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Eine Lehrerin schreibt eine Mathematikaufgabe auf eine digitale Schultafel im Klassenraum einer 4. Klasse einer Grundschule.

© dpa/Julian Stratenschulte

Finanzen, Steuern, Versicherungen: Wie gut werden Berliner Schüler auf das Leben vorbereitet?

Nur selten steht finanzielle Bildung auf dem Schullehrplan. Der „Zukunftstag“ soll diese Lücke füllen. Was Berliner Schüler davon halten.

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Das Problem wird schnell klar, nachdem Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch in der Turnhalle des Immanuel Kant Gymnasiums in Rummelsburg vor die rund 160 Elftklässler tritt. Wo haben die Schülerinnen und Schüler Lücken im Wissen über Wirtschaft und den Umgang mit Geld, will die CDU-Politikerin wissen – denn der Tag steht ganz im Licht der finanziellen Bildung.

Nach einer schüchternen Pause erscheint in den vorderen Reihen eine gehobene Hand. „Wir können gar nicht benennen, welche Lücken wir haben, weil wir so super wenig über das Thema wissen“, sagt eine Schülerin. Einige ihrer Schulkameraden nicken zustimmend. In den meisten Berliner Gymnasien stehen Versicherungen, Steuern und Verträge nicht auf dem Lehrplan.

„Wirtschaft“ steht nur selten auf dem Lehrplan

Im Rest der Republik sieht das nicht anders aus. Und das, obwohl bereits vor zwölf Jahren die Kultusministerkonferenz Empfehlungen für Verbraucherunterricht an Schulen herausgegeben hat. Getan hat sich seither kaum etwas. Ein reines und verpflichtendes Schulfach „Wirtschaft“, das nicht in Kombination mit Politik oder Recht gelehrt wird, gibt es bisher nur in Baden-Württemberg. In den meisten Bundesländern ist es eher ein Glücksfall, wenn das Thema auf dem Lehrplan stattfindet.

Lorenzo Wienecke, der Geschäftsführer des Zukunftstags, gemeinsam mit Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU).

© Anna Wienicke

Deshalb entschlossen sich 2019 Lorenzo Wienecke und Juri Galkin, den „Zukunftstag“ zu gründen – einen Aktionstag in Schulen, an dem Referierende aus der Praxis berichten und in den Kategorien Finanzen, Steuern, Wohnung und Berufsstart ihr Wissen mit den Schülern teilen. 2025 sind Wienecke und sein 50-köpfiges Team an 800 Schulen vertreten, so auch am Kant Gymnasium in Rummelsburg.

Berufsorientierter Unterricht soll gestärkt werden

„Das Elternhaus darf nicht dafür entscheidend sein, wie gut man sich mit Aktien auskennt“, sagt Wienecke. Das sieht auch der Schulleiter des Kant Gymnasiums, Arndt Niedermöller, so. Trotzdem zweifelt er daran, ob Schule dieses Themenfeld effektiv abdecken kann. „Die Schule vermittelt Grundlagen und sorgt für Allgemeinbildung. Ich finde es nicht sinnvoll, alle Themen der Gesellschaft zu detailliert aufzuziehen“, sagt Niedermöller.

In Zukunft werde das Thema trotzdem in den Lehrstätten vermehrt stattfinden, sagt Bildungssenatorin Günther-Wünsch. Um den Rahmenlehrplan nicht noch weiter aufzublähen, soll berufsorientierter Unterricht an Gymnasien in Zukunft häufiger als Wahlpflichtfach angeboten werden. Und auch das insbesondere an Gesamtschulen unterrichtete Fach „Wirtschaft, Arbeit und Technik“ (WAT) wird im kommenden Schuljahr gestärkt, so die Senatorin.

Jonathan Wernecke geht in die 11. Klasse. Beim Zukunftstag interessiert er sich vor allen Dingen für Informationen zum Berufsstart.

© Nick Wilcke

Die Schüler des Kant Gymnasiums scheinen sich auf ihr Berufsleben noch nicht gut vorbereitet zu fühlen. „Wenn wir Wirtschaft in der Schule machen, dann immer nur Volkswirtschaft. Infos zum Berufsstart habe ich heute zum ersten Mal bekommen“, sagt Jonathan Wernecke. Er war begeistert vom Zukunftstag. Vor allem alltägliches Wissen von Steuern, wie er sagt, habe ihm gefehlt. „Ich würde mir wünschen, dass so ein Zukunftstag jetzt einfach jedes Jahr stattfindet“, sagt der 16-Jährige.

Die Elftklässlerin Anh Thu Dao hingegen wünscht sich regelmäßigen Unterricht zum Thema Finanzen. Sie müsse sich schon zu Hause regelmäßig mit diesen Themen auseinandersetzen, da sie ihren Eltern Formulare übersetzt. Dadurch hat die 16-Jährige inzwischen Interesse entwickelt. „Ich finde alles rund um Aktien spannend. Aber ich glaube, dass die Schüler bei einem Aktionstag nicht so motiviert sind. Beim Unterricht bleibt da vielleicht mehr hängen“, sagt sie.

Arthur Thiel informiert sich zum Thema Finanzen auch im Internet. Er weiß aber auch, dass man dort nicht jedem glauben sollte.

© Nick Wilcke

Arthur Thiel findet diesen Themenkomplex ebenfalls spannend. Im Workshop stellt der Schüler Fragen zu ETFs, Tagesgeldkonten und Sparplänen. Normalerweise bezieht er sein Wissen von YouTube und den sozialen Medien. „Ich habe super viele Fragen zu dem Thema und im Internet kann man ja auch nicht jedem glauben. Das Einzige, was wir in der Schule bisher zu Finanzen gemacht haben, war der Zinseszins in Mathe“, sagt er. Zwar gibt es am Kant Gymnasium den Kurs „Beruf und Studium“, allerdings ist er nicht verpflichtend.

Julian Abazi muss für seine Eltern viele Formulare übersetzen. Seitdem hat er ein Interesse für Finanzen und Steuern.

© Nick Wilcke

Julian Abazi hat den Kurs trotzdem belegt. Als der Schüler im Workshop „Steuern“ eine exemplarische Gehaltsabrechnung sieht, fällt ihm bei den Abgaben fast die Kinnlade herunter. Ein „So viel? Krass!“ entfährt es ihm. Auch er muss seinen albanischen Eltern regelmäßig Formulare übersetzen und hat dadurch ein Interesse entwickelt. „Ich schaue mir auch viel im Internet dazu an oder lese gerne mal Finanzbücher“, sagt der 17-Jährige. Wenn er sich für die finanzielle Bildung in der Schule etwas wünschen dürfte, dann wären das mehr Projekttage.

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