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Neues Gebiet. 3D-Druck wird zur Produktion von Medizintechnik genutzt.

© Imago / ZUMA Press

Berliner Tech-Unternehmen Formlabs: So entstehen Herzmedizin und Zahnersatz aus dem 3D-Drucker

Die US-Firma Formlabs stellt in Oberschöneweide 3D-Drucker her. Die High-Tech-Produkte kommen unter anderem in der Medizintechnik zum Einsatz.

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Ein Blitz zuckt unter der Oberfläche der geleeartigen Masse. Der Laserstrahl trifft zielgenau, er härtet ein kleines Stück Kunststoff aus. Langsam erhebt sich eine abstrakte Form aus dem Becken im Innern des 3D-Druckers.

Es handle sich um ein Modell, das in der Herzchirurgie zum Einsatz komme, sagt Stefan Holländer. Vom Berliner Firmensitz aus steuert der Manager des US-amerikanischen 3D-Drucker-Herstellers Formlabs das Geschäft in Europa, den arabischen Staaten und in Afrika.

Formlabs stellt 3D-Drucker für Geschäftskunden her. Zu denen gehören in der Hauptstadt zum Beispiel die Charité. „Vor einer komplexen Operation kann ein Modell für einen Probedurchgang erstellt werden”, sagt Holländer. Das US-Unternehmen beschäftigt weltweit 550 Menschen, davon 165 in Europa. Die Zentrale befindet sich im Funkhaus Nalepastraße in Oberschöneweide. Das ehemalige Sendehaus des DDR-Rundfunks beherbergt inzwischen zahlreiche Tech-Unternehmen und Start-ups.

Die Formlabs-Drucker verwenden spezielle Kunstharze, die für den medizinischen Einsatz zertifiziert sind. Damit können etwa Zahnkronen erstellt werden oder individuell angepasste Zahnspangen. Dafür scannt der Zahnarzt das Gebiss des Patienten mit einem Spezialgerät. Auf Grundlage des Scans wird dann die Krone gedruckt. Bei Bedarf könne ein Designservice die Modelle in einem Zwischenschritt digital nachbearbeiten, bevor sie angefertigt werden, sagt Holländer.

Dieser Dienstleister sitze heutzutage mitunter in Indien oder auf den Philippinen. Am Ende seien die Produktionskosten bei dieser digitalisierten Herstellungsmethode geringer als bei klassischen Verfahren.

Deutschlandweit wurden dem Bundesamt für Statistik zufolge im Jahr 2020 bei sieben Prozent aller deutschen Unternehmen 3D-Drucker eingesetzt. Bei Unternehmen ab 250 Beschäftigten war der Anteil mit 23 Prozent deutlich größer als bei kleineren Unternehmen. In den meisten Fällen – 60 Prozent – werden Prototypen oder Modelle zur firmeninternen Verwendung gedruckt, vor allem im Verarbeitenden Gewerbe.

Corona-Teststäbchen aus dem Drucker

Zu Beginn der Coronakrise kam ein unerwarteter Einsatzbereich hinzu. Plötzlich wurden massenhaft Plastikstäbchen für Antigentests benötigt. Die Hersteller in Asien konnten nicht liefern. Daraufhin stellten Dentallabore und andere Firmen ihre 3D-Druckkapazitäten zur Verfügung und produzierten die Stäbchen. Vor allem in Spanien und Singapur seien auf diese Weise große Mengen für die dortigen Märkte hergestellt worden, sagt Holländer.

Stefan Holländer ist Managing Director für Europa, den Nahen Osten und Afrika bei Formlabs

© Christoph M. Kluge

Der Manager sieht darin einen Ansatz für zukünftige Entwicklungen. Der 3D-Druck könne zwar in der Massenproduktion momentan noch nicht mit den klassischen Gussverfahren der Industrie konkurrieren. Die Produktion sei zu langsam, gleichzeitig seien die Kosten zu hoch. Doch bei Lieferengpässen sei die sogenannte additive Fertigung im 3D-Drucker eine sinnvolle Möglichkeit. Teure Produktionsausfälle könnten damit verhindert werden, sagt er.

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Aber auch im Alltagsgeschäft sei der 3D-Druck für mittelständische Hersteller relevant. Für ihre Standardmaschinen benötigten sie zum Beispiel kleine Zusatzteile in überschaubarer Stückzahl, etwa speziell angepasste Haltevorrichtungen. Auch Ersatzteile lassen sich drucken. Der Vorteil davon ist, dass keine großen Mengen davon vorrätig gehalten werden müssen.

„Berlin ist ein super kreatives Umfeld”

Auch im Endkundengeschäft werden Formlabs-Geräte eingesetzt, zum Beispiel bei der Personalisierung von Produkten. Der deutsche Audiotechnik-Hersteller Sennheiser produziert damit In-Ear-Kopfhörer, die individuell an das Innenohr des Kunden angepasst werden. Die Preise für die meistverkauften Formlabs-Drucker liegen zwischen etwa 3.700 und 15.000 Euro. Die Entwicklung der Kunstharze, mit denen die Geräte arbeiten, erfolgt in den USA.

„Berlin ist ein super kreatives Umfeld”, sagt Stefan Holländer, der seit 2006 in der Hauptstadt lebt. Bevor er Managing Director bei Formlabs wurde, arbeitete er in der Hardwareentwicklung bei Großkonzernen wie Sony, Microsoft und HP. „Ich bin damals viel in der Welt herumgeflogen.“ Nun sei er froh, in einem kleineren Team zu arbeiten, mit weniger Reglementierungen als in der Welt der Großkonzerne. Hier könne er die Ergebnisse der täglichen Arbeit unmittelbarer erleben und buchstäblich anfassen, sagt er.

In der Berliner Start-up-Szene sieht Stefan Holländer großes Potenzial für die 3D-Drucktechnologie, denn junge Hardware-Unternehmen benötigen Prototypen in ihrer Produktentwicklung. Mit sehr frühen Produktversionen werden erste Rückmeldungen von möglichen Kunden eingeholt. Die Produktidee kann dann schrittweise weiterentwickelt werden, noch bevor größere Investitionen fließen.

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