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Der Angeklagte Maurice P. beim ersten Prozesstag.

© imago images / Foto: imago/Olaf Wagner

Prozess gegen Berliner Neonazi wegen Messerangriff : „Ich wäre als arbeitsscheuer Asozialer selbst im KZ gelandet“

Beim zweiten Prozesstag zeigt sich Maurice P. reumütig. Die Untersuchungshaft habe „positive Auswirkungen“ auf ihn gehabt - und ein Messerangriff sei Notwehr gewesen.

Der Mann, den die Sicherheitsbehörden für einen der gefährlichsten Rechtsextremisten Berlins halten, hält sich selbst offenbar eher für eine gescheiterte Existenz. „Ich mag zwar ein sogenannter Rechter sein, aber mir ist klar geworden, dass ich zwischen 1933 und 1945 als arbeitsscheuer Asozialer im KZ gelandet wäre“, heißt es in einer Einlassung des Neuköllner Neonazis Maurice P., die sein Anwalt beim zweiten Prozesstag vor dem Amtsgericht Tiergarten verlas.

Dort muss P. sich unter anderem wegen schwerer Körperverletzung verantworten: Er soll an einer Schlägerei beteiligt gewesen sein, bei der Neonazis auf eine Gruppe Linker mit Stühlen und Brettern einschlugen. Zudem soll er einem Jamaikaner nach einem Streit ein Cuttermesser in den Hals gerammt und dabei nur knapp die Halsschlagader verfehlt haben.

Dass er wiederholt den verbotenen Hitlergruß gezeigt und Shirts mit Hakenkreuzen und anderen NS-Symbolen getragen hatte, räumte P. in der Einlassung vollumfänglich ein. Allerdings habe er bei den Vorfällen stets unter dem Einfluss von Drogen und Alkohol gestanden, gab er an - und bei diversen Symbolen sei ihm deren rechte Bedeutung nicht bekannt gewesen. Ein Shirt mit dem Logo der verbotenen rechtsextremen Terrorvereinigung „Combat 18“ habe er getragen, weil er dachte, dass „Combat 18“ eine Metalband sei, hieß es. Auch die SS-Runen auf seinem Zeigefinger will er mittlerweile übertättowiert haben.

Ausführlich widmete P. sich in der Einlassung seiner, laut seiner Aussage, schweren Drogensucht. Er habe seit seiner Schulzeit Tilidin, ein synthetisches Opioid, konsumiert und seit 2012 auch Kokain, so der 29-Jährige. Zuletzt habe er beides täglich gemeinsam mit Alkohol konsumiert. „Ich habe mich dadurch echt asozial verhalten und falsche Entscheidungen getroffen“, heißt es in dem Dokument. Erst in Untersuchungshaft sei ihm klar geworden, wie die Drogen sein Leben zerstören würden.

Ich dachte, dass Combat 18 eine Metalband ist.

Maurice P. über das verbotene Logo auf einem seiner Shirts.

„Ich habe außer einem Realschulabschluss nichts im Leben erreicht - das ist echt peinlich.“ Er habe sich dann für den kalten Entzug in Haft entschieden. „Die Zeit in Untersuchungshaft war hässlich, aber hatte für mich positive Auswirkungen“, heißt es in der Einlassung.

P. gab an, dass er mehrfach Opfer von Übergriffen geworden sei, die er „den Linksextremisten von der Antifa“ zuordnet. So soll ihn im November 2020 eine Gruppe vermummter Männer von hinten attackiert und mit einem Messer im Gesicht verletzt haben. Erst vor wenigen Tagen, am 9. Oktober, habe er einen vermummten Menschen auf seinem Balkon entdeckt, der gerade Exkremente an seine Scheibe geschmissen habe.

Den Vorwurf, an der Schlägerei in Neukölln beteiligt gewesen zu sein, wies P. zurück. Er habe in jener Nacht „bei einem Freund gesoffen“, diesem „die Bude vollgekotzt“ und anschließend „ausgekatert“. Zu dem Angriff mit einem Cuttermesser auf den Jamaikaner Steve W. sagte er, dass dieser ihn zuerst angegriffen und auf ihn eingeprügelt habe.

„Wir haben uns eine zeitlang unterhalten, und als es dann um Politik ging, passte den anderen meine Einstellung nicht“, beschrieb P. die Situation. Dann habe Steve W. unvermittelt angefangen auf ihn einzuschlagen, er habe um sein Leben gefürchtet. „Ich habe immer wieder gesagt, dass ich nicht kämpfen will.“ Mit dem Cuttermesser habe er W. nur davon abhalten wollen, weiter auf ihn einzuprügeln. Wie glaubhaft diese Darstellung ist, muss das Gericht bewerten. Die Anhörung von Steve W. ist für den nächsten Prozesstag am 14. Oktober angekündigt.

Maurice P. spielt auch noch in einem weiteren Verfahren gegen Neonazis eine Rolle: Einer der beiden Hauptverdächtigen in der rechtsextremen Neuköllner Anschlagsserie, Tilo P., soll ihm in Untersuchungshaft gesagt haben, dass man ihm „jetzt auch noch wegen der anderen Sachen was anhängen“ wolle, dabei habe er „nur Schmiere“ gestanden. Die Behörden sind sich sicher, dass mit „den anderen Sachen“ die rechten Brandanschläge gemeint sind. Den Verdacht, dass Maurice P. für den Verfassungsschutz gespitzelt haben könnte, wies die Generalstaatsanwaltschaft zurück.

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