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Mehr Aufmerksamkeit für die Kleinsten: Kinder unter drei Jahren sollen durch den neuen Personalschlüssel besser betreut werden.

© Getty Images/Westend61

Was Berlins neues Kitagesetz bedeutet : Weniger Kleinkinder pro Erzieherin – aber auch weniger Geld für die Einrichtungen

Mit einem besseren Betreuungsschlüssel und einem Willkommensgutschein für Familien ohne Kita-Erfahrung will der Senat Bildungsgerechtigkeit stärken. Die Neuregelung verärgert aber Kitaträger.

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Weniger Kleinkinder pro Erzieherin und Willkommensgutscheine für Nicht-Kita-Kinder: Der Berliner Senat hat am Dienstag die Novelle des Kitaförderungsgesetzes beschlossen. Wenn sie das Abgeordnetenhaus passiert, wird im kommenden Jahr in zwei Schritten der Betreuungsschlüssel bei unter Dreijährigen in Berlins Kindertagesstätten gesenkt.

Während in der Altersgruppe zwischen null und zwei Jahren eine Erzieherin derzeit rund fünf Kinder betreut, soll diese Quote ab Januar im Durchschnitt um 0,5 gesenkt werden. Im August 2026 erfolgt dann eine weitere Senkung um 0,5, sodass eine Erzieherin in Zukunft in der Regel nur noch höchstens vier Kleinkinder betreuen muss. Berlin passt sich damit dem bundesweiten Durchschnitt an.

Jugendsenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) bezeichnete die Neuerung am Dienstag in einem Pressegespräch als „spürbare Entlastung“ für Erzieherinnen und Erzieher. Sie sagte: „Ich erhoffe mir davon auch ganz klar, dass die Verlässlichkeit der Betreuung für die Familien hier in Berlin spürbar besser wird und dass gleichzeitig auch die Qualität wieder steigt.“ Immer wieder sei es die Rückmeldung von Erzieherinnen und Erziehern gewesen, dass eine geringere Betreuungsquote es ihnen ermöglichen würde, mehr Zeit in die Förderung der Kinder zu investieren.

Ein zweiter wichtiger Effekt: Nach Günther-Wünschs Einschätzung bleiben dem Kita-System dadurch 2400 Vollzeit-Erzieher-Stellen erhalten. Die Kita-Finanzierung ist in Berlin strikt an die Zahl der Kinder gekoppelt, die eine Einrichtung besuchen. Weil die Geburtenrate in der Hauptstadt einbricht, wären diese Stellen in den kommenden Jahren andernfalls wohl gestrichen worden, sagte die Senatorin.

Für Berlin bedeute dies allerdings auch, auf Mittel zur Haushaltskonsolidierung zu verzichten. Ohne die Senkung des Betreuungsschlüssels hätten 2026 125 Millionen Euro und 2027 193 Millionen Euro eingespart werden können.

Wir wissen, dass viele Familien mit Nicht-Kita-Kindern sich scheuen, zu Ämtern zu gehen – wegen Sprachbarrieren oder problematischer Erfahrungen.

Katharina Günther-Wünsch (CDU), Senatorin für Bildung, Jugend und Familie

Günther-Wünsch sieht die Novelle auch als Fortschritt für die Bildungsgerechtigkeit: Ab dem kommenden Jahr soll jedes Berliner Kind bei Vollendung des dritten Lebensjahrs einen sogenannten „Willkommensgutschein“ geschickt bekommen, der zu sieben Stunden täglicher Kitabetreuung berechtigt.

Ziel dieser Maßnahme ist es, die jährlich rund 3000 Nicht-Kita-Kinder zu erreichen. Bis zu 80 Prozent von ihnen werden mit sprachlichen Defiziten eingeschult.

„Wir wissen, dass viele Familien mit Nicht-Kita-Kindern sich scheuen, zu Ämtern zu gehen – wegen Sprachbarrieren oder problematischer Erfahrungen“, begründete Günther-Wünsch diesen Schritt. Der Willkommensgutschein, laut Senatorin bundesweit einzigartig, soll diese Hemmschwelle umgehen.

Perspektivisch soll der Gutschein schon an Familien mit Kindern ab einem Jahr geschickt werden, erklärte Günther-Wünsch. Dies sei aber auch eine Frage der Platzkapazitäten.

Neu geregelter Zuschlag könnte weniger Geld bedeuten

Das novellierte Kitaförderungsgesetz soll darüber hinaus die Sprachförderung für alle Kitas verbindlich machen. Bisher ist sie das nur in den sogenannten „Sprach-Kitas“, deren Finanzierung zum Ende des Jahres ausläuft.

Außerdem wird ein Partizipationszuschlag neu eingeführt: Wird eine Einrichtung zu mindestens 20 Prozent von Kindern besucht, die aus armen Familien stammen und deshalb Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) beziehen, bekommt sie ab 2026 pro Kind zusätzlich 2,9 Prozent der Kosten für dessen Kitaplatz überwiesen. Dieses zusätzliche Geld solle für die sprachliche Förderung genutzt werden, erklärte Günther-Wünsch.

Bei den Kitaträgern wird diese Neuerung auf wenig Gegenliebe stoßen, denn sie bedeutet, dass in vielen Einrichtungen weniger Geld ankommt. Die Senatorin formulierte es so: Bisher seien Personalzuschläge großflächiger verteilt worden, weil sie an das Kriterium „nicht-deutsche Herkunftssprache“ (ndH) gebunden waren. Demnach bekamen Kitas Personalzuschläge, wenn mindestens 40 Prozent der Kinder eine nicht-deutsche Herkunftssprache hatten.

Das widerspricht unserem Verständnis von Partizipation

Lars Békési, Kitaträgerverband VKMK

In einer Metropole wie Berlin führe das laut Günther-Wünsch aber dazu, dass diese Mittel überproportional auch an Kitas gegangen seien, die von bilingual aufwachsenden Kindern aus bildungsnahen Familien besucht würden. Gerade Berlin habe aber die Aufgabe, die Schere zwischen den Bildungserfolgen von Kindern aus armen und wohlhabenden Familien zu schließen.

Auch Brennpunktzulagen sollen nun wegfallen. Personalzuschläge gibt es aber weiterhin für Kinder mit Behinderungen. Auch die Zuschläge für Jungen und Mädchen mit Sprachfördergutschein bleiben erhalten. Diesen gibt es für Nicht-Kita-Kinder, bei denen 18 Monate vor der Einschulung sprachliche Defizite nachgewiesen werden.

Heftiger Protest von Kitaverband

Der Berliner Kitaträger-Verband VKMK kritisierte die Novelle des Gesetzes am Dienstag deutlich und warnte, durch den Partizipationszuschlag drohten „massive Chancenungleichheit und Selektion“. Der Verband rechnet so: Zum Jahresende 2023 seien 60.400 Kinder in Berliner Kitas nicht-deutscher Herkunft gewesen, weitere 25.700 Kinder erhielten Unterstützung über die Brennpunktzulage. Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) hätten im Jahr 2023 hingegen nur 22.300 Kinder bezogen.

Auch die 20-Prozent-Grenze sei ungerecht: „Das widerspricht unserem Verständnis von Partizipation“, sagte Lars Békési, Geschäftsführer des VKMK. Mehrere Zehntausend Kinder mit Förderbedarfen würden so zukünftig im Stich gelassen.

Der Senat verweise zudem auf die Möglichkeit, dass Kitas Eltern in Zukunft beim Beantragen von Leistungen aus dem teilhabepaket unterstützen, damit der Anteil an Kindern in ihrer Einrichtung steige. „Pädagogische Fachkräfte dürfen nicht zu Sozialermittlern gemacht werden“, protestiert Békési.

„Eltern nach Leistungen zu befragen, verletzt Privatsphäre und Vertrauen. Bildung braucht Beziehung – keine Bedürftigkeitsprüfung im Elterngespräch.“ Angesichts der jüngsten Ergebnisse der Vergleichsarbeiten in der Grundschule (VERA), laut denen knapp die Hälfte der Berliner Drittklässler noch nicht richtig lesen kann und 68 Prozent nicht richtig schreiben, müssten mehr Kinder gezielt gefördert werden – nicht weniger.

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