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Der türkische Präsident plant Berlin-Besuch: Erdogan will seine Fans in Berlin treffen

Der Polizei steht ein Großeinsatz bevor - der türkische Präsident Erdogan will nach Berlin kommen. Seine Anhänger demonstrieren an diesem Sonntag.

Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik dürfte am Sonnabend tief geseufzt haben. Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung soll der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im September nach Berlin kommen – zum Staatsbesuch. Dies ist die höchste Form des diplomatischen Austausches, zum Staatsbesuch gehören ein Empfang durch den Bundespräsidenten mit militärischen Ehren und ein „Staatsbankett“.

Angesichts der Entwicklungen der vergangenen Jahre dürfte Erdogan neben dem Jubel seiner Anhänger auch viel Protest entgegenschlagen. Mehrere tausend Polizisten dürften benötigt werden, um die Sicherheit des Staatsgastes zu garantieren sowie Freunden und Feinden Erdogans das Recht auf Versammlungen und Demonstrationen zu gewährleisten.

„Der Besuch wird höchstwahrscheinlich in einigen Teilen Berlins Unruhe auslösen“, prophezeit die grüne Bundestagsabgeordnete Canan Bayram im Gespräch mit dem Tagesspiegel – und zwar bei Gegnern und Anhängern. Nach Bayrams Einschätzung wird die Lage „jetzt nach der Wahl nicht so heftig sein, wie vor der Wahl“. Derzeit fahre Erdogan gegenüber der EU eher einen Kuschelkurs, aktuell hadere er ja außenpolitisch eher mit den USA. Sollte Erdogan allerdings neue Verbalattacken auf Deutschland loslassen, würde das den Berlin-Besuch anheizen. Abzuschätzen sei dies nicht, sagte Bayram: „Der Mann ist nicht berechenbar.“

„Erdogan versucht, die Auslandstürken an die Türkei zu binden.“

Wie „Bild“ weiter berichtet, will Erdogan in einer Berliner Veranstaltungshalle zu seinen Landsleuten sprechen. Bei seinem bislang letzten Staatsbesuch in Berlin im Februar 2014 hatte er das Kreuzberger Tempodrom gemietet und vor Tausenden Anhängern gesprochen. Nicht nur Bayram zweifelt, ob ein solcher Auftritt bei einem Staatsbesuch möglich ist. Das deutsche Protokoll dürfte versuchen, Erdogan von diesem Programmpunkt abzubringen.

Die Bundesregierung äußerte sich weder zum Besuch überhaupt, noch zu einem möglichen Auftritt vor Landsleuten. Ein genauer Termin soll noch nicht feststehen. Wie Bayram sagte, würde eine Rede vor Anhängern aber zu Erdogan passen. „Erdogan fährt seit zehn Jahren die Strategie, die Auslandstürken an die Türkei zu binden.“ In Berlin leben etwa 200.000 türkischstämmige Menschen.

Staatsbesuche sind relativ selten, im Protokoll darunter rangieren „offizielle Besuche“ und Arbeitsbesuche. Die Unterschiede lassen sich an der Zahl der Polizeimotorräder für die Ehreneskorte ablesen: Beim Staatsbesuch sind es 15, beim offiziellen Besuch nur sieben. Zudem sieht das deutsche Protokoll vor, dass mindestens ein weiteres Bundesland besucht werden muss.

Im Frühjahr 2017 hatten geplante Wahlkampfauftritte von türkischen Ministern in Deutschland vor dem Verfassungsreferendum in der Türkei zu heftigem Streit zwischen beiden Ländern geführt. Erdogan hatte der Bundeskanzlerin wegen verhinderter Auftritte „Nazi-Methoden“ vorgeworfen. Im Juni 2017 erließ die Bundesregierung ein generelles Auftrittsverbot für ausländische Amtsträger aus Nicht-EU-Staaten, das drei Monate vor einer Wahl in deren Land gilt.

Auftritt in Sarajewo

Erdogan war im Mai dieses Jahres deshalb nach Sarajewo (Bosnien-Herzegowina) ausgewichen und hatte dort vor 10.000 Türken gesprochen – die Hälfte von ihnen war aus Deutschland angereist. Als im Mai Erdogan in London von der britischen Königin empfangen wurde, prügelten sich Anhänger und Gegner Erdogans auf der Straße, die Londoner Polizei hatte Mühe beide Seiten zu trennen.

Berliner Beamte können bereits an diesem Sonntag Erfahrung mit türkischen Demonstranten sammeln. In Kreuzberg wollen laut Präsidium 500 Personen vor dem Axel-Springer-Haus unter dem Motto „Ich bin Özil“ protestieren. Angemeldet wurde die Kundgebung vom Verein Hacivat: „Wir rufen alle Bürger auf, zur Kundgebung gegen die rassistische Hetzberichterstattung der Axel Springer Presse insbesondere der Bild-Zeitung, teilzunehmen.<NO1>Es muss endlich ein Zeichen gesetzt werden. Wir sind Solidarisch mit Mesut Özil.“ Auf der Internetseite bezeichnet sich der Verein selbst als „Erdogananhänger“, der Vorsitzende Bilgili Üretmen hetzt im Internet gegen Deutschland, deutsche Medien und Journalisten wie den lange in der Türkei inhaftierten Deniz Yücel.

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