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Ein Zeppelin schwebt über einer Zuschauermenge auf dem Tempelhofer Feld. Die Schwarzweiß-Aufnahme entstand am 29. August 1909.

© Berliner Leben

Fraktur! Berlin-Bilder aus der Kaiserzeit: Runter kommen sie alle

Zeppelin-Sonntag, Rekorde mit dem Doppeldecker und der erste Überlandflug in Deutschland: Im Herbst 1909 beginnt die Geschichte der Luftfahrt auf dem Tempelhofer Feld.

Es sind die Tage der Pioniere auf dem Tempelhofer Feld. Den Anfang macht Graf Ferdinand von Zeppelin, der am 28. August 1909 mit seinem Luftschiff LZ 6 in die Reichshauptstadt einschwebt. Am Tag zuvor war die riesige Zigarre in Friedrichshafen am Bodensee zur „Kaiserfahrt“ gestartet. Das mit Baumwollstoff überzogene Aluminiumgerippe hat eine Länge von 128 Metern und einen Durchmesser von 11,66 Metern. Der Hohlkörper enthält 17 Einzelballons, gefüllt mit 13 000 Kubikmetern Wasserstoff, angetrieben wird das Luftschiff von einem 35 PS starken Daimler-4-Zylinder-Motor. Die Zeitungen lassen kein technisches Detail aus, und ganz Berlin reckt die Köpfe, als das Gefährt über den Himmel zieht. Zum Zeppelin-Sonntag am Tag darauf haben sich unter kaiserlicher Aufsicht 300 000 Schaulustige auf dem Tempelhofer Feld versammelt und bereiten dem Himmelsboten des Fortschritts einen jubelnden Empfang.

Die Freude über die geglückte Langstreckenfahrt ist umso größer, da erst im Jahr zuvor die Erprobung des Vorgängermodells kläglich gescheitert war. Im August 1908 war die LZ 4 wegen eines Motorschadens bei Stuttgart notgelandet, ein Sturm riss das havarierte Luftschiff aus der Verankerung. Es strandete an einem Obstbaum und ging in Flammen auf. Zwei Techniker konnten sich nur durch einen Sprung retten. Es bleibt nicht das einzige Unglück: Bis 1913 werden zwölf von 19 Luftschiffen bei Unfällen zerstört. Etliche Besatzungsmitglieder kommen ums Leben. Doch die Armee treibt die Entwicklung unvermindert voran.

Am 4. September 1909 startet Orville Wright seine Flugversuche in Berlin

Durch Rückschläge lassen sich die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten nicht entmutigen. Wenige Tage nach der Zeppelin-Schau startet am 4. September 1909 der amerikanische Flugpionier Orville Wright mit seinem Doppeldecker-Motorflugzeug zu mehrtägigen Flugversuchen auf dem Tempelhofer Feld. Etwa 150 000 Zuschauer werden Zeugen, wie die Maschine gegen 16.45 Uhr auf leicht erhöhtem Terrain vor den Startpylon geschoben wird. In dem pyramidenförmigen Holzturm hängt ein 700 Kilogramm schweres Gewicht, das über einen Flaschenzug und eine Sperrklinke das Flugzeug katapultartig auf die nötige Startgeschwindigkeit beschleunigt. Unter „jubelnden Zurufen“ zieht der 38-jährige Aviatiker seine Kreise.

„Zwischen zehn und 20 Metern Höhe umkreiste Wright wohl ein Dutzendmal den abgegrenzten Teil des Feldes, um nach 19 Minuten sanft mit kaum spürbarem Aufstoßen zu landen“, notiert das „Berliner Tageblatt“. In den folgenden Tagen stellt Wright mehrere neue Rekorde auf – Kunststück für einen Pionier, dem bisher keiner was vorgemacht hat. Am 17. September überbietet er mit 172 Metern den Höhenflug-Weltrekord des Franzosen Hubert Latham. Tags darauf setzt er mit 35 Minuten und 47 Sekunden eine neue Dauerflug-Bestmarke.

Aber solche Erfolge sind in der Frühzeit der Luftfahrt schnell verflogen. Nur wenige Wochen nach Wrights Kapriolen überflügelt Hubert Latham den Amerikaner mit einer neuen Pioniertat. Mit seinem Eindecker Antoinette führt er für das Kaufhaus Wertheim Schauflüge auf dem Tempelhofer Feld vor. Am 27. September 1909 entschließt er sich spontan, zum neu eröffneten Flugplatz Johannisthal zu fliegen, wo die erste Internationale Flugwoche stattfindet. Die Reise in 100 Meter Höhe dauert 14 Minuten und 31 Sekunden und gilt als der erste Überlandflug in Deutschland. Von der Polizei soll Latham für das Bravourstück einen Strafbefehl über 150 Mark bekommen haben – wegen „groben Unfugs“.

Alle Folgen unserer Serie mit Berlin-Bildern aus der Kaiserzeit lesen Sie unter www.tagesspiegel.de/fraktur

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