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Syrische Integrationsvolontärin Alaa Alfahel und Moderatorin Sha Non Bobinger diskutieren mit Journalisten.

© Sven Darmer

Offener Kanal „Alex Berlin“: "Am Ende des Tages haben wir immer eine geile Sendung!"

Ob Veggie-Radio, TV-Magazin Mittenmang oder Talk-Runde: Im offenen Kanal „Alex Berlin“ können Bürger jeden Alters eigene Sendungen produzieren.

„Schscht, wir produzieren gerade!“ Wer jetzt noch rein will in den Sender, muss still sein. In der Rudolfhalle, dem neuen Standort des öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsenders „ALEX Offener Kanal Berlin“, herrscht das Konzept „Open Work Space“. Das bedeutet: Rücksichtnahme, aber auch mehr Freiheit, mal als Zuschauer dabei zu sein.

Kreativplattform für alle Berliner

Dafür sind die neuen Räumlichkeiten an der Rudolfstraße in Friedrichshain, Nähe Warschauer Brücke, perfekt geeignet: Sonnenlicht durchflutet das Fernsehstudio, das nur durch Glastüren von den Schnittplätzen und Sitzungsräumen abgetrennt ist. Diese tragen Namen wie „Kulturbrauerei“ oder „Mauerpark“ – genau, wie es sich heutzutage für eine hippe Medienwerkstatt gehört.

Während im „Mauerpark“ gerade die neue Folge von „Fingerzeig“, der ersten deutschen Talkshow in Gebärdensprache, geplant wird, nehmen Jugendliche nebenan ihre Radiosendung „Hörsturz“ auf. Durch die Glastür sind zwei tanzende Jungs zu sehen, eine junge Frau krümmt sich vor Lachen.

„Es ist ein wunderbares Klima“, sagt Julia Brötz, Mitarbeiterin bei ALEX Berlin. Der Lokalsender versteht sich als Kreativplattform für alle Berliner, die Lust haben, sich mal als Medienmacher zu betätigen – mit professioneller Hilfe. Als Einrichtung der MABB, der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, finanziert sich der Sender über den Rundfunkbeitrag.

Damit fördern die Berliner die Vielfalt ihrer Medienlandschaft selbst. Und da es bei ALEX kaum redaktionelle Vorgaben gibt, ist vom Veggie-Radio über das TV-Magazin „Mittenmang“ von Senioren bis hin zum Berlinaleprojekt „Bärenstark“ für filmbegeisterte Kinder ab acht Jahren alles möglich. „Die Hürden des Mitmachens sind nicht so krass“, sagt Brötz. „Es wird auf Augenhöhe produziert.“

Für Jugendliche ist der offene Kanal ein erster Schritt in die professionelle Medienwelt.
Für Jugendliche ist der offene Kanal ein erster Schritt in die professionelle Medienwelt.

© promo

Integrationsvolontariat für Geflüchtete

Brötz ist seit April 2017 bei ALEX Berlin tätig. Als Integrationsbeauftragte betreut sie seitdem Geflüchtete, die eine journalistische Ausbildung erhalten. Das sogenannte Integrationsvolontariat ist ein deutschlandweit einzigartiges Pilotprojekt der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, das dieses Jahr schon in die zweite Runde geht. „Die Überlegung war: Wie gehen wir mit Integration in den Medien um?“, erinnert sich Julia Brötz.

Mit dem Volontariat können nun Menschen mit Fluchthintergrund innerhalb von 18 Monaten praktische Erfahrungen unter anderem beim rbb, bei FluxFM, taz, bild.de sowie beim Tagesspiegel sammeln. Hauptstandort der Ausbildung bleibt allerdings ALEX Berlin als von der Medienanstalt geförderte Einrichtung.

Hier wird auch das Auswahlverfahren durchgeführt. Neben einer Aufenthaltsgenehmigung gehören Deutschkenntnisse auf B2-Niveau zu den Zulassungsbedingungen. Denn: „Sprache ist das ganze Handwerk“, sagt Brötz – „und die größte Barriere“, ergänzt die syrische Volontärin Alaa Alfahel (30).

Sie ist aus Syrien geflüchtet, begann im Mai 2017 das Volontariat, hat inzwischen die meisten sprachlichen Hürden überwunden – und moderiert jetzt bei Alex Sendungen. „Aber klar, man darf auch mal scheitern“, wirft Julia Brötz ein. „Scheitern ist im Konzept mit drin.“ Es gehöre ja zum Lernprozess, zum Voneinander-Lernen.

„In vielem sind die geflüchteten Kollegen uns voraus“, sagt Brötz. In deren Heimatländern sei eine freie Presse beispielsweise keine Selbstverständlichkeit. Darum spiele dort Social Media als staatlich unabhängige Informationsquelle eine extrem große Rolle. „Da sind die deutschen Medien noch nicht so weit.“

Klar, es gebe es auch Probleme bei der Zusammenarbeit mit Geflüchteten. Manchen falle es schwer, „immer zu funktionieren“ nach den teils traumatischen Erlebnissen ihrer Flucht. Darum erfordere ihr Job Geduld. Die Volontäre produzierten zwar eigenständig, aber man sei doch voneinander abhängig, gerade wenn es um Deadlines – klare Zeitlimits – gehe. „Das Problem sind dann die unterschiedlichen Erwartungshaltungen.“

Aber das Alex-Team empfindet es als große Bereicherung, Kollegen zu haben, die aus jenen Ländern kommen, über die sonst nur berichtet wird. „Die haben natürlich Kontakte in ihre Heimat und behandeln vorwiegend dortige Themen mit Einblicken und Erfahrungen, an die wir niemals herankommen.“

Aber nicht nur: Die Volontäre besuchen auch Kunst- und Kulturveranstaltungen in Berlin, erledigen Auftragsarbeiten, setzen eigene Ideen um. „Bei uns MACHST du Sachen, von Tag eins an. Man baut darauf, dass alle sich selbst organisieren“, heißt es im Konzept.

"Am Ende des Tages haben wir immer eine geile Sendung!"

Und das funktioniert offenbar – egal woher die Menschen kommen oder wie alt sie sind. „Ich kann mir jedes Mal kaum vorstellen, dass wir das wirklich auf die Reihe kriegen“, sagt der 16-jährige Bent-Erik und lacht. Er gehört zur Jugendredaktion „Volltreffer“, die jeden Monat für ALEX TV eine Talkshow zu selbstgewählten Themen produziert.

Eingeladen werden Gäste aus Medien, Kultur und Politik, darum kümmert sich Mischka Franke, Leiter der Medienkompetenzabteilung. Aber vor und hinter der Kamera stehen ausschließlich Kinder und Jugendliche. „Und am Ende des Tages haben wir immer eine geile Sendung!“, ruft Bent- Erik. Ob Kamera, Bildregie, Moderation oder Aufnahmeleitung – „man lernt’s durchs Machen.“ Schon mit 14 entwickelte Bent- Erik seine eigene Radiosendung „DunkelFunk“. Sie läuft noch immer jeden Sonntagabend bei Alex auf der Frequenz 91.0.

Für viele der Jugendlichen ist der Offene Kanal ein erster Schritt in die Medienbranche. Julian zum Beispiel hat gerade erst Abitur gemacht und kann jetzt direkt beim Radiosender rs2 anfangen – dank seiner langjährigen Erfahrungen als Schülermoderator. Das erzählt er, während er hektisch Knöpfe auf dem Radioschnittpult drückt und die Lautstärke pegelt.

Auf dem Monitor tauchen rot leuchtende Zahlen auf, noch drei, zwei, eine Sekunde, dann ist er „on air“. Das Mikro wird freigeschaltet, der Jingle – die Erkennungsmelodie– ertönt: „Deine Stadt, Dein Programm.“ Julian holt Luft: „Hallo und herzlich willkommen bei ALEX Berlin...“

ALEX, im Internet: www.alex-berlin.de/radio/livestream.html und www.alex-berlin.de/tv/livestream.html. Antenne: 91,0 MHz. Kabelnetz: 92,6 MHz - Kabel Deutschland (analog).

Milena Reinecke

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