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Schwarz-Rot-Gold-Wirrwarr zur Fußball-EM: Bund erlaubt Polizei Deutschland-Flagge, Berlins Innensenatorin aber nicht
Für Berlins Polizei ist es ein Foulspiel: Innenministerin Nancy Faeser hebt das Flaggenverbot für die Bundespolizei zur Fußball-EM auf. Berlins Innensenatorin Iris Spranger macht da nicht mit.
Stand:
Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik erlaubt Einsatzkräften nicht, während der Fußball-Europameisterschaft Deutschland-Fahnen an ihren Streifenwagen anzubringen. Ein Schwarz-Rot-Gold-Jubel wurde den Beamten untersagt. So hielten es bislang auch die anderen Bundesländer mit EM-Stadien und auch die Bundespolizei.
Doch nun grätscht Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) dazwischen. Wenige Tage nach dem Desasterergebnis für Faesers SPD bei der Europawahl und pünktlich zum EM-Start am Freitag vollzieht sie eine 180-Grad-Wende. Die 54.000 Bundespolizisten dürfen nun doch Fähnchen in Schwarz-Rot-Gold an ihre Fahrzeuge anbringen. Zuerst berichtete die „Bild“-Zeitung.
Berlins CDU-Fraktionschef Dirk Stettner begrüßte „ausdrücklich, dass die Bundespolizei die deutschen Farben“ zeigen darf. „Ich würde mich sehr freuen, wenn die Berliner Polizisten das ebenso dürften. Er wäre „glücklich“, wenn Innensenatorin Iris Spranger (SPD) „ihre bisherige Position überprüft und das wie bei der Bundespolizei regelt“, sagte Stettner. „Die Berliner Polizei ist schließlich genauso patriotisch.“
Ich unterstütze weiterhin die Entscheidung der Polizei Berlin, wonach die Polizei Berlin der Neutralität verpflichtet ist.
Iris Spranger (SPD), Senatorin für Inneres und Sport von Berlin.
Doch Innensenatorin Iris Spranger (SPD) macht beim Hakenschlagen ihrer Genossin Faeser nicht mit. „Es bleibt dabei“, sagte Spranger dem Tagesspiegel am Freitag zum Flaggenverbot. „Ich unterstütze weiterhin die Entscheidung der Polizei Berlin, wonach die Polizei Berlin der Neutralität verpflichtet ist“, sagte die Innensenatorin.

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„Auch bei einem internationalen Sportereignis wie der UEFA Euro 2024 mit internationalen Gästen, die wir in der Sportmetropole herzlich willkommen heißen, muss die Polizei Berlin unparteiisch und unvoreingenommen agieren und wahrgenommen werden.“
Die Folge der Faeser-Flanke: Foulspiel vom Bund aus Sicht der Berliner Polizei und Vorschriften-Wirrwarr mit den Ländern. Während Bundespolizisten sich sichtlich mit Schwarz-Rot-Gold zu Deutschland bekennen dürfen, stehen ihre 27.000 Berliner Kollegen daneben – ohne Winkelement.
Auch das Bundespolizeipräsidium pochte auf Neutralitätsgebot
Nach Tagesspiegel-Informationen hat die Berliner Polizei bereits am Donnerstag eine Abfrage im EM-Einsatzverband der anderen Landespolizei gestartet. Das Ergebnis: Auch die anderen Bundesländer bleiben beim Flaggenverbot, nur Sachsen hat dazu keine eigene Vorgabe. Klar ist auch: Werden Bundespolizisten für Einsätze in Berlin sein, die von der Berliner Polizei geführt werden, gelten die Berliner Regeln – und damit das Flaggenverbot.
Rückblick: Wie die Bundesländer hielten es bislang auch Faeser und der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann. Das Bundespolizeipräsidium in Potsdam erklärte noch Ende März: „Das Neutralitätsgebot und verkehrsrechtliche Regelungen stehen einer Beflaggung von Dienstfahrzeugen grundsätzlich entgegen.“ Flaggen an Dienstfahrzeugen seien nur bei Kolonnenfahrten erlaubt.
Eine besondere Beflaggung oder Nutzung von Hoheitssymbolen aus Anlass von Sportveranstaltungen ist nicht vorgesehen.
Antwort des Bundespolizeipräsidiums auf eine Tagesspiegel-Anfrage Ende März.
In der einschlägigen Dienstvorschrift zum Tragen von hoheitlichen Emblemen an Dienstbekleidung und Ausrüstungsgegenständen sei eine „besondere Beflaggung oder Nutzung von Hoheitssymbolen aus Anlass von Sportveranstaltungen nicht vorgesehen“.
Doch nun hat die Bundespolizei auf Bitten des Bundesinnenministeriums das Flaggenverbot für Fahrzeuge aufgehoben – aber nur während der EM und ausschließlich für Deutschlandfahnen. Und auch nur dann, wenn einsatztaktische Gründe und die Straßenverkehrsordnung nicht dagegen sprechen.
Unsere Beamtinnen und Beamten stehen hinter unserem deutschen Team!
Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin
„Unsere Bundespolizei steht für unser modernes Deutschland“, sagte Faeser der „Bild“. „Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten werden alles für die Sicherheit der Europameisterschaft in Deutschland tun – im Einsatz für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land und für Millionen Gäste und Fans. Und unsere Beamtinnen und Beamten stehen hinter unserem deutschen Team!“

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Deshalb sei es erlaubt worden, an Dienstfahrzeugen der Bundespolizei während der EM Deutschlandflaggen anzubringen. „Das Verbot aus Gründen der Neutralität ist ausgesetzt.“ Die Bundespolizei werde ihre Aufgaben aber weiter „genauso unbefangen, neutral und hochprofessionell wahrnehmen, wie wir es kennen“.
Tatsächlich besteht das Verbot seit Jahren. Schon bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland hatte der damalige Polizeipräsident Dieter Glietsch den Beamten untersagt, Deutschlandfahnen an den Fahrzeugen zu befestigen. Begründet wurde das Verbot jedes Mal mit dem Neutralitätsgebot. „Polizeibeamte im Dienst sind auch während der WM nicht in ihrer Eigenschaft als deutsche Fußballfans unterwegs“, sagte Glietsch damals.
Berliner Polizei findet Flaggen konfliktträchtig
Einsatzkräfte dürften bei Ausschreitungen zwischen rivalisierenden Anhängern keinesfalls für Fans gehalten werden, hieß es. Polizeiautos mit Deutschlandfahne könnten konfliktträchtig sein. Ein Beispiel: Wenn ein englischer Fanmarsch mit Einsatzwagen und Deutschlandfahne begleitet werde, könnten die Fans den Eindruck haben, dass die Polizei sich ihnen gegenüber nicht neutral verhalte.
SPD-Innenexperte Martin Matz sagte am Freitag: „Ich finde, dass es jetzt wesentlichere Sicherheitsthemen für die EM gibt als die künstliche Aufregung über Plastikständer an Fahrzeugen.“ Die Gewerkschaften und Berufsverbände äußerten Kritik. „Wir haben von Anfang an deutlich gesagt, dass es ein absurdes Verbot und eine typisch deutsche Diskussion ist. Kein anderes Land würde sich über solche Sachen einen Kopf machen“, sagte der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Weh. Dennoch haben sich alle Polizeien gemeinsam auf eine Regelungslage verständigt. Wir brauchen diese Diskussion jetzt nicht mehr aufmachen.“
Für die GdP stehe die Arbeitsbelastung der Beamten im Vordergrund. „Die EM wird uns vieles abverlangen und es wäre schön, wenn man sich auf die komplexen gemeinsamen Sicherheitsaufgaben konzentrieren könnte, anstatt hier bereits geklärte Randthemen wieder aufzumachen“, sagte Weh.
Bodo Pfalzgraf, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sagte, allen Fans anderer Nationen dürfte klar sein, dass in Berlin die deutsche Polizei handelt. „Unseren Einsatzkräften de facto bei Verwendung der Nationalflagge Parteilichkeit zu unterstellen, ist weit hergeholt“, kritisierte Pfalzgraf. Die Berliner Polizei habe ein entspanntes Verhältnis zu den Nationalfarben, „denn sie befinden sich als Hoheitssymbol in Form einer Kokarde an jeder Dienstmütze“.
Der Berufsverband „Unabhängige“ kritisierte das Fahnenverbot. „Es kann durchaus per Einzelanweisung richtig sein, die Fahne für Einheiten zu untersagen, die im Stadion bei Spielen der deutschen Nationalelf auch zum Einschreiten im Einsatz sind. Aber ein generelles Verbot ufert aus“, sagte Verbandssprecher Jörn Badendick. „Die im Grundgesetz geregelte Bundesflagge steht für Einheit, Freiheit und Demokratie.“
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