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Dauerbaustelle. Seit sieben Jahren harren Schüler, Lehrer und Eltern der Kreuzberger Kurt-Schumacher-Schule in einem Provisorium aus.

© Susanne Vieth-Entus

Update

Schule seit sieben Jahren im Ausnahmezustand: Rechnungshof kritisiert Bezirk für den „BER von Kreuzberg“

Mangels Brandschutz arbeitet eine Berliner Schule seit Jahren im Provisorium. Von einer „Pechsträhne“ spricht der Stadtrat. Der Rechnungshof sieht das anders.

Leben, Lernen, Leiden im Provisorium: Zwölf Jahre werden vergangen sein, wenn die Kurt-Schumacher-Grundschule 2024 – voraussichtlich – wieder in ihr eigentliches Schulhaus wird einziehen können. Von einer „Pechsträhne“ spricht Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne), von Insolvenzen, Kündigungen und einem schwierigen Stahlskelettbau.

Jetzt stellt sich heraus: Auch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ist mitverantwortlich für die Misere. So jedenfalls sieht es der Landesrechnungshof.

„Das Bezirksamt hat es versäumt, ausreichende Bausubstanzuntersuchungen durchzuführen und deren Ergebnisse in die Planung einfließen zulassen“, heißt es im jüngsten Rechnungshofbericht mit Blick auf die Anfänge der Baustelle. Weiter ist dort zu lesen, dass das Bezirksamt im Dezember 2014 die Bauplanungsunterlagen mit Gesamtkosten von 4,68 Millionen Euro zwar anerkannt und angeblich auch geprüft habe. Ein Prüfungsergebnis sei jedoch nicht vermerkt worden.

[Den Jahresbericht des Landesrechnungshofes kann man HIER herunterladen. Die Ausführungen zur Kurt-Schumacher-Schule befinden sich auf Seite 105f.]

Wie berichtet, harren alle zwölf Klassen der Kurt-Schumacher-Schule seit sieben Jahren in ihrem Horthaus aus, weil sie wegen Brandschutzmängeln ihr eigentliches Schulgebäude an der Puttkamerstraße am 21. Dezember 2012 hatten räumen müssen. Jetzt aber ist es mit der Geduld vorbei: Am kommenden Mittwoch organisieren die Eltern eine Lichterkette rund um die gesperrte Schule, weil auch der Wiedereröffnungstermin des ersten Bauabschnitts im Sommer 2020 inzwischen geplatzt ist.

Der Schulbau-BER von Berlin: An der Kurt-Schumacher-Schule wird seit sieben Jahren gebaut.
Der Schulbau-BER von Berlin: An der Kurt-Schumacher-Schule wird seit sieben Jahren gebaut.

© Kitty Kleist-Heinrich

Noch bei einem Runden Tisch von Schule und Bezirksamt am vergangenen Dienstag hatte sich Baustadtrat Schmidt ausdrücklich vor seine Mitarbeiter gestellt, als von Schul- und Elternseite deutlich Unverständnis geäußert wurde. Bei dieser Gelegenheit fiel auch das Wort „Pechsträhne“.

Planungsfehler im Bezirksamt

Hingegen schreibt nun der Rechnungshof, dass sich die Prüfstelle mit der Brandschutzthematik „nicht aktenkundig befasst“ habe, obwohl doch gravierende Mängel beim baulichen Brandschutz die Baumaßnahme veranlasst hatten. Durch die „unzureichende Planung und eine nicht ordnungsgemäße Prüfung der Bauplanungsunterlage“ sei das Bezirksamt „erhebliche Kosten- und Terminrisiken eingegangen“, die sich dann auch „verwirklicht“ hätten.

Für die Rechnungsprüfer steht fest, dass bei ordnungsgemäßer Prüfung „die Unvollständigkeit der Planung und die damit einhergehenden Kostenrisiken“ hätten erkannt werden müssen. In diesem Fall, so schreiben die Prüfer, hätte schon 2013 - zur Zeit von Schmidts Vorgänger im Amt - die Frage aufgeworfen werden müssen, ob statt der Sanierung ein Neubau nicht wirtschaftlicher gewesen wäre - so wie es aufgrund der Schumacher-Erfahrungen nun an der Lenau-Grundschule praktiziert wird. .

Sanierung billiger als Neubau - so schien es zunächst

Konfrontiert mit diesen Beanstandungen teilte Schmidts Referent am Freitag mit, dass die Kritik in Bezug auf die formale Aufstellung und Prüfung der Planungsunterlagen „berechtigt“ sei. Allerdings seien die zu einem späteren Zeitpunkt festgestellten weiteren Brandschutzmängel „zu diesem Zeitpunkt“ noch nicht absehbar gewesen. Demzufolge hätten sie nicht beanstandet werden können. Im übrigen habe es sehr wohl einen „Wirtschaftlichkeitsnachweis“ gegeben. Der habe erbracht, dass ein Neubau wesentlich teurer als eine Sanierung gewesen wäre.

Die Schule selbst will jetzt vor allem nach vorn blicken, zweifelt aber daran, dass das Bezirksamt tatsächlich alles unternimmt, um ihre Sache voranzutreiben. Beim Runden Tisch wandte sich Elternvertreterin Gülcan Yapici sinngemäß mit der Frage an Schmidt, ob die Schule vielleicht nicht ernst genommen werde und nicht so viel Aufmerksamkeit von der Politik bekomme, weil sie vor allem aus Migranten bestehe. Der grüne Stadtrat wies das von sich.

Die Elternvertreterinnen Gülcan Yapici, Carolin Kabra und Henrike Hüske übergaben Protestpostkarten an die Stadträte Florian Schmidt und Andy Hehmke (v.l.n.r.).
Die Elternvertreterinnen Gülcan Yapici, Carolin Kabra und Henrike Hüske übergaben Protestpostkarten an die Stadträte Florian Schmidt und Andy Hehmke (v.l.n.r.).

© Susanne Vieth-Entus

Der Raummangel hat für die Schüler erhebliche negative Konsequenzen: Fachräume gibt es nicht, Teilungs- und Förderunterricht kann nur auf dem Flur stattfinden, obwohl es sehr viele Schüler gibt, die eine besondere Förderung brauchen: Über 75 Prozent kommen aus armen Familien, rund 90 Prozent sprechen Deutsch nicht als Muttersprache. Die Schule nimmt am Bonusprogramm des Landes teil.

Alles in einem Raum: Unterricht, Mittagessen, Nachmittagsbetreuung

Lehrer weisen darauf hin, dass es auch an Räumen fehlt, um Kindern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche oder Rechenschwäche die notwendige Ruhe zu geben: Wie berichtet hat jede Klasse nur einen einzigen Raum, in dem sie von acht Uhr bis 16 Uhr zubringt: Dort findet der Unterricht statt, das Mittagessen und die Nachmittagsbetreuung. „Wir haben sehr viele Kinder mit hohem Förderbedarf, und wir machen unseren Job nicht richtig, und vielen geht es nicht gut damit“, bilanzierte eine frustrierte Lehrkraft am Freitag.

Die Schüler mussten das Hauptgebäude bereits 2012 wegen Brandschutzmängel verlassen.
Die Schüler mussten das Hauptgebäude bereits 2012 wegen Brandschutzmängel verlassen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Die Schule hat vieles versucht, um ihr Schicksal zu erleichtern, aber auch dabei gab es Geduldsprüfungen. Allein die Beschaffung eines Sonnenschutzes, der mangels Jalousien dringend nötig war, nahm über die Ämterhürden zwei Jahre in Anspruch. Es wurde auch ein Container beantragt, um zwei Klassenzimmer zusätzlich zu bekommen, aber das Grundstück reichte dafür nicht, und somit kam nur ein kleiner Container. „Immerhin hat die Sozialarbeiterin jetzt einen Raum“, sagt Schulleiter Lutz Geburtig, der trotz aller Widrigkeiten die Ruhe bewahrt hat. Aber jetzt, nach sieben Jahren, will auch er nicht mehr warten.

Schmidt: Die Ämter haben sich "sehr intensiv gekümmert"

Das Brandschutzproblem der Schumacher-Schule fiel 2012 in eine Zeit, als die Bezirksämter - bedingt durch die rot-rote Sparpolitik unter dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) - personell extrem ausgedünnt waren: Es waren in den Vorjahren nicht nur Kräfte sondern auch Erfahrung verloren gegangen. Auf die Tagesspiegel-Frage, ob dies die Ursache dafür sein, dass das Bauamt sich nicht intensiver um die Schumacher-Schule habe kümmern können, verneinte Schmidt: "Das Schulamt und die anderen Ämter haben sich sehr intensiv gekümmert", beharrte er am Donnerstag.

Die Schule will am 18.12. um 15.30 Uhr mit einer Lichterkette rund um die Schule „den 7. Geburtstag der Baustelle feiern“.

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