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Kürzungen beim Berliner Bonusprogramm: Verunsicherung und Wut bei Jugendhilfeträgern
261 Schulen im Brennpunkt erhielten pro Jahr bis zu 100.000 Euro, für Lernwerkstätten und Sozialarbeit. Erst jetzt gibt die Schulverwaltung die neuen Budgets bekannt – zum Zorn der Kooperationspartner.
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Nachdem die ersten Schulen endlich erfahren haben, wie viel Geld sie bis Ende des Jahres noch aus dem Bonusprogramm der Schulverwaltung erhalten, regt sich Zorn bei vielen freien Bildungsträgern in Berlin, deren Schulprojekte aus diesen Mitteln bezahlt werden. Der Grund: Die bisher laufenden Angebote – zum Beispiel Schulsozialarbeit, Lernwerkstätten oder Personal für Schulbibliotheken – müssen an vielen Standorten im Ergebnis wohl eingeschränkt oder im schlimmsten Fall ganz eingestellt werden.
„Damit betreffen diese Kürzungen massiv die Kinder und Jugendlichen, die Unterstützung am nötigsten brauchen“, sagt Elvira Kriebel vom Paritätischen Verband Berlin, unter dessen Dach rund 150 Jugendhilfeträger versammelt sind.
Aus dem Bonusprogramm des Landes werden bisher 261 Schulen in sozialen Brennpunkten mit zusätzlichen Mitteln von je bis zu 100.000 Euro gefördert. Im Zuge der Haushaltseinsparungen kürzt die Schulverwaltung in diesem Jahr rund vier der 18 Millionen Euro, die dafür jährlich zur Verfügung standen.
Für Träger wie Schulen außerdem irritierend: Weil zunächst noch nicht klar war, welche Schulen weniger Geld bekommen sollen, wurden pro Schule für das erste Quartal des Jahres zunächst 20.000 Euro freigegeben. Im Januar hatte die Schulverwaltung dazu mitgeteilt, dass bis Ende Februar die Auskunft erfolge, wie viel die teilnehmenden Schulen bis zum Ende des Jahres noch aus dem Bonusprogramm erhalten.
Doch der Termin wurde nicht eingehalten, erst vergangenen Donnerstag wurden die Schulen darüber informiert, dass sie grundsätzlich noch Mittel aus dem Bonusprogramm bekommen. Das teilte CDU-Staatssekretär Torsten Kühne am selben Tag im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses mit. Und während einige schon die konkrete Summe kennen, sollen andere erst zu Beginn dieser Woche von ihrer regionalen Schulaufsicht erfahren, wie viel Geld noch aussteht – nur wenige Tage, bevor am 31. März, also zum Ende des ersten Jahresquartals, die Verträge mit den freien Trägern enden.
Schulverwaltung bringt Träger in prekäre Lage
Die Träger und vor allem deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an den Schulen tätig waren, wurden durch die knappe Zeitplanung der Schulverwaltung in eine äußerst prekäre Lage versetzt – ohne den Hauch einer Ahnung, ob ihre Projekte Ende März ein abruptes Ende finden und sie selbst sich vielleicht arbeitslos melden müssen. „Da sind Fachkräfte in inakzeptable Arbeitssituationen gebracht worden“, schimpft Kriebel.
Sabine Tönnis vom Jugendhilfeträger FiPP, der etwa an einer der größten Grundschulen im Brennpunkt in Neukölln, der Schule in der Köllnischen Heide, eine Lernwerkstatt betreibt und eine zusätzliche Schulsozialarbeitsstelle besetzt, berichtet, sie habe vor kurzem ein Treffen einberufen und ihren Fachkräften sagen müssen, dass sie ab April womöglich kurzfristig woanders eingesetzt werden müssen.
Gerade in Kombination mit anderen Streichungen in der Jugend- und Sozialarbeit sind die Kürzungen im Bonusprogramm absoluter Wahnsinn.
Benjamin Adler vom Träger „tandem BTL“
Benjamin Adler vom Träger „tandem BTL“ ist in der Neuköllner Arbeitsgruppe der Jugendhilfeträger für die schulbezogene Sozialarbeit zuständig und weiß auch von Fällen, in denen langjährige Kooperationen bereits zurückgefahren oder abgebrochen wurden, „weil Träger das Risiko nicht eingehen konnten, bei unklarer Finanzierung weiter eine Fachkraft an einer Schule einzusetzen“.
Dass viele Schulen, die momentan im Bonusprogramm sind, in Zukunft auch Gelder aus dem neuen Startchancenprogramm des Bundes bekommen und so eventuell die Kürzungen ausgleichen können, ist indes auch nur ein geringer Trost: Wann diese Gelder fließen, ist noch unklar. Und Adler weiß schon von mindestens einer Neuköllner Grundschule, die nicht im Startchancenprogramm ist und deren Bonusmittel für dieses Schuljahr von 100.000 auf 65.000 Euro gekürzt wurden.
Hinzu kommt, dass zum kommenden Schuljahr 33 Schulen aus dem Bonusprogramm ausscheiden. Staatssekretär Kühne sagte im Ausschuss zwar, man habe bei der Berechnung der Budgets versucht, „Härten zu vermeiden“ – also dafür zu sorgen, dass keine Träger-Schul-Kooperationen mitten im Schuljahr abgebrochen werden müssen. Aber die Unsicherheit bleibt groß.
„Viele Schulen haben aus dem Bonusprogramm zusätzliche Schulsozialarbeit finanziert“, sagt Adler. „Die ein bis zwei regulären Stellen reichen an Schulen mit sehr belasteten Kindern und Jugendlichen oft einfach nicht aus.“ Er berichtet von einer Kollegin, die allein in diesem Quartal schon acht Kinderschutzmeldungen erstellt hat. Die 20 Wochenstunden an ihrer Schule wurden komplett aus dem Bonusprogramm bezahlt. Wie es weitergeht, soll auch sie erst diese Woche erfahren. „Wer soll das sonst machen?“, fragt Adler. „Lehrkräfte könnten das zwar theoretisch auch, haben aber meistens das Know-how im Kinderschutz nicht.“
Gerade in Kombination mit anderen Streichungen in der Jugend- und Sozialarbeit, bei Streetworkern und Jugendzentren seien die Kürzungen im Bonusprogramm „absoluter Wahnsinn“, sagt Adler. Auch Sabine Tönnis ist überzeugt: „Das wird uns in Zukunft doppelt zu teuer zu stehen kommen.“
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