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Schulessen-Chaos in Berlin: Zweiter Bezirk trennt sich von Caterer „40 Seconds“
Nach dem Pankow löst nun auch Treptow-Köpenick seinen Catering-Vertrag auf. Unterdessen werden Hintergründe des Auslieferungsverbots für „40 Seconds“ bekannt.
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Am Ende der zweiten Schulwoche nach den Sommerferien trennt sich ein weiterer Berliner Bezirk sich von dem kriselnden Schulcaterer „40 Seconds“.
„Für Montag hat 40 Seconds erneut die Lieferung zugesagt. Mit Wirkung zu Dienstag werden die Verträge zwischen Treptow-Köpenick und 40 Seconds einvernehmlich aufgelöst“, teilte eine Sprecherin des Bezirksamts dem Tagesspiegel am Freitag mit.
Die Sprecherin fügte hinzu: „Es gibt ab dann Interimslösungen mit zwei etablierten Caterern. In der Folge wird die Versorgung an den betroffenen Schulen neu ausgeschrieben.“ Wie berichtet, hatte auch Pankow sich mit dem Unternehmen auf einen Auflösungsvertrag geeinigt. Mehrere andere Bezirke haben Abmahnungen geschickt oder bereiten sie vor, zum Teil mit dem expliziten Ziel, ebenfalls eine Kündigung einzuleiten.
Diesem Riesenstress muss ein Ende gesetzt werden.
Martina Regulin, Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW in Berlin
In Treptow-Köpenick sind sieben Schulen verschiedener Schularten betroffen, wie die Sprecherin mitteilte. In Berlin haben Kinder grundsätzlich bis zur sechsten Klasse Anspruch auf ein beitragsfreies Schulmittagessen. Am Dienstag hatten die Bezirke geschlossen Ersatzcaterer für den Rest der Woche gesucht, weil wegen einer Auslieferungssperre für „40 Seconds“ durch das Ordnungsamt Reinickendorf erneut mindestens 80 Schulen kein Mittagessen bekommen hatten.
Für den Ostbezirk bedeutete das noch zusätzlichen Ärger: Nachdem das Schulamt in Treptow-Köpenick sich zunächst gefreut hatte, schon am Dienstag einen Ersatzcaterer für alle sieben Schulen gefunden zu haben, zog der sich bereits am Donnerstag teilweise wieder zurück – laut Sprecherin wegen „Problemen, die 40 Seconds vor Ort hinterlassen hatte“. Berichten zufolge waren in Treptow-Köpenick und auch in Neukölln Küchen in schlecht ausgestattetem und unhygienischem Zustand vorgefunden worden.
Die zuständige Stadträtin Julia Schrod-Thiel (CDU) gab unterdessen Einblick in das Auslieferungsverbot von Zehntausenden Mahlzeiten, das das Reinickendorfer Ordnungsamt am Dienstag nach dem Besuch einer Großküche von „40 Seconds“ verhängt hatte. Schrod-Thiel zufolge war das Ordnungsamt aktiv geworden, nachdem Eltern aus Charlottenburg-Wilmersdorf gemeldet hatten, ihr Kind habe „vermeintlich durch die Schulspeisung gesundheitliche Beschwerden“. Reinickendorf sei zuständig gewesen, weil die Eltern den Hinweis gegeben hatten, das Essen stamme aus einer dortigen Küche.
Eltern hatten sich beim Ordnungsamt gemeldet
„Bei der daraufhin durchgeführten Kontrolle dieser Küche wurden erhebliche Mängel festgestellt“, teilte Schrod-Thiel dem Tagesspiegel mit. „Um die Gesundheit der Kinder, die von dieser Küche beliefert werden, zu schützen, wurde umgehend ein Auslieferungsverbot verhängt und der weitere Betrieb der Küche untersagt.“ Zudem habe eine ordnungsgemäße Genehmigung für den Betrieb der Einrichtung gefehlt. Laut dem Anwalt des Caterers jedoch handelt es sich hier, wie berichtet, um ein Missverständnis: Die brandneue Großküche sei noch gar nicht eröffnet gewesen und habe deshalb auch nur der Anwärmung und dem Lagern von Speisen gedient, nicht der Zubereitung. Die Vernichtung von Zehntausenden Mahlzeiten am Dienstag sei „Wahnsinn“ gewesen, sagte der Mann.
Die Bildungsgewerkschaft GEW Berlin wies zum Ende der Woche auf die enorme Belastung hin, die das Catering-Chaos für die Schulen bedeute, und forderte eine verlässliche Lösung für das gesamte Schuljahr. „Der Schulbetrieb ist massiv gestört. Die Taktung des Stundenplans und die Essenszeiten können nicht eingehalten werden und am wichtigsten: Sehr vielen Berliner Schüler*innen fehlt die vielleicht einzige warme und gesunde Mahlzeit am Tag“, sagte die Vorsitzende Martina Regulin.
Die Schulen sollen die Möglichkeit bekommen, sich einen Caterer im Kiez auszusuchen.
Forderung der Bildungsgewerkschaft GEW
Das Chaos, das die Neuvergabe der Cateringverträge zu diesem Schuljahr ausgelöst habe, müsse nun von Schulleitungen und Schulpersonal aufgefangen werden. Teilweise kämen Informationen von den bezirklichen Schulämtern nur auf Nachfrage, „und gleichzeitig müssen sie auf die vielen berechtigten Beschwerden von Elternseite eingehen“, sagte Regulin. „Diesem Riesenstress muss ein Ende gesetzt werden.“
Auch den Ablauf der diesjährigen gemeinsamen Ausschreibung durch die Bezirke kritisierte die GEW, weil die Schulgemeinschaften nicht wie bisher mit Testessen beteiligt worden waren. „Hier konnten auch Kriterien wie die Verlässlichkeit und Zusammenarbeit mit dem Caterer einfließen“, hieß es – genau dieses Verfahren wurde allerdings abgeschafft, weil die Bezirke vor vier Jahren wegen seiner angeblich mangelnden Objektivität von den Schulcaterern mit Vergabebeschwerden überzogen worden waren.
Die GEW forderte ein „Landesprogramm für die Reaktivierung und für den Auf- und Ausbau der Schulküchen“ mit dem Ziel, dass an allen Schulen vor Ort gekocht wird. Für die Verpflegung solle kommunales Personal eingestellt werden. Bis dahin fordert die GEW einen größeren Fokus auf Nachhaltigkeit: „Dazu gehören: Transportwege, Vermeidung von Verpackungen, Energieintensivität und die Einbeziehung der Kieze. Die Schulen sollen die Möglichkeit bekommen, sich einen Caterer im Kiez auszusuchen“, hieß es.
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