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Traditionelle Industriefertigung - hier im Dynamowerk von Siemens in Berlin-Spandau: Ein Mitarbeiter beim Einschieben von Nutverschluessen im Stator des späteren Dynamos.

© imago/photothek

Studie zu Digitalisierung: Sind die Jobs in Berlins Fabriken noch zu retten?

Auch 2019 dürften in Berlin wieder 10.000 Jobs in in der Digitalwirtschaft entstehen, sagt eine Studie. Aber rettet das Job in der klassischen Industrie?

Ob im Dynamowerk von Siemens in Spandau, in der Zigarettenfabrik von Philip Morris in Neukölln: Die Eigentümer vieler etablierter Berliner Industriebetriebe mit klassischer Produktion hatten in den vergangenen Monaten Stellenstreichungen angekündigt.

Das hatte jeweils weniger mit den aktuellen Streitigkeiten der Exportmärkten USA, China oder dem drohenden Brexit zu tun, eher mit dem technologischen Fortschritt und der zunehmenden globalen Arbeitsteilung: Einige Tätigkeiten, für die man bisher Köpfe und Hände gelernter Mitarbeiter brauchte, können mittlerweile durch Maschinen erledigt werden – oder von zunehmend gut qualifizierten Mitarbeitern an ausländischen Standorten, die dafür deutlich weniger Geld verlangen.

Die vielleicht wichtigste Frage für alle Berliner, die von diesem Strukturwandel betroffenen sind, lautet: Entstehen dafür wenigstens an anderer Stelle genügend und vergleichbar gute Jobs – zum Beispiel in Unternehmen, die sich mit den Themen der Digitalisierung befassen?

Experten der landeseigenen Investitionsbank Berlin (IBB) und des Arbeitgeberverbandes UVB (Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg) gaben sich am Freitag optimistisch. Allein 2018 seien insgesamt 591 neue Digitalunternehmen gegründet worden, also im Schnitt alle 15 Stunden ein neues, berichtete IBB-Chef Jürgen Allerkamp bei der Präsentation einer gemeinsamen Studie zum Thema (19 Seiten PDF hier).

Insgesamt seien allein 2018 rund 10.000 Stellen bei diesen Unternehmen entstanden. Im noch laufenden Jahr 2019 dürften es ungefähr wieder so viele sein, sagte der Banker voraus. „Gut elf Prozent der Gründungen in der Digitalwirtschaft erfolgen in der Hauptstadt“. In Berlin sei die Digitalwirtschaft in den vergangenen zehn Jahren (2008 bis 2018) mit 9,3 Prozent fast vier mal so stark gewachsen wie die übrigens Wirtschaft.

Mensch und Maschine: Ein Roboter und eine Mitarbeiterin arbeiten im Lager des Berliner Versandhändlers Zalando nebeneinander. Die Apparate sind aber nicht so leistungsfähig wie Mitarbeiter, heißt es.
Mensch und Maschine: Ein Roboter und eine Mitarbeiterin arbeiten im Lager des Berliner Versandhändlers Zalando nebeneinander. Die Apparate sind aber nicht so leistungsfähig wie Mitarbeiter, heißt es.

© Oliver Jung/promo

Zur Digitalwirtschaft zählen die Statistiker alle Unternehmen, die internetbasierte Geschäftsmodelle betreiben, sich mit Software oder Informationstechnologien befassen. Dazu zählten nicht nur Unternehmen, die fast ausschließlich Hochqualifizierte beschäftigen, „die am Computer tüfteln, sondern auch Handelsfirmen wie Amazon“, stellte Allerkamp klar. Er griff damit indirekt eine weitverbreitete Sorge auf: Dass Tausende Jobs für relativ Geringqualifizierte wegfallen, während nur Stellen für Softwareprogrammierer entstehen, die die Firmen für viel Geld im Ausland rekrutieren. Die Digitalfirmen zahlen im Schnitt knapp 4750 Euro im Monat, das sind 40 Prozent mehr als im Berliner Durchschnitt (3400 Euro).

Im besten Falle helfen die jungen Firmen der Digitalwirtschaft Berlins etablieren Industrieunternehmen, den Strukturwandel zu meistern. „Start-ups und Industrie kooperieren immer intensiver“, zitiert Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der UVB, ein weiteres Ergebnis der Studie. „Gegenüber anderen Städten bedeutet das für die Berliner Unternehmen einen echten Wettbewerbsvorsprung“, lautet sein Urteil.

Bei der Gestalt Robotics GmbH in der Schlesischen Straße in Berlin-Kreuzberg präsentiert Mitgründer Thomas Staufenbiel einen Roboter, den sein Team in Zusammenarbeit mit InSystems Automation GmbH aus Adlershof entwickelt hat. Die Maschine arbeitet mit Künstlicher Intelligenz und soll in Industrieunternehmen helfen.
Bei der Gestalt Robotics GmbH in der Schlesischen Straße in Berlin-Kreuzberg präsentiert Mitgründer Thomas Staufenbiel einen Roboter, den sein Team in Zusammenarbeit mit InSystems Automation GmbH aus Adlershof entwickelt hat. Die Maschine arbeitet mit Künstlicher Intelligenz und soll in Industrieunternehmen helfen.

© Kevin P. Hoffmann

Als ein Beispiel für diese Entwicklung präsentierten Allerkamp und Amsinck die Firma, in deren Räumen sie ihre Studie vorstellten: die Gestalt Robotics GmbH mit Sitz in einer Etage eines der ehemaligen Speicher an der Kreuzberger Schlesischen Straße. Das erst drei Jahre alte Unternehmen mit 16 Mitarbeitern versteht sich als „Entwicklungsdienstleister für Automatisierung“. Seit Gründung hat Gestalt Robotics den Umsatz jedes Jahr verdreifacht. „Wir können gar nicht so schnell wachsen, wie wir neue Kunden bekommen könnten“, erklärte Mitgründer Thomas Staufenbiel.

Ergebnisse einer Umfrage der Berliner Sparkasse aus dem Dezember 2018: Demnach erwartet mehr als ein Drittel der Berliner aus dem Bezirk Mitte einen Jobverlust durch Automatisierung. Im Bezirk Lichtenberg sind es nur 17 Prozent.
Ergebnisse einer Umfrage der Berliner Sparkasse aus dem Dezember 2018: Demnach erwartet mehr als ein Drittel der Berliner aus dem Bezirk Mitte einen Jobverlust durch Automatisierung. Im Bezirk Lichtenberg sind es nur 17 Prozent.

© TSP/Bartel

Auch einer großen Fabrik hilft sein Team nun in die digitale Zukunft: Für das Gillette-Rasierklingenwerk in Mariendorf habe Gestalt Robotics eine Roboterzelle entwickelt, die Klingen selbstständig aus einem Automaten nehmen kann. Bisher haben das Menschen erledigt. „Die kann man bei Gillette viel bessere für komplexere Tätigkeiten einsetzen“, habe man ihm der Werksleiter erklärt, berichtet Staufenbiel. Kevin P. Hoffmann

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