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Sinneswandel im Humboldt-Forum: Chöre singen beim Lindenberg-Hit doch „Oberindianer“
Wegen Diskriminierung sollte das Lied „Sonderzug nach Pankow“ von Udo Lindenberg geändert werden, hatte die Stiftung Humboldt-Forum beschlossen. Am Wochenende hörte sich das ganz anders an.
Stand:
Der Umgang mit Sprache führt heutzutage regelmäßig zu Konflikten. Insbesondere dann, wenn Textpassagen in alten Büchern oder Liedern geändert werden sollen, weil sie mittlerweile von Teilen der Bevölkerung als anstößig empfunden werden. Das jüngste Beispiel: der Streit um das Wort „Oberindianer“ im Kulthit „Sonderzug nach Pankow“ von Udo Lindenberg.
Wegen Diskriminierung sollte das Wort beim Chorfestival „Vielstimmig II“ am Wochenende im Berliner Humboldt-Forum aus dem Lied gestrichen werden. Doch als das Stück zur Aufführung kam, löste sich der Konflikt in Luft auf: Mit Verve sangen die Chöre die Zeile „Ich muss da was klär’n mit eurem Oberindianer. Ich bin ein Jodeltalent und will da spiel’n mit ’ner Band.“ So berichteten es mehrere Medien. War da was?
Zweieinhalb Wochen vorher hatte die Stiftung Humboldt-Forum noch erklärt: „Nach einer offenen Diskussion mit den Chören und der künstlerischen Leitung haben wir entschieden, das Lied ‚Sonderzug nach Pankow‘ zu singen und hierbei das Wort, das aus heutiger Sicht diskriminierend wahrgenommen werden kann, auszulassen.“ Stattdessen sei geplant gewesen, an der entsprechenden Textstelle lediglich „Ober-I“ singen, wobei das „i“ gehalten werden sollte.
Und wir waren einfach nicht einverstanden, dass wir das nicht singen dürfen.
Eberhard Licht, Chorsänger, in der „Abendschau“ des RBB
„Das Wort wird von vielen indigenen Menschen, aber auch von vielen unserer nationalen und internationalen Besucher*innen als diskriminierend und rassistisch wahrgenommen“, begründete das Humboldt-Forum seinerzeit die Entscheidung. „Diese Sichtweise nehmen wir ernst und respektieren wir.“ Auch wenn Lindenberg das Wort „Oberindianer“ seinerzeit satirisch verwendet habe, klinge darin „die Gewaltgeschichte der Kolonisierung indigener Bevölkerungsgruppen“ nach.
Die Diskussion war aufgekommen, nachdem aus einem der acht beteiligten Chöre das Wort „Oberindianer“ problematisiert worden war, wie „Die Zeit“ berichtete. Daraufhin sei im großen Kreis über die Liedzeile und eine mögliche Änderung gesprochen worden. Das Meinungsspektrum bei den Chören: teils zustimmend, teils ablehnend, vielfach gleichgültig. Am Ende habe die Stiftung beschlossen, das Wort entsprechend abzukürzen.
Zweieinhalb Wochen öffentliche Diskussion und teils auch Aufregung später hörte sich der Generalintendant des Humboldt-Forums, Hartmut Dorgerloh am Samstag ganz anders an. Von einer Entscheidung der Stiftung war plötzlich nicht mehr die Rede. „Wir zensieren weder Udo Lindenberg, noch schreiben wir Chören vor, was sie zu singen haben“, zitierte ihn die „Berliner Morgenpost“.
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In der „Abendschau“ des RBB äußerte sich ein Chormitglied zu der ganzen Diskussion um den „Oberindianer“. Für „die alten Ossis“ sei das Lied „so eine Art Kultsong“ gewesen, sagte Sänger Eberhard Licht. „Und wir waren einfach nicht einverstanden, dass wir das nicht singen dürfen.“
Das haben sie dann doch getan – im Humboldt-Forum im rekonstruierten Stadtschloss an der Stelle des früheren Palasts der Republik, wo im Oktober 1983 schon Udo Lindenberg beim „Rock für den Frieden“ auf der Bühne gestanden hatte.
Nur den „Sonderzug nach Pankow“, mit dem er den „Oberindianer“ Erich Honecker um einen Auftritt in Ost-Berlin gebeten hatte, den wollte die DDR-Führung damals nicht hören. Lindenberg nahm darauf Rücksicht.
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