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Es ist nicht nur wärmer als früher in Berlin, sondern auch sonniger.

© imago/Kirchner-Media/IMAGO/David Inderlied

Noch nie war es so warm in Berlin: 2024 bricht den Rekord – mit Abstand

Berlin ist weit übers Pariser Klimaziel hinaus. Dabei war der Sommer gar nicht so heiß. Ein Meteorologe erklärt das Phänomen, das tückische Folgen hat.

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Dieser Rekord hat sich angeschlichen – und wirkt jetzt umso gewaltiger: Obwohl es im Sommer keine wochenlangen Hitzewellen oder extrem heißen Tage gab, ist 2024 in Berlin das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 116 Jahren. Und das mit einem Abstand, der erfahrene Fachleute erstaunt.

„Was jetzt passiert, ist noch nie vorgekommen“, sagt Jörg Riemann, Chefmeteorologe der „Wettermanufaktur“, die mit dem Verein „Berliner Wetterkarte“ die meteorologische Bilanz aufbereitet hat. Bei 11,8 Grad liegt das Temperaturmittel in Berlin dieses Jahr, gemessen an der Station in Dahlem. Die Dimension dieses Rekordes erschließt sich beim Blick auf die weiteren Plätze: Die bisher wärmsten Jahre waren 2019 mit 11,17 Grad, gefolgt von 2020 und 2023 mit je 11,14 sowie 2022 mit 11,09 und 2018 mit 11,08 Grad. Die bisherigen Rekordjahre unterschieden sich also erst ab der zweiten Stelle hinterm Komma. Und jetzt ein Sprung um mehr als ein halbes Grad!

Dabei war der Hochsommer kaum wärmer als zuletzt üblich. Selbst der 29. August als heißester Tag des Jahres war mit 34,1 Grad fast vier Grad vom Berliner Hitzerekord entfernt. Aber: Alle Monate waren zu warm – sowohl im Vergleich mit dem Klimamittel der Jahre 1961 bis 1990 als auch mit dem schon deutlich vom Klimawandel geprägten Mittel 1991 bis 2020, das zurzeit die weltweite Referenz ist. Das Berliner Mittel der alten Messperiode war 8,9, das der neuen 9,9 Grad. Mit anderen Worten: Berlin kratzt 2024 an der Plus-drei-Grad-Marke, die global als Katastrophenszenario gilt.

Besonders viel dazu beigetragen haben Februar, März und der sommerliche Aprilbeginn, als die Luft direkt aus Afrika kam – inklusive Saharastaub. Zugleich fehlten eisige Phasen im Winter, die das Mittel in manchen Jahren nach unten ziehen. Der Anteil solcher sehr kalten Nordostlagen im Winterhalbjahr ist nach Auskunft von Riemann über die Jahre von 20 auf zehn Prozent gesunken. Nordwestlagen seien konstant – aber bringen vom wärmer gewordenen Atlantik kaum noch Schneeregen, sondern Schmuddelwetter bei deutlichen Plusgraden.

Im Sommer wiederum „haben die warmen Wetterlagen deutlich zugenommen“, berichtet der Meteorologe – und mit ihnen die Sonnenscheindauer, was die Erwärmung noch verstärkt. 1625 Sonnenstunden stehen Berlin nach dem alten Klimamittel zu, 1811 nach dem neuen. In diesem Jahr werden es ziemlich genau 2000 – deutlich mehr als üblich, aber nicht rekordträchtig. Ein Grund für die geringere Bewölkung kann die sauberer gewordene Luft sein, in der mangels Staubpartikeln weniger Wasser kondensiert.

Beim Niederschlag wurde das von 2018 bis 2022 angesammelte Defizit nicht weiter gelindert: 559 Liter pro Quadratmeter fielen in Dahlem. Das Soll liegt fürs alte Klimamittel bei 589 und fürs neue bei 582 Liter pro Quadratmeter. Fast nichts davon fiel in diesem Jahr als Schnee: Sieben Tage lang lag welcher, maximal waren es Mitte Januar vier Zentimeter. Üblich waren 48 (alt) beziehungsweise 33 Tage (neu) mit geschlossener Schneedecke.

Der sehr verregnete Februar half immerhin dem Grundwasser, das praktisch nur im Winterhalbjahr aufgefüllt werden kann. Im Sommer ziehen Vegetation, Wärme und Wind die Feuchtigkeit aus dem Boden, was sich mit der Erwärmung verstärkt. „Da die Verdunstung mit der Wärme überproportional zunimmt, passen die knapp 600 Liter Niederschlag zu den jetzigen Temperaturen nicht mehr“, sagt Riemann: Berlin trocknet zwangsläufig aus, selbst wenn der Nachschub konstant bleibt.

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