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Pflanzen wachsen an den erstaunlichsten Stellen.

© Getty Images/Daniel Grizelj/Stone RF

So einfach wie der Kauf eines Kinotickets: Berliner sollen künftig digital Bäume pflanzen können

Das Gesetz zur Klimaanpassung erlaubt Bürgern, Baumscheiben zu bepflanzen – und Pflegepatenschaften für Bäume zu übernehmen. So könnten Verwaltung und Bürger endlich gut zusammenarbeiten.

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Der Initiator hatte drei Minuten für die Präsentation seines Projekts, das Berlin verändern wird. „Digital pflanzen“ heißt das Thema, das Heinrich Strößenreuther auf der Konferenz „Neustart Berlin“ auf dem Schöneberger Euref-Campus vorstellte. Strößenreuther ist geübt darin, in eigener Sache zu werben: Vor zehn Jahren initiierte er das Fahrrad-Volksbegehren, aus dem das Berliner Mobilitätsgesetz hervorging.

Auf der von Tagesspiegel, Berliner Morgenpost, Radioeins und Euref veranstalteten Konferenz erklärte Strößenreuther, worum es jetzt gehe. Die 400.000 Straßenbäume, die es nach jahrelangem Schwund noch gibt, sollen Gesellschaft von Pflanzen und Blumen über ihren Wurzeln bekommen, „weil der Boden feuchter bleibt, weil da mehr Krabbeltiere sind und die Bodenqualität sich verbessert“. Außerdem sollen die vorhandenen Bäume um hunderttausende neue Exemplare ergänzt werden, die die Luft verbessern, Regenwasser versickern lassen und im Sommer Schatten spenden.

Die Stadtbaum-Kampagne des Senats zeigt, dass Bürger gern für Bäume spenden

Das Projekt „Digital pflanzen“ soll Anwohnern ermöglichen, unkompliziert eine Pflegepatenschaft für die Bäume in ihrem Kiez zu übernehmen – online beantragt und so einfach abzuwickeln wie der Kauf eines Kinotickets. Strößenreuther schwebt es als Musterbeispiel vor, wie Verwaltung und Bürger „endlich mal gut zusammenarbeiten“.

Seit Februar hätten er und seine Mitstreiter die geltenden, von Bezirk zu Bezirk verschiedenen Regeln analysiert, den Prototyp einer solchen Vereinbarung geschaffen und zumindest mit dem Bezirk Mitte darüber gesprochen. Jetzt allerdings sei das Projekt aus finanziellen Gründen „erst mal auf Standby gesetzt“.

Ohne Digitalisierung wird die Begrünung aufwändiger und teurer

Dabei wird das Thema gerade erst richtig aktuell. Denn vor wenigen Tagen trat das „Baum-Gesetz“ zur Klimaanpassung in Kraft, das es den Bürgern ab Dezember 2027 erlaubt, leere Baumscheiben zu bepflanzen. Für diese Aussicht gab es Szenenapplaus im Publikum. Aber um das Engagement in geordnete Bahnen zu lenken, „brauchen wir eine richtig gute IT-Strecke, um die es jetzt geht“. Gelänge das nicht, könnten aus den jetzt kalkulierten drei Milliarden Euro für die Begrünung der Stadt wieder die zuvor geschätzten fünf bis sechs Milliarden werden, sagte Strößenreuther.

Heinrich Strößenreuther (r.) und Grünen-Spitzenkandidat Werner Graf bei der Konferenz „Neustart Berlin“.

© imago/Funke Foto Services/Jörg Carstensen

Auf Nachfrage erklärte er später, dass nur ein ansprechendes und komfortabel nutzbares Internetportal die Chance biete, privates Kapital zu mobilisieren. Eine gut nutzbare Datenbank könne nicht nur interessierte Bürger ansprechen, sondern auch die Beschaffung neuer Bäume billiger machen, indem beispielsweise selbst ausgesäte Exemplare gezielt aufgepäppelt würden, bis sie Straßenbaum-Dimensionen erreichen. Das sei deutlich günstiger, als wie bisher nur Bäume in Baumschulen zu kaufen, die dort zehn Jahre lang gepflegt und mehrfach umgepflanzt wurden, was sie entsprechend teuer mache.

Ein weiterer Posten in Strößenreuthers Kalkulation ist der Verwaltungsaufwand: Um 100.000 Fälle pro Jahr zu bearbeiten, würden bei einer Stunde Arbeitszeit pro Vorgang 50 Vollzeitstellen gebraucht, die rund 2,5 Millionen Euro kosten. Auch das lasse sich mit optimaler Software vermeiden.

Eine begrünte Baumscheibe in Berlin-Friedenau.

© imago images/Schöning

Ebenso wichtig wie die technische Umsetzung sei „ein guter Gestattungsvertrag“ als Rechtsrahmen. Er habe bei der Bahn einschlägige Erfahrung bei deren Bike&Ride-Programm gesammelt: Die DB habe auf Basis dieses Vertrages bundesweit mehr als 30.000 Fahrradstellplätze an Bahnhöfen errichten können.

„Was wir jetzt suchen, ist tatsächlich Geld“, sagte Strößenreuther. Um 500.000 Euro für IT-Expertise gehe es. Die könne der Senat aufbringen oder auch der hochprofitable Konferenzsponsor Schneider Electric, schlug Strößenreuther vor. Nötig sei das Projekt nicht nur als Schönheitskur für die Stadt, sondern „weil Bäume ein Garant dafür sind, dass wir in zehn, 20 Jahren noch halbwegs erträglich und gesund in Zeiten von Hitze, Dürre und Klimawandel leben können.“

Am Dienstagabend, vier Tage nach der Präsentation, konnte Strößenreuther noch keinen Erfolg bei der Suche nach Geldgebern vermelden. Allerdings merkte er an: „Letztlich ist das ja eine Aufgabe des Senats.“ Denn das von seiner Initiative entworfene und vom Abgeordnetenhaus übernommene Gesetz gilt – auch und erst recht für die Berliner Verwaltung.

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