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Für seine Verdienste um die deutsch-polnischen Beziehungen wird der Historiker Krzysztof Ruchniewicz mit dem Viadrina-Preis ausgezeichnet.

© Foto: privat

Prof im Profil: Krzysztof Ruchniewicz : „Die deutsch-polnischen Beziehungen befinden sich in einer Krise“

Als Historiker will Krzysztof Ruchniewicz mit seinem Wissen die Gegenwart gestalten. Für seine Verdienste um die deutsch-polnischen Beziehungen hat er jetzt den Viadrina-Preis erhalten.

Hätte jemand seiner Brieffreundin erzählt, dass sie mit einem zukünftigen Träger des Bundesverdienstkreuzes korrespondiert, sie hätte es vermutlich nicht geglaubt. Dass es Krzysztof Ruchniewicz so weit geschafft hat, hat er auch dem Mädchen aus Reinbek bei Hamburg zu verdanken. Sie wollte besser Polnisch lernen, der 14-jährige Ruchniewicz besser Deutsch. Über 10 Jahre schrieben sie einander Briefe.

Rund 40 Jahre später wird Ruchniewicz für seine Verdienste um die deutsch-polnischen Beziehungen mit dem Viadrina-Preis der gleichnamigen Universität in Frankfurt an der Oder geehrt. Der 56-Jährige ist Professor an der Uni Breslau und blickt auf drei Jahrzehnte der Forschung zurück.

Im Dienst der Völkerverständigung

Nach der Wende, Ruchniewicz hatte gerade sein Geschichtsstudium in Breslau abgeschlossen, forschte er als Promotionsstudent in Marburg zu den kaum existenten deutsch-polnischen Beziehungen in den 1950er und 1960er Jahren. „Als Studienabsolvent aus dem Ostblock konnte ich mich glücklich schätzen, dass mein Abschluss überhaupt anerkannt wurde“, erinnert er sich.

Wir müssen auf Dialog setzen, damit wir unsere gemeinsame Zukunft gestalten können.

Krzysztof Ruchniewicz, Historiker an der Universität Breslau

1996 kehrte Ruchniewicz schließlich nach Breslau zurück und gründete das Willy Brandt Zentrum für Deutschland- und Europastudien mit. Bis heute leitet er das deutsch-polnische Institut, das auf Initiative Gerhard Schröders entstand. „Wir müssen auf Dialog setzen, damit wir unsere gemeinsame Zukunft gestalten können“, skizziert Ruchniewicz sein Arbeitsverständnis.

Dass die Vergangenheit Antworten auf die Gegenwart liefern kann, zeige die Erfahrung des Weimarer Dreiecks. Das Forum, in dem sich Deutschland, Frankreich und Polen trafen, half beim polnischen EU-Beitritt. Ruchniewicz schwebt jetzt ein Breslauer Dreieck unter Beteiligung Deutschlands, Polens und der Ukraine vor, um die Ukraine in die EU zu integrieren.

Schwierige Gegenwart

Der Blick in die Gegenwart fällt dem Historiker schwerer: „Die deutsch-polnischen Beziehungen befinden in einer tiefen politischen Krise. Das Gemeinsame findet nur noch auf der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ebene statt. Die Deutschen interessieren sich kaum für Entschädigung und sollten sich über die antideutsche Stimmung in Polen nicht wundern.“

Die Deutschen interessieren sich kaum für Entschädigung und sollten sich über die antideutsche Stimmung in Polen nicht wundern.

Krzysztof Ruchniewicz, Historiker an der Universität Breslau

Von deutscher Seite werde die Zusammenarbeit aktuell mit Verweis auf die anstehenden Parlamentswahlen in Polen im Herbst heruntergefahren. „Dass sich die deutsch-polnischen Beziehungen verschlechtern, hat aber wenig mit dem Wahlkampf zu tun“, sagt Ruchniewicz. Von Deutschland wird Polen für seine Justiz- und Medienreform kritisiert. In Polen ist nicht nur die Debatte um Reparationen von deutscher Seite für die Verbrechen des Nationalsozialismus wieder in vollem Gange. Mit Unmut werde zur Kenntnis genommen, dass 2018 angekündigtes Denkmal für die Opfer der NS-Besatzung in Polen nach wie vor nicht in Berlin gebaut wurde, so Ruchniewicz.

Ruchniewicz, der 2007 seine Habilitation zur Frage der Wiedergutmachung schrieb, ist um die Beziehungen besorgt. Die Viadrina Universität auf deutscher Seite schätzt er als einen Partner, der auch in schwierigen Zeiten ernstes Interesse an einer Vertiefung der Zusammenarbeit hat. Es ist eine Wertschätzung, die auf Gegenseitigkeit beruht.

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