiblichkeit verbergen. Die ehemalige deutsche Kanzlerin erwähnt in ihren Memoiren „Freiheit“ an keiner einzigen Stelle ihre Menstruation.

Ardern dagegen schreibt ganz selbstverständlich über Milchabpumpen im Regierungsflieger (was ich damals als Moderatorin des MDR-Mittagsmagazins im ICE auf der Strecke Berlin-Leipzig machen musste und Millionen anderer Frauen irgendwo sonst heimlich auf Büro-Toiletten), während Männer mit „hol´mir ma ne Flasche Bier“ wie einst Gerhard Schröder Volksnähe demonstrieren.

Irgendwann war ihr Tank leer. 2023 trat sie zurück – und viele andere nach. Jacinda Ardern war nicht schlechter als viele, viele andere Premierminister. Aber sie war a different kind.

Als Donald Trump, der zeitgleich mit ihr zum ersten Mal zum Präsidenten gewählt worden war, nach dem Terroranschlag auf eine Moschee in Christchurch, bei dem ein Mann 51 Menschen massakriert hatte, telefonisch seine Hilfe anbot, bat sie ihn um etwas, was die Kräfte vieler Staatsmänner übersteigt: „Bringen Sie allen muslimischen Gemeinden Ihr Mitgefühl und Ihre Liebe entgegen.“ Er war von ihrer Stärke dermaßen überfordert, dass er darauf nicht einmal antworten konnte.

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