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Nach Totalausfall: Politik in Erklärungsnot

"Rätselhaft", "Überfordert", "Unverständlich" - das sind in etwa die Reaktionen der Politik auf den Totalausfall der S-Bahn. Die Opposition fordert eine Rekommunalisierung und Rot-Schwarz sieht erst 2017 ein Ende der Bahnkrise.

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Die Stadt liegt lahm – und die Stadtpolitik rätselt. Die Bahn müsse sich fragen lassen, warum eine Störung in einem Stellwerk zu so einem weitreichenden Ausfall führen könne, sagt der SPD-Verkehrsfachmann Ole Kreins. "Und warum für solche Fälle nicht weitere Sicherungssysteme eingerichtet werden?" Die Untersuchung der Ursache und Verursacher müsse schnell und gründlich geführt werden. "Wir und die Fahrgäste werden mit Sicherheit genau hinsehen, ob dieser Zusammenbruch des Verkehrs ein Beleg dafür ist, dass die Bahn mit dem Betrieb der S-Bahn in der Hauptstadt überfordert ist."

Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Oliver Friederici, bezeichnete den Komplettausfall als „völlig rätselhaft“. Auch er kann sich nicht erklären, „wie das jetzt passieren konnte“. Denn nach dem S-Bahn-Chaos durch einen Brandanschlag auf einen Kabeltunnel habe er erwartet, das das Unternehmen die Schwachstellen beseitigt habe. Weil die Ursache für den Vorfall zunächst unklar war, wollte Friederici über mögliche Konsequenzen nicht spekulieren.

Ort des Geschehens: das Stellwerk in Berlin-Halensee.

© , Google Maps

Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) kritisierte in der RBB-Abendschau, die S-Bahn hätte ihre Fahrgäste besser informieren müssen, zur Not ginge das auch "über Megaphon". Der grüne Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar ärgert sich, dass die S-Bahn immer wieder auffällt. "Es kann nicht sein, dass ein einziger Kabeldefekt gleich das ganze Netz lahm legt." Er fordert eine technische Lösung, dass künftig so ein Defekt vermieden werden kann. Was die Zukunft der S-Bahn anbelangt, wollen die Grünen die Teilausschreibung des S-Bahn-Betriebs sowie einen landeseigenen Fuhrpark.

Die Linkspolitikerin und wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion, Jutta Matuschek, spricht nach dem Totalausfall der S-Bahn von einem „Alptraum“. Sie könne nicht nachvollziehen, dass ein Stromausfall oder ein Defekt gleich so große Konsequenzen nach sich zieht. „Es muss schnell Abhilfe geschaffen werden, damit so ein Ausfall nicht noch einmal passiert“, sagte Matuschek. Verantwortlich für die Funktionsfähigkeit der Stellwerke und des Netzes sei die DB Netz. Das Land Berlin müsse wieder mehr kommunalen Einfluss auf die S-Bahn erhalten. Die Linke fordert die Rekommunalisierung der Bahn, damit die Dienstleistungen der S-Bahn in die Verantwortung des Landes Berlin übergehen. Die Fahrzeuge sollten künftig durch eine kommunale Gesellschaft gekauft werden. Der Fahrgastverband fordert jetzt eine unterbrechungsfreie Stromversorgung für die S-Bahn wie in Krankenhäusern.

Auch die Piraten fordern die Rekommunalisierung der S-Bahn. Als Planungszeitraum hat die Partei zehn Jahre angesetzt. Ziel sei der Aufbau eines Fuhrparks, dessen Betrieb mittel- bis langfristig vom Land Berlin übernommen werden solle. Pirat Gerwald Claus-Brunner sagt, die S-Bahn benötige kein „königlich-preußisches Beamtentum, sondern ein modernes Kostencontrolling“. Außerdem fordert er Reserven, damit so ein Totalausfall nicht mehr passiert.

Nach Einschätzung der rot-schwarzen Koalition wird sich die S-Bahnkrise erst mit der Beschaffung neuer Züge und einem Betreibervertrag ab 2017 wirklich beheben lassen. Noch in diesem Jahr, so wurde im Koalitionsvertrag versprochen, sollen mit der Deutschen Bahn Gespräche über den Kauf der S-Bahn durch das Land beginnen. Parallel dazu soll rechtlich geprüft werden, ob die Gesamtvergabe des Schienennetzes an einen Betreiber möglich ist.

Wenn die bundeseigene Deutsche Bahn nicht verkauft, was allgemein erwartet wird, will der Senat mindestens den Betrieb des S-Bahnrings samt Zubringerstrecken mit neuen Fahrzeugen europaweit ausschreiben. Auch die landeseigenen Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sollen ein Angebot zur Übernahme des Teilnetzes abgeben dürfen.

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