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Gebäude und Geschäfte in der Sonnenallee in Berlin-Neukölln. Hier soll der verdächtige IS-Sympathisant gewohnt haben.

© AFP/ODD ANDERSEN

Update

Plante Abdallah R. ein Selbstmordattentat in Berlin?: Ermittler werten Beweismittel aus – 22-jähriger Syrer in Untersuchungshaft

Spezialeinheiten haben am Samstag in Berlin einen mutmaßlichen IS-Sympathisanten festgenommen. Bei ihm fanden Ermittler Material, das für den Bau von Sprengsätzen geeignet ist.

Nach der Festnahme eines 22-jährigen Syrers in Berlin, der einen Anschlag geplant haben soll, gehen die Ermittlungen weiter. Als Nächstes würden die elektronischen Speichermedien und die übrigen Beweismittel, die bei Durchsuchungen an drei Adressen in der Hauptstadt sichergestellt wurden, ausgewertet, sagte Michael Petzold, Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft. Der Verdächtige sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft, ein Haftrichter hatte am Sonntagabend Haftbefehl gegen ihn erlassen. 

Spezialeinheiten der Polizei hatten den Mann am Samstag in Berlin-Neukölln unter Terrorverdacht festgenommen. Der Mann, der nach Tagesspiegel-Informationen Abdallah R. heißt, soll einen Anschlag geplant haben. Ein Sprecher der Berliner Generalstaatsanwaltschaft bestätigte dem Tagesspiegel, dass dem 22-jährigen Syrer die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat vorgeworfen wird sowie das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen.

Es gehe um die Planung eines dschihadistisch motivierten Anschlags mittels einer selbstgebauten Spreng- oder Brandvorrichtung, sagte der Sprecher. Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) durchsuchte Tagesspiegel-Informationen zufolge Wohnungen in der Buschkrugallee und in der Sonnenallee in Neukölln sowie der Lindenstraße in Köpenick. Dabei sind laut Staatsanwaltschaft Materialien zum Bau von Sprengsätzen sowie elektronische Speichermedien sichergestellt worden. Aus Sicherheitskreisen hieß es, die Ermittler hätten Hinweise gefunden, dass der Mann ein Selbstmordattentat in Berlin geplant haben soll.

Syrer soll Sympathisant des islamistischen Terrormiliz IS sein

Abdallah R. soll laut Staatsanwaltschaft Sympathisant der islamistischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sein. In sozialen Medien soll er mehrfach IS-Propaganda in Form von Kampfliedern, sogenannten Naschids, gepostet haben. Dabei handelt es sich um gesungene Lieder und Hymnen ohne eigene Instrumentalbegleitung. Diese Kampflieder mit dschihadistischem Kontext werden zur Emotionalisierung und zur politischen Mobilisierung ihrer Zuhörer eingesetzt, so die Staatsanwaltschaft. Sie stammen direkt von offiziellen Stellen des IS.

Am Sonntag wurde R. einem Ermittlungsrichter am Amtsgericht Tiergarten vorgeführt. Er erließ Haftbefehl – R. sitzt nun in Untersuchungshaft, wie die Strafverfolgungsbehörden am Abend mitteilten. 

Hat er es auf einen Weihnachtsmarkt abgesehen?

Die Festnahme am Samstag erfolgte kurz nach Eröffnung der Winterwelt am Potsdamer Platz am Freitag. Dass ein Weihnachtsmarkt ein Anschlagziel gewesen sei, sei Spekulation, sagte Petzold. „Natürlich gehen die Ermittlungen in alle Richtungen. Und das Ziel muss natürlich herausgefunden werden, aber das ist alles Gegenstand der Ermittlungen.“ Offen blieb bisher auch, warum mehrere Orte durchsucht wurden und ob die Ermittler von Komplizen ausgehen. 

Laut Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hält sich der Mann seit 2023 in Deutschland auf. „Die Festnahme zeigt erneut, dass die Gefährdungslage in Deutschland durch den Terrorismus zwar abstrakt, aber dennoch hoch ist“, teilte Dobrindt mit. Die Aktivitäten des Syrers, die „auf Anschlagsvorbereitungen hindeuten“, seien rechtzeitig erkannt worden. Dobrindt dankte den Sicherheitsbehörden „für ihre Wachsamkeit und ihr zielgerichtetes Eingreifen“.

Dem schloss sich Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) an. „Dieser Erfolg zeigt: Unsere Sicherheitsbehörden arbeiten eng und effektiv zusammen, um die Menschen in unserer Stadt zu schützen“, sagte Wegner. „Die gute länderübergreifende Kooperation hat entscheidend dazu beigetragen, eine ernste Gefahr abzuwenden. Bund und Land handeln entschlossen, um die Sicherheit der Menschen in Berlin zu gewährleisten.“

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sagte dem Tagesspiegel: „Dieser Sachverhalt zeigt erneut, dass wir für die Sicherheit der Menschen in der Hauptstadt im Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden sehr wachsam sind.“

Verdächtiger hat mehrere Wohnanschriften in Berlin

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft wollte sich nicht dazu äußern, ob der Hinweis zu dem Syrer von einem ausländischen Geheimdienst kam oder die Berliner Ermittler dem Mann selbst auf die Spur kamen. Geführt werden die Ermittlungen von der Anti-Terror-Abteilung der Generalstaatsanwaltschaft. Ob die Bundesanwaltschaft den Fall übernimmt, ist noch unklar.

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Günter Krings, wies auf die islamistische Bedrohung in Deutschland hin. „Die Festnahme eines mutmaßlichen IS-Sympathisanten in Berlin zeigt, wie real die islamistische Bedrohung in Deutschland ist. Wer hier Anschläge plant, darf keinen Schutzstatus behalten und verwirkt sein Aufenthaltsrecht“, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Gerade diese terroristischen Straftäter müssten rasch und konsequent abgeschoben werden. „Und natürlich auch nach Syrien. Der Staat hat die Pflicht, die Bevölkerung zu schützen und nicht diejenigen, die unsere Sicherheit gefährden.“

Der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, sagte dem „Handelsblatt“, er halte eine „intensive Überprüfung“ der in der Vergangenheit erteilten Schutzzusagen für syrische Flüchtlinge für dringend geboten. Nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad sei möglicherweise bei einem Großteil der vor diesem Regime geflüchteten Syrer der Schutzgrund entfallen. „Insofern wäre die Bundesregierung gut beraten, eine großflächige Rückführungsoffensive zu beginnen.“

Vor neun Jahren erschütterte ein Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz Berlin. Am 19. Dezember 2016 hatte ein islamistischer Terrorist einen Lastwagen entführt und war in den Markt an der Gedächtniskirche gefahren. Durch die Tat starben insgesamt 13 Menschen, einer von ihnen Jahre später an den Folgen. Mehr als 70 Menschen wurden verletzt, manche von ihnen schwer. Der Attentäter floh nach Italien, wo er von der Polizei erschossen wurde. (mit dpa)

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