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Eine Demo gegen Rechtsextremismus in Neukölln.

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Rechte Angriffe in Berlin-Neukölln: „Die Polizei hätte vielleicht weitere Anschläge verhindern können“

Im Abgeordnetenhaus wurden am Freitag Expertinnen zu der Serie Neuköllner Attacken angehört. Sie schilderten Versäumnisse der Behörden.

| Update:

Hätte die Polizei schon viel früher erkennen müssen, dass es sich bei den rechtsextremen Anschlägen in Neukölln um eine Serie handelt? Diese Frage stellte Bianca Klose, Geschäftsführerin der Berliner Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) am Freitag im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex. Ihr Vorwurf: „Hätten die Behörden die Hinweise von Expert:innen und Betroffenen ernst genommen, hätte vielleicht zumindest ein Teil der späteren Anschläge verhindert werden können.“

Spätestens im Herbst 2016 habe die MBR die Anschläge, die ab Mai 2016 begangen worden waren, als Serie erkannt, sagte Klose. Sie schilderte, dass viele Betroffene von Brandanschlägen, Drohschmierereien und anderen rechten Attacken sich fragten, woher die mutmaßlich rechtsextremen Täter:innen ihre Adressen hatten. In mindestens einem Fall habe auch die Berliner Datenschutzbeauftragte auf möglicherweise ungerechtfertigte Datenabfragen von Seiten der Polizei hingewiesen.

Klose warf die These auf, dass Neonazis nicht nur über polizeiliche Abfragen, sondern auch über Verbindungen in öffentliche Ämter an persönliche Daten gelangen könnten. So soll etwa ein bekannter Rechtsextremer, der nachweislich Verbindungen zu einem der Hauptverdächtigen in der Anschlagsserie hat, eine zeitlang im Finanzamt tätig gewesen sein und dort Akten abgerufen haben. Zudem sei mehrfach private Post von Betroffenen entwendet worden.

Bianca Klose, Geschäftsführerin der MBR Berlin, bei einer Veranstaltung 2019.
Bianca Klose, Geschäftsführerin der MBR Berlin, bei einer Veranstaltung 2019.

© imago/Reiner Zensen

Klose kritisierte zudem, dass mit den Betroffenen nicht angemessen umgegangen werde. So würden Menschen etwa nicht ausreichend darüber informiert, welche Daten Neonazis über sie in den von Behörden entdeckten „Feindeslisten“ gesammelt hatten.

Auch Özge Sarp von der Opferberatungsstelle ReachOut warf den Behörden vor, die bedrohliche Lage nicht ernstgenommen zu haben. Hinweisen auf ein mögliches rechtsextremes Motiv sei häufig nicht nachgegangen worden. Das sagte Sarp auch mit Blick auf den Mord an dem damals 22-jährigen Burak Bektas. Er war 2012 in Neukölln erschossen worden. Bis heute ist nicht geklärt, wer ihn getötet hat.

Rechtsextreme Taten würden von Behörden häufig als „harmlos“ eingestuft, sagte Sarp. Auch würden Betroffene nur in Ausnahmefällen auf Beratungsangebote - wie etwa Reach out und die MBR - hingewiesen.

Nazis beziehungsweise rechte Taten werden als „harmlos“ eingestuft.

Özge Sarp von der Opferberatungsstelle ReachOut

Der Ausschuss soll das nächste Mal am 9. Dezember zusammenkommen. Dann sollen erneut Sachverständige angehört werden. Bislang ist unklar, inwiefern die Arbeit des Ausschusses von der Wiederholungswahl im kommenden Jahr betroffen sein wird. Nach Tagesspiegel-Informationen gehen Beteiligte davon aus, dass der Ausschuss einen Zwischenbericht verfassen und sich nach der Wahl neu konstituieren muss.

Der Untersuchungsausschuss soll mögliche Pannen und Ermittlungsfehler in einer Serie rechtsextremer Anschläge in Neukölln aufdecken. Dieser Serie werden 72 rechte Straftaten seit 2013 zugerechnet, darunter 23 Brandanschläge. Die beiden Hauptverdächtigen, der frühere NPD-Kreisvorsitzende Sebastian T. und der frühere AfD-Kreisvorstand Tilo P., stehen derzeit wegen einiger dieser Vorfälle vor Gericht.

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