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König Willem-Alexander, Königin Máxima und Tommy Wieringa (l-r) beim literarischen Dinner in Werder.

© imago images / PPE

Niederländisches Königspaar in Brandenburg: Willem-Alexander und Máxima besuchen literarisches Dinner

Gemeinsam besuchen Willem-Alexander und Máxima eine Lesereihe in Werder. Dort geht es auch um die Rolle der Literatur im ländlichen Raum.

„Die ländliche Welt verschwindet, die Behörden haben uns vergessen. Die Polizei sieht man nur am Freitag bei der Alkoholkontrolle“, erzählt der niederländische Schriftsteller Tommy Wieringa aus seiner ostholländischen Heimat. Aber König Willem-Alexander und Königin Máxima der Niederlande zeigten gerade bei ihrem ersten Besuch in Brandenburg Interesse an der Thematik des ländlichen Raumes.

Die niederländische Botschaft hatte zum Abschluss des ersten Besuchstages zu einem literarischen Dinner mit Tommy Wieringa und dem deutschen Autor Lutz Seiler in die Alte Saftfabrik in Werder geladen. Welche Zukunft hat der ländliche Raum und welche Rolle kann Literatur dort spielen?

Das Dinner in Anwesenheit des Königspaares war der Auftakt der dritten Lesereihe mit niederländischen Autoren, die das Brandenburgische Literaturbüro im Sommer mit sieben Autoren veranstaltet. Lutz Seiler, Autor des preisgekrönten Romans „Kruso“ outete sich im Gespräch mit Tommy Wieringa und Moderatorin Luzia Braun als großer Fan des Landlebens. „Das Land verspricht Vereinfachung, auch Rückzug. Als Autor habe ich ein Bedürfnis nach Ruhe“, erzählt Seiler.

„Und man kann Hühner halten“, fügt Wieringa hinzu, der in Geesteren in der Region Twente nahe der deutschen Grenze wohnte. „Dort gibt es Drogenkriminalität, das sind abgehängte Gebiete und es gibt sehr viele Chinesen, die gab es bei uns früher nicht, dafür aber auch Russen und Polen. Die Niederländer fahren über die Grenze nach Deutschland in den Puff“, sagt Wieringa lapidar, der aber trotzdem seine „Schrumpfregion“, wie er sie nennt, liebt.

"Mein Dorf ist eine internationale Gemeinschaft geworden"

Er erzählt von einem Bauern, der im Umkreis von 500 Metern alles fand, was er brauchte: seine Frau, seinen Beruf und sein Land. Hier findet Wieringa seine Geschichten – bessere als in der Stadt. „Mein Dorf ist eine internationale Gemeinschaft geworden und der Bauer aus der China-Kneipe fährt nach Recife in Urlaub.“

Wieringas Roman „Santa Rita“, der das Landleben in Twente beschreibt, erscheint im Sommer. Sein Blick auf die Region ist schonungslos. „Bei uns gibt es nur noch eine Schulbibliothek, bei uns hat Literatur keinen Platz. Ich lese nur noch in Städten. Ich bin gespannt, ob sie hier einen Platz hat“, sagt er. Harter Stoff für die Majestäten an den Tischen. In den Niederlanden sind Lesereisen von Autoren nicht so populär wie in Deutschland. Niederländische Autoren sind dann hier oft überrascht über das wache, interessierte Publikum.

Willem-Alexander und seine Frau Máxima bei ihrer Ankunft vor der historischen Saftfabrik in Werder.
Willem-Alexander und seine Frau Máxima bei ihrer Ankunft vor der historischen Saftfabrik in Werder.

© Jens Kalaene / POOL / AFP

Darin sieht Lutz Seiler eine Chance für die Literatur im ländlichen Raum. Lesungen auf dem Land bereiten ihm Freude. „Die Leute engagieren sich für die Lesung, sie feiern sich selbst und der Autor merkt schnell, dass die Begeisterung echt ist.“

Die Orte, an denen Lesungen stattfinden, „etablieren sich als Orte, wo sich Menschen mit gemeinsamen Interessen wiederfinden. Gerade in Brandenburg sind die alten Treffs weg. Aber im ehemaligen Konsum trifft sich nun die Freiwillige Feuerwehr, das ist ein echtes Kulturgut. Die üben, die braten, aber die löschen auch, wenn es brennt. Das schafft nachbarliche Identität. Und man fällt unangenehm auf, wenn man seine Kinder nicht zur Freiwilligen Feuerwehr schickt.“

Tommy Wieringa blickt eher pessimistisch auf seine Region, aber sie liefert ihm den Stoff für seine erfolgreichen Romane und daher mag er das Land. „Das Ego spielt dort keine Rolle und wenn etwas in einem Dorf passiert, wird darüber noch eine Woche lang gesprochen. In der Stadt passiert zu viel“, sagt er. „Ich bin ein richtiger Landschreiber“, ergänzt er und gibt damit seiner abgehängten „Schrumpfregion“ eine Stimme.

„Ich bin ein richtiger Landschreiber“

Mit Tommy Wieringa, Lot Vekemans, H.M. van den Brink und Jan Konst waren vier Autoren der neuen Lesereise unter den Gästen des literarischen Dinners, die alle von den Majestäten persönlich begrüßt wurden.

Geladen waren auch die Leiter und Leiterinnen der Stadtbibliotheken, Literaturhäuser und Leseorte dieser Tournee, die am 12. August um 19 Uhr in Potsdam im Literaturladen Wist, Dortusstraße mit H.M. van den Brink beginnt. Er liest aus seinem wunderbaren Roman „Ein Leben nach Maß“, in dem es um die Folgen der Modernisierung durch Supermärkte und Digitalisierung auf dem Lande geht. Er erzählt von einem Leben, dessen Maßstäbe an Gültigkeit verlieren und dem sich nur einer am Tage seiner Pensionierung zu widersetzen scheint.

Jan Konst, Autor und Professor für niederländische Literatur an der Freien Universität, beschreibt in „Der Wintergarten“ die Geschichte der Familie seiner deutschen Frau von der Kaiserzeit bis zur Wende. Konst tritt erstmals am 29. August in der Villa am See in Premnitz auf. Weitere Lesungen bestreiten Pauline de Bok, Tommy Wieringa, Lot Vekemans und Marente de Moor.

Informationen zum Programm von „Niederländische Autoren im Land Brandenburg 2019“ finden Sie unter www.literaturlandschaft.de.

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