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Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin verteilt das Mittagsgericht, einen Nudelauflauf mit Soße, an ein Schulkind in der Mensa einer Grundschule.

© dpa/Hauke-Christian Dittrich

Update

Schulessen-Chaos in Berlin: Senatorin weist Verantwortung von sich – Ersatzcaterer zieht sich aus Küchen zurück

Im Berliner Schulessen-Debakel verweist Bildungssenatorin Günther-Wünsch auf die Verantwortung der Bezirke. Mit Pankow trennt sich nun ein erster Bezirk vom Caterer „40 Seconds“.

Stand:

Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hat eine Verantwortung ihrer Senatsverwaltung für das Chaos um die Essenslieferungen an Schulen zurückgewiesen. „Die Bildungsverwaltung kann es nicht lösen“, sagte Günther-Wünsch am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. Die Senatorin verwies auf die Rechtslage: Laut Schulgesetz gehöre die Organisation des Schulmittagessens zu den äußeren Schulangelegenheiten und sei damit Aufgabe der Bezirke.

In den ersten Wochen des neuen Schuljahrs waren mehrfach Tausende Schulkinder wegen Fehlleistungen des Unternehmens „40 Seconds“ mittags hungrig geblieben.

„Wir haben allen zwölf Bezirken Rechtsbeistand beiseite gestellt“, sagte die CDU-Politikerin. Zudem verwies sie auf die Entscheidung ihrer Verwaltung, die Schulen bis Ende der Woche mit alternativen Caterern beliefern zu lassen.

Was ist Ihr Plan, damit die Kinder in diesem Schuljahr nicht ein zweites Mal mit hungrigem Magen in der Schule sitzen?

Silke Gebel (Grüne) attackiert die Bildungssenatorin im Parlament

Günther-Wünsch plädierte dafür, die Zuständigkeit im Zuge der geplanten Verwaltungsreform von den Bezirken auf das Land zu übertragen. „Ich bin sehr wohl bereit, Verantwortung zu übernehmen, gemeinsam mit den Bezirken“, sagte Günther-Wünsch. „Aber es braucht dazu Gesetzesänderungen, es braucht eine Verwaltungsreform.“ Demnach soll das Schulmittagessen künftig „zur gesamtstädtischen Steuerung“ gehören.

Grüne werfen Koalition „Ausschreibung ohne Realitätscheck“ vor

Die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Silke Gebel, wies die Darstellung Günther-Wünschs im Abgeordnetenhaus entschieden zurück. Im Bildungsausschuss vergangene Woche, erinnerte Gebel, habe die Schulverwaltung die Gesamtverantwortung übernommen, zudem habe der Regierende Bürgermeister am Wochenende warmes Mittagessen für alle Schulkinder versprochen.

„Ja, die Bezirke setzen die Ausschreibung und die Vergabe um. Ja, die Schulen beteiligen sich, so gut es geht. Aber der Rahmen wird durch das Land gesetzt. Und da liegt der Hase im Pfeffer!“, schimpfte Gebel. Schwarz-Rot sei verantwortlich für „eine Ausschreibung ohne Realitätscheck“, ohne Auftragsobergrenzen und mit einem zu engen Zeitplan – wie berichtet, macht auch „40 Seconds“ späte Auftragszuschläge und mangelnden Zugang zu den Schulküchen in den Sommerferien für seine Fehlleistungen verantwortlich.

Für erneute Ausschreibungen, wie sie jetzt etwa in Pankow notwendig werden, müsse Günther-Wünsch klären, ob ein anderer Weg gegangen werden müsse, sagte Gebel. Sie warnte auch vor der anstehenden Digitalisierung der Essensbestellungen, die der Lebensmittelverschwendung an Schulen vorbeugen sollen: „Was ist Ihr Plan, damit die Kinder in diesem Schuljahr nicht ein zweites Mal mit hungrigem Magen in der Schule sitzen?“

Gebel fordert unter anderem die Gründung eines landeseigenen Schulcatering-Unternehmens, das einspringen könne, wenn privatwirtschaftliche Firmen wie „40 Seconds“ ihren vertraglichen Aufgaben nicht nachkommen können.

Linke verteidigt kostenloses Schulessen

Franziska Brychcy, deren Linke-Fraktion das Thema Schulmittagessen per Antrag ins Plenum eingebracht hatte (die Koalition hatte lieber eine Aktuelle Stunde zu 100 Jahren IFA auf die Tagesordnung gesetzt), forderte Günther-Wünsch ebenfalls auf, Verantwortung zu übernehmen: „Machen Sie die Mittagessenversorgung zur Chefinnensache, Frau Günther-Wünsch!“

Brychcy verteidigte außerdem die Kostenfreiheit des Schulessens, die in den vergangenen Wochen von Koalitionspolitiker:innen immer wieder infrage gestellt wurde. „Für viele Eltern sind Kosten von aktuell 5,16 Euro pro Portion und Tag für das Schulmittagessen nicht finanzierbar, und dies betrifft weit mehr Familien als nur diejenigen im Transferleistungsbezug“, sagte Brychcy.

Es sei ein „absolutes Armutszeugnis“, bei angespannter Haushaltslage zuerst „in der Bildung, bei den Grundschulkindern, beim kostenfreien Mittagessen zu sparen“, sagte Brychcy. „Sie sagen zwar, es soll keinen sozialen Kahlschlag geben, aber in Wirklichkeit bereiten Sie ihn vor.“

Pankow trennt sich von Caterer

Unterdessen setzte der Bezirk Pankow seine Ankündigung um und einigte sich am Donnerstag mit dem Schulcaterer „40 Seconds“ auf einen Aufhebungsvertrag zum 20. September. Das teilte das Schulamt dem Tagesspiegel mit. Damit muss ab übernächster Woche für sechs Schulen im Bezirk ein neuer Mittagessen-Lieferant gefunden werden. Es handelt sich um drei Grundschulen und drei grundständige Gymnasien – in Berlin hat jedes Schulkind bis zur sechsten Klasse Anspruch auf ein kostenloses Mittagessen.

Bezirksstadtrat Jörn Pasternack (CDU) habe sich dafür eingesetzt, dass die Schulen sich in der kommenden Woche weiterhin selbst versorgen, „da dies mehrheitlich gewünscht war“, hieß es weiter. „Die Rechnungen stellen die Schulen dabei weiterhin an 40 Seconds.“ Ab Montag, 23. September, wolle man „Caterer interimsweise über einen mittelfristigen Zeitraum“ beauftragen.

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Bis endgültig neue Caterer gefunden sind, könnte es Monate dauern: „Rechtliche Fragen zu den exakten Modalitäten von Interimsvergaben und ordentlichen Vergabeverfahren, etwa die Notwendigkeit einer erneuten europaweiten Ausschreibung, werden aktuell geprüft“, teilte das Schulamt mit. Wie berichtet, erwägen auch weitere Bezirke die Kündigung.

Caterer zieht sich aus Schulküchen zurück

Nach großflächigen Lieferausfall am Dienstag hatte die Schulverwaltung angeordnet, dass für den Rest der Woche „in Ersatzvornahme“ andere Caterer für die 103 Schulen gefunden werden sollen, für die eigentlich „40 Seconds“ zuständig ist – auf Kosten des Unternehmens.

Wie die „Berliner Morgenpost“ am Donnerstag berichtete, hat einer der Ersatzcaterer sich jedoch aus mehreren Schulen in Neukölln und Treptow-Köpenick schon wieder zurückgezogen. In Schulküchen sollen Reinigungsmittel, Spülmittel und andere Ausstattung gefehlt haben, zudem hätten Abfalleimer gefehlt und es seien schimmlige Essensreste vorgefunden worden. Unter diesen Umständen habe der Caterer nicht die Verantwortung für die Versorgung von Schulkindern übernehmen wollen.

Das Neuköllner Bezirksamt bestätigte auf Anfrage, dass fünf Schulen vom Rückzug des Unternehmens „Z-Catering“ betroffen seien. Diese hätten sich am Donnerstag selbst versorgt. Treptow-Köpenick reagierte zunächst nicht auf eine Anfrage.

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