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© imago/Westend61/Mareen Fischinger

Das Berliner Sprachlerntagebuch hat ausgedient: Kitas bekommen neues Tool, um Kindesförderung zu verbessern

50 Berliner Kindertagesstätten erproben ein Verfahren, um Diagnose und Frühförderung zu verbessern. Die Universität Potsdam hat es mitentwickelt.

Stand:

Berlins 2500 Kitas bekommen ein neues Werkzeug für Diagnose und Förderung ihrer Kinder an die Hand. An die Stelle des Sprachlerntagebuchs soll nach fast 20 Jahren ein neues Verfahren treten, das besser zu handhaben und wirksamer ist. Das kündigte Familiensenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) am Montag an und stellte gleich die druckfrischen Arbeitsmaterialien für die Erzieherinnen und Erzieher vor.

Beokiz“ heißt das neue Instrument, und die Abkürzung gibt bereits einen Hinweis darauf, dass es darin vor allem ums Beobachten der Kinder geht. Ziel ist, ihren Entwicklungsstand einschätzen zu können und daraus die richtige Förderung ableiten – egal, ob es sich um ein hochbegabtes Kind handelt oder um ein Kind mit Entwicklungsdefiziten.

In 50 Kitas wird das neue Verfahren erprobt, bevor es ab dem Kitajahr 2024/25 flächendeckend ausgerollt wird und – so die Hoffnung – den Kindern durch auf sie zugeschnittene Unterstützung letztlich auch den Schuleinstieg erleichtern soll.

Woher aber wissen die Erzieher:innen, wo sie ansetzen sollen, um jedes einzelne Kind „gezielt zu unterstützen“? Um das herauszufinden, gibt ihnen das Beokiz-Material zwei Fragebögen an die Hand – einen für die zweieinhalb- und einen für die viereinhalbjährigen Kinder. Diese Fragebögen listen die Kompetenzen auf, die ein Kind hat, wenn es sich altersangemessen entwickelt. Bei Beokiz heißen diese Kompetenzen „Meilensteine“.

Die „Meilensteine“ der Kinder sollen überprüft werden

So enthält der Bogen für die Zweieinhalbjährigen Meilensteine wie Rückwärtsgehen, Hüpfen oder Werfen: So wird die Grobmotorik überprüft. Um die Feinmotorik zu testen, soll beobachtet werden, wie geschickt Kinder sich beim Essen mit dem Löffel, beim Zeichnen von Linien oder beim Anziehen anstellen.

Dem Denkvermögen wird auf den Grund gegangen, indem festgestellt wird, ob das Kind Dinge sortieren und etwa einen Turm bauen kann. Weiter geht es dann mit dem Umfang des aktiven Wortschatzes – 50 Worte sollten es sein – oder mit der Nutzung von Mehrzahlwörtern. Auch die Farben sollten bereits beherrscht werden. Zudem wird das Sozialverhalten eingeschätzt.

Familiensenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) besuchte die Kita Drieselmäuse in Prenzlauer Berg, um das neue Diagnosetool vorzustellen.

© Susanne Vieth-Entus/TSP

Eine der 50 Kitas, die Beokiz bereits erproben, liegt in der Driesener Straße in Prenzlauer Berg. Bei den „Drieselmäusen“ kam Busse am Montag vorbei, um das neue Programm vorzustellen. So begeistert sind die dortigen Erzieherinnen über ihre ersten Erfahrungen, dass sie gern weitere Kitas in das neue Tool einarbeiten würden. Kita-Leiterin Marie-Luise Hörold geht davon aus, dass eine intensive Einarbeitung wichtig ist, damit Beokiz einen besseren Start hat als das Sprachlerntagebuch von 2006, das demnächst zu den Akten gelegt werden soll.

Busses Kita-Referentin Kerstin Thätner kündigte an, dass alle rund 30.000 Erzieher:innen in dem neuen Tool geschult werden sollen. Die Familiensenatorin selbst lobte, das Programm sei „genau, was die Kindertageseinrichtungen brauchen, um Kinder gut zu begleiten und zu stärken und ihnen damit den Weg in die nächste Bildungsinstitution zu ebnen“. Das Beokiz-Verfahren sei angelegt als „wesentlicher Bestandteil der Qualitätssicherung im Bereich der frühen Bildung“.

Alle 30.000 Erzieherinnen und Erzieher werden geschult

Busses Vorgängerin Sandra Scheeres (SPD) hatte das Verfahren 2020 ausschreiben lassen, weil die von ihr im Jahr 2019 beauftragte Qualitätskommission die Arbeit der Kitas verbesserungswürdig fand. Sie hatte nicht nur das Sprachlerntagebuch und die Art der Sprachstandsmessung durch das Instrument „Quasta“ kritisiert, sondern auch die Qualität der Vorschularbeit. Mehr als drei Jahre nach diesem „Kita-Schock“ wurde nun also am Montag erstmals darüber berichtet, wie es weitergehen soll.

Das grüne Sprachlerntagebuch ist seit 2006 Bestandteil der Berliner Kitaarbeit.

© Mike Wolff

Vom Trägerverband „Kita-Stimme“ gab es am Montag Kritik am Vorgehen der Jugendverwaltung. Es sei zwar „vernünftig“, dass man sich für die Entwicklung eines neuen Instruments zur Sprachstandserhebung ausreichend Zeit nehme, sagte der Geschäftsführer des großen Trägers Fröbel e.V., Stefan Spieker. Nicht vernünftig sei aber, die Kitas noch immer zu verpflichten, mit dem veralteten Sprachlerntagebuch und „Quasta“ zu arbeiten, obwohl beide Verfahren vor mehr als drei Jahren von der Expertenkommission kritisiert und als unzuverlässig eingestuft worden waren. Laut Spieker gebe es „genug etablierte Verfahren aus anderen Bundesländern, die engagierte Träger zwischenzeitlich nutzen könnten – wenn man sie nur ließe“.

Zu weiterem Ärger führt, dass Beokiz trotz der ihm zugemessenen großen Bedeutung noch nicht allen Kitaträgern bekannt gemacht worden sei. Viele Träger hörten den Namen „zum ersten Mal“, kritisierte Thomas Knietzsch vom Jugendwerk Aufbau Ost. „Uns wäre mehr Transparenz zu den weiteren Planungen wichtig“, pflichtete Kathrin Janert für den Evangelischen Kirchenkreisverband für Kitas in Berlin Mitte-Nord bei.

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