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Lehrerstreik läuft sich tot: Berliner Lehrkräfte brauchen dennoch Hilfe – und Wertschätzung
Der Streik der angestellten Berliner Lehrer weist sinkende Beteiligung auf, sein Ziel scheint unerreichbar. Trotzdem sollte der Senat das Gespräch suchen.

Stand:
Wenn das so weitergeht, braucht man bald eine Lupe, um die Streikenden ausfindig zu machen: Nur noch vier Prozent der Berliner Lehrkräfte waren am Dienstag bereit, sich am Arbeitskampf für kleinere Klassen zu beteiligen. In absoluten Zahlen: 1350 von 36.300. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, läuft sich der seit bald vier Jahren dauernde Endlosstreik tot.
Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Hälfte der Lehrkräfte inzwischen wieder verbeamtet ist und nicht streiken darf.
Aber auch unter den Angestellten ist die Streiklaune gedämpft, und das hat sich Berlins Lehrergewerkschaft GEW selbst zuzuschreiben: Zu verbohrt hat sie darauf beharrt, die ersehnte Entlastung für die Beschäftigten mittels eines „Tarifvertrages Entlastung“ zu erreichen.: Auch der letzte Gewerkschafter dürfte inzwischen verstanden haben, dass die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) diesen Schritt nicht erlauben wird: Viel zu teuer kämen die Folgen für die anderen Bundesländer, denn sie müssten sich alle dann von ihren Landesgewerkschaften mit dem Berliner Präzedenzfall eines „Tarifvertrags Entlastung“ am Nasenring ziehen lassen.
Enormer Lehrermangel
Man kann natürlich diese Überlegung abtun und auf Gerichte hoffen, die die TdL-Zwänge anders interpretieren. Aber auch dann gebe es ja noch weitere Hürden. Eine davon ist der enorme Lehrkräftemangel.
All dies will die GEW mit dem Argument entkräften, dass es doch erstmal nur um einen „Einstieg“ in die Entlastung gehe. Aber auch dieser scheinbar harmlose Hinweis hat einen bösen Pferdefuß. Denn auch aus einem Einstieg müsste früher oder später Ernst werden, wenn er tariflich festgeschrieben würde. „Ernst“ aber hieße, dass Berlin grob geschätzt weit über 200 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich aufbringen müsste, wenn es die Klassen verkleinern wollte.
Giftige Gemengelage
Gleichzeitig gehört zum Gesamtbild, dass nur noch jede zehnte Lehrkraft ihren Beruf weiterempfehlen würde. Eine giftige Gemengelage hat da ihre Wirkung erzielt. Sie besteht aus objektiver Überforderung durch schwierige Klassen im Schulalltag, Jammermentalität des öffentlichen Dienstes, mies gemanagter Schulbürokratie, schlechter Kommunikation der Schulaufsicht und immer noch zu vielen schwachen Schulleitungen, die ihr Kollegium herunterziehen.
All dies passiert in einem Stadtstaat, der bundesweit mit Abstand am meisten Geld pro Schüler ausgibt.
Eine Gewerkschaft lebt von der Unzufriedenheit ihrer Mitglieder mit den Arbeitgebern. Darum wäre der Arbeitgeber, also der Senat, gut beraten, nicht den Gesprächsfaden abreißen zu lassen. Dazu gehört, dass man mit der Gewerkschaft redet und nicht eins um andere Mal Termine absagt. Der Senat muss klar machen, dass er die Sorgen und Nöte der Lehrkräfte ernst nimmt. Wertschätzung nennt sich das. Es müssen auch jenseits de TdL Wege gefunden werden, auf die Lehrkräfte zuzugehen. Egal, wie klein oder groß die Streikbeteiligung ist.
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