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Joe Chialo (CDU), Kultursenator von Berlin, tritt zurück.

© dpa/Fabian Sommer

Update

Nach gescheitertem Wechsel in die Bundespolitik: Berlins Kultursenator Joe Chialo tritt zurück

Der CDU-Politiker hatte Ambitionen auf das Amt des Kulturstaatsministers. Doch daraus wurde nichts. Stattdessen sollte er weitere Einschnitte in der Berliner Kulturlandschaft umsetzen.

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Joe Chialo hatte Ambitionen auf das Amt des Kulturstaatsministers unter dem zukünftigen Bundeskanzler Friedrich Merz. Doch daraus wurde nichts. Nun hat er den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner in einem Brief um Entlassung gebeten. Als Grund nannte der CDU-Politiker unter anderem die Diskussionen um und die Kritik an den weitreichenden Haushaltskürzungen für den Kulturbereich der Hauptstadt.

„Im vergangenen Jahr habe ich die geforderten Einschnitte im Kulturhaushalt schweren Herzens mitgetragen – im Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung für die Stadt“, schreibt Chialo, der 2023 Kultursenator in Berlin wurde, in dem Brief. „Die nun geplanten weiteren Kürzungen greifen jedoch zu tief in bestehende Planungen und Zielsetzungen ein, verändern zentrale fachliche Voraussetzungen und führen so zur drohenden Schließung von bundesweit bekannten Kultureinrichtungen.“

Berlins Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) reagierte am Freitagmittag auf den Rücktritt. „Ich habe den Wunsch von Joe Chialo, aus dem Amt des Senators für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt entlassen zu werden, zur Kenntnis genommen und werde dem Wunsch entsprechen“, teilte Kai Wegner mit. „Ich danke ihm für sein Engagement für Berlin in den vergangenen zwei Jahren. Für die Nachfolge werde ich zeitnah eine sehr gute Lösung für Berlin präsentieren.“

Verhältnismäßig hohe Einsparungen im Kulturetat

Insgesamt muss die Berliner Kultur im Haushalt 2025 rund 130 Millionen Euro einsparen, knapp zwölf Prozent ihres eigentlich angedachten Budgets. Viele Theater und andere Institutionen müssen mit weniger Geld vom Land auskommen. Von Einsparungen im Gesamtumfang von drei Milliarden Euro sind auch zahlreiche andere Bereiche in der Stadt betroffen. Allerdings wurde im Kulturbereich verhältnismäßig viel eingespart. Auch im kommenden Jahr sinkt der Etat um weitere 34 Millionen Euro.

Eine konstruktive Diskussion über die Einsparungen sei zuletzt erschwert worden, da sich öffentliche Kritik zunehmend auf die eigene Person konzentriert habe, teilte Chialo weiter mit. „Wenn sich zentrale politische und fachliche Ziele dauerhaft nicht mehr im gegebenen Rahmen umsetzen lassen, ist es aus meiner Sicht konsequent, einen Schritt zur Seite zu machen und das Amt in neue Hände zu legen.“

Wegen der massiven Kürzungen in seinem Etat war Chialo in der Berliner Kulturszene umstritten. Viele warfen ihm vor, sich bei den Verhandlungen über die Kürzungen nicht ausreichend für die Kultur eingesetzt zu haben. Zuletzt machte er Schlagzeilen, weil er wegen diverser Geschwindigkeitsübertretungen seinen Führerschein abgeben musste.

Umstrittener Kultursenator

Dass die Einsparungen tatsächlich der ausschlaggebende Grund für Chialos Rücktritt ist, bezweifeln selbst viele innerhalb der schwarz-roten Koalition in Berlin. Das Verhältnis zwischen dem Kultursenator und dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner gilt seit längerem als belastet. Insbesondere Chialos teils unabgesprochener Vorstoß für eine Antisemitismusklausel hatte ihm im Senat viel Kritik eingebracht.

„Berlin ist eine Kulturmetropole von Weltrang, und ich bin mir der Bedeutung von Kunst und Kultur sehr bewusst“, sagte Wegner am Freitag. „Ich führe seit einigen Wochen einen sehr intensiven, konstruktiven und vertrauensvollen Kulturdialog – gemeinsam mit Kultur-Staatssekretärin Sarah Wedl-Wilson.“ In diesem sei mit allen Beteiligten verabredet, „angesichts der finanziellen Herausforderungen in unserer Stadt im Sommer zu konstruktiven Lösungen zu kommen“.

Obwohl er in Berlin unter Druck stand, wurde Chialo zuletzt auf Bundesebene als möglicher Nachfolger von Claudia Roth (Grüne) im Amt des Staatsministers für Kultur und Medien gehandelt worden. Er selbst machte seine Ambitionen in den vergangenen Wochen durch zahlreiche Interviews in bundesweiten Medien deutlich. Doch Friedrich Merz entschied sich anders. Am Montag teilte die CDU mit, dass Medienunternehmer Wolfram Weimer den Posten übernehmen soll. Vier Tage später folgt Chialos Rücktritt als Kultursenator.

Als eine Favoritin für Chialos Nachfolgerin gilt Sarah Wedl-Wilson. Die britisch-österreichische Kulturmanagerin ist seit 2023 Staatssekretärin in der Kulturverwaltung. Zuvor war sie Rektorin an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin.

Die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus forderte, die Kulturpolitik wieder in die Senatskanzlei von Kai Wegner zurückzuholen. So war es bereits in den letzten beiden Amtszeiten von Klaus Wowereit (SPD). „Im Land Berlin bleibt nicht viel Zeit, um den bereits entstandenen Schaden für die Kulturmetropole abzumildern“, teilten die Grünen-Fraktionschefs Werner Graf und Bettina Jarasch mit. „Insofern wäre es nicht nur politisch konsequent, sondern auch ein wichtiges Signal für die Kulturhauptstadt, wenn die Zuständigkeit für die Kulturpolitik und vor allem die Verhandlungen für den nächsten Doppelhaushalt wieder ins Rote Rathaus verlagert wird.“

Linken-Fraktionschef Tobias Schulze kritisiert Chialo scharf.  „Er hinterlässt einen Scherbenhaufen – eine Kulturlandschaft ohne jedes Vertrauen in die Politik und untaugliche Vorhaben wie die Theaterstiftung“, sagte er. Die AfD-Fraktion sieht die Verantwortung für den Rücktritt bei Wegner und der Koalition. „Er war guten Willens“, sagte der kulturpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus Robert Eschricht. „Schade um den Versuch, externe Talente für die Politik zu gewinnen. Chialo ist menschlich angenehm, aber zu anständig für diesen Senat.“ (mit dpa)

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