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Der Radweg in der Kantstraße in dem Berliner Stadtteil Charlottenburg führt zwischen parkenden Autos und dem Fußgängerweg entlang.

© dpa/Lutz Deckwerth

Update

Senat ordnet Rückbau in der Kantstraße an: Berlins umstrittenster Pop-up-Radweg muss weg

Um Platz für die Feuerwehr zu schaffen, soll der Pop-up-Radweg in der Kantstraße verschwinden und Autofahrer wieder rechts parken dürfen. Der ADFC ruft zur Demo auf.

Stand:

Der Berliner Senat setzt sich durch. Weil die Feuerwehr mit Drehleitern nicht Menschen aus den oberen Stockwerken der Häuser retten kann, muss die Kantstraße umgebaut werden. Dafür muss der zu Corona-Zeiten vom Bezirk gebaute Pop-up-Radweg weg, rechts sollen wieder Autos parken dürfen. Mit der Entscheidung eskaliert der seit Jahren andauernde Streit um den Radweg.

Der Bezirk soll innerhalb von 14 Tagen Stellung nehmen, ordnete die Verwaltung von Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) an. Gleichzeitig hieß es: „Zudem wird um eine zügige und kooperative Umsetzung gebeten, um das schon zu lange andauernde Provisorium wieder in geordnete Zustände zu überführen.“

Stadtrat greift Verkehrssenatorin an

Bezirksstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) reagierte so: „Ich habe das Schreiben von Frau Bonde mit großer Irritation zur Kenntnis genommen.“ Das Schreiben enthalte keinerlei Pläne, Skizzen, Daten oder Zahlen, und auch keine Begründung, die Abwägungskriterien deutlich mache, kritisierte der Stadtrat. „All dies wäre aber in einem ordnungsgemäßen Anhörungsverfahren als Grundlage zur Beurteilung zu übersenden.“

Schruoffeneger griff Bonde scharf an: „Ich bedauere, dass die Verkehrssenatorin augenscheinlich nicht über die Kraft verfügt, sich der vom Bezirk vorgeschlagenen Lösung anzuschließen, sondern stattdessen ein verkehrspolitisches Exempel statuieren möchte.“ Der Bezirk hatte vorgeschlagen, den Mittelstreifen etwas schmaler zu machen, damit die Feuerwehr mehr Aufstellfläche bekommt. Dies lehnt der Senat als zu teuer ab.

Auch inhaltlich habe er Bedenken, sagte Schruoffeneger. Die Gefahrenlage für Radfahrer werde wesentlich erhöht. Der Rückbau des Radwegs führe „unweigerlich zu einem deutlich höheren Risiko von Kollisionen“. Sein Fazit: „Wir werden das Schreiben in den nächsten Tagen sorgfältig prüfen.“

Platz für die Feuerwehr fehlte

Nach dem Willen der Verkehrsverwaltung sollen dort, wo jetzt der Radweg ist, künftig wieder Autos parken dürfen. Radfahrer und BVG-Busse sollen sich die rechte Fahrbahn teilen, Autos müssen auf der linken fahren. „Vor und hinter den signalisierten Knotenpunkten sind zur Wahrung der Sicherheit durch Verzicht auf Flächen für den ruhenden Verkehr ausreichend lange Stau- bzw. Abflussräume vorzusehen“, so die Verwaltung.

Bezirk drohte Nachbarn mit Nutzungsverbot ihrer Wohnungen

Beim Bau der Pop-up-Radwege im Sommer 2020 war der Auto-Parkstreifen im östlichen Teil der Kantstraße neben die Fahrbahn verlagert worden. Über geparkte Autos hinweg reicht nach Angaben der Feuerwehr die Länge der Drehleiter nicht aus. Und der Radweg alleine ist zu schmal für große Löschfahrzeuge. In den oberen Etagen benachbarter Häuser fehlt damit ein zweiter Rettungsweg.

Im Oktober 2024 hatte ein Schreiben des bezirklichen Baustadtrats Christoph Brzezinski (CDU) an den Senat große Aufregung ausgelöst: Wegen des baurechtlich unhaltbaren Zustands müssten notfalls Nutzungsuntersagungen für Wohnungen ausgesprochen werden, hieß es darin.

Diese Drohung mit einem Nutzungsverbot halten Juristen für rechtswidrig. So schrieb der ehemalige Senatsrat Michael Eule dem Tagesspiegel: „Mieter zu zwingen, aus ihren Wohnungen auszuziehen, damit die Parkplätze vor dem Haus erhalten bleiben, wäre unverhältnismäßig, wenn ein milderes Mittel wie ein Halteverbot möglich wäre.“ Der Jurist kommentierte das so: „Das Recht auf Wohnen steht in der Verfassung von Berlin, das Recht auf Parkplatz steht im Wahlprogramm der CDU.“

Nun beendete Senatorin Bonde diese Diskussionen: „Diese Entscheidung ist aufgrund einer intensiven Auseinandersetzung aller berechtigten Interessen und zu wahrenden Gütern erfolgt.“ Durch die derzeitige Aufteilung des Straßenraums werde „dem Radverkehr eine höhere Sicherheit für Leib und Leben zuteil, als bei einem potenziellen Brand den Bewohnern der oberen Etagen der Wohnhäuser“.

Und noch ein Argument führt die Verkehrsverwaltung an. Durch den Abriss der Ringbahnbrücke werde es in den nächsten Jahren deutlich mehr Autoverkehr auf Stadtstraßen geben, auch in der Kantstraße.

Der Fahrradclub ADFC reagierte entsetzt. „Wir brauchen Sicherheit für alle und nicht noch mehr Rückschritte“, sagte Sprecherin Lisa Feitsch. Statt des Radweges sollte auf die Parkspur verzichtet werden. Für den 16. Juni ruft der Club ab 17.30 Uhr zu einer Demonstration am Savignyplatz auf. Dort war im Februar 2020 ein Radfahrer von einem Raser getötet worden. Der Unfall war ein Grund, den Pop-up-Radweg zu markieren.

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