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Hubertus Knabe und Klaus Lederer.

© dpa

Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin: Der Fall Hubertus Knabe kommt vor einen Untersuchungsausschuss

Erst ein Gerichtsurteil, dann die Ankündigung: Das Abgeordnetenhaus wird wohl den Fall Hubertus Knabe untersuchen. Kultursenator Lederer reagiert gelassen.

Nach der Niederlage für den wegen Belästigungsvorwürfen entlassenen Vize-Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Helmuth Frauendorfer, am Mittwoch streben die Fraktionen von CDU und FDP im Abgeordnetenhaus weiterhin einen Untersuchungsausschuss an.

Beide wollen die Rolle von Kultursenator Klaus Lederer (Linke) bei der Entlassung des früheren Direktors der Gedenkstätte, Hubertus Knabe, beleuchten. Christdemokraten und Liberale geht es um den Verdacht, Lederer habe Knabes Entlassung aus politischem Kalkül betrieben, um einen unliebsamen Kritiker der Linken und ihrer SED-Geschichte loszuwerden. Lederer hat dies stets bestritten.

Derzeit liefen abschließende Gespräche mit der FDP-Fraktion über den Fragenkatalog für den Untersuchungsauftrag, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Stefan Evers, dem Tagesspiegel.

Man habe dafür die Entscheidung des Arbeitsgerichtes abwarten wollen. Stefan Förster (FDP) rechnet damit, dass bereits auf der Plenarsitzung in zwei Wochen der Antrag auf einen Einsetzungsbeschluss eingebracht werden kann.

Hubertus Knabe vor der Zivilkammer am Landgericht Berlin.
Hubertus Knabe vor der Zivilkammer am Landgericht Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Zusammen haben CDU und FDP eine ausreichende Stimmenzahl im Parlament, um einen Untersuchungsausschuss durchzusetzen. Nötig ist ein Quorum von einem Viertel aller Stimmen im Abgeordnetenhaus - also 40 Abgeordnete. Die Fraktionen von CDU und FDP verfügen gemeinsam über 43 Sitze.

„Nach unserer Akteneinsicht sind einige Fragen offen geblieben, die wollen wir mit einem Untersuchungsausschuss klären“, sagte Evers. Es habe Überlegungen gegeben, den Fall in einem ordentlichen Ausschuss zu klären. Ein solcher habe jedoch nicht die Rechte, um eine umfassende Beweisaufnahme durchzuführen - etwa bei der Sichtung von Akten oder der Ladung von Zeugen.

Seit 2014 existierten Vorwürfe, in der Stasigedenkstätte Hohenschönhausen herrsche ein sexistisches Klima.
Seit 2014 existierten Vorwürfe, in der Stasigedenkstätte Hohenschönhausen herrsche ein sexistisches Klima.

© Kitty Kleist-Heinrich

Deshalb habe sich die CDU für einen Untersuchungsausschuss entschieden, sagte Evers. Der Ausschuss solle nicht lange arbeiten und noch vor der nächsten Abgeordnetenhauswahl 2021 fertig werden. Auch Kulturstaatsminister Monika Grütters, die bis Mai Landeschefin der Berliner CDU war, könnte als Zeugin gehört werden, sagte Förster. Grütters hatte Knabes Entlassung aus der Gedenkstätte, die von Berlin und vom Bund finanziert wird, mitgetragen.

Untersuchungsausschüsse gelten als die schärfste Waffe der Opposition im Parlament zur Kontrolle der Regierung. Teils verfügt ein Untersuchungsausschuss über Befugnisse eines Gerichts, die Vorschriften der Strafprozessordnung gelten sinngemäß.

Kultursenator Lederer reagierte auf die Pläne der Oppositionsfraktionen gelassen. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse seien ein hohes Gut, ein Minderheitenrecht, um Fehlverhalten der Regierung aufzuklären. „Es sollte aber auch nicht instrumentalisiert werden“, sagte Lederer dem Tagesspiegel.

Klaus Lederer (Die Linke), Kultursenator von Berlin. Er hielt die Akte Knabe unter Verschluss und wollte Debatten vermeiden.
Klaus Lederer (Die Linke), Kultursenator von Berlin. Er hielt die Akte Knabe unter Verschluss und wollte Debatten vermeiden.

© Foto: Christoph Soeder/dpa

„Insofern steht schon die Frage im Raum, welchen Erkenntnisgewinn fast anderthalb Jahre nach den Ereignissen und nach gründlicher Akteneinsicht durch die Opposition vor längerer Zeit sich diejenigen versprechen, die über einen solchen Ausschuss nach dem heutigen Urteil immer noch nachdenken“, erklärte der Senator weiter. Die Gedenkstätte könne jetzt wieder mit ihren Inhalten Öffentlichkeit gewinnen.

Der Stiftungsrat unter Lederers Vorsitz hatte im September 2018 entschieden, Frauendorfer und Knabe zu kündigen. Knabe sei nicht entschlossen genug gegen seinen Vize vorgegangen und habe strukturellen Sexismus, Belästigung und Machtmissbrauch zugelassen. Nach einer Klage Knabes einigten sich beide Seiten auf einen Vergleich, Knabe bekam eine Abfindung.

Frauendorfer waren sexuelle Übergriffe und Belästigungen von 2011 bis zu seiner Kündigung vorgeworfen worden – von Volontärinnen, Praktikantinnen und Frauen, die ihr freiwilliges soziales Jahr in der Gedenkstätte absolvierten. In einem Brief an Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und Kultursenator Klaus Lederer (Linke) schilderten sie im Juni 2018 übergriffiges Verhalten durch Frauendorfer.

Helmuth Frauendorfer soll Frauen an der Stasiopfer-Gedenkstätte belästigt haben und wurde gekündigt.
Helmuth Frauendorfer soll Frauen an der Stasiopfer-Gedenkstätte belästigt haben und wurde gekündigt.

© Alexander Fröhlich

Das Arbeitsgericht Berlin hat Frauendorfers Kündigung am Mittwoch für rechtens erklärt. Das Gericht wies die Kündigungsschutzklage des früheren Vize-Direktors ab.  Das Gericht attestierte Frauendorfer Uneinsichtigkeit. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich das Fehlverhalten wiederhole.

Der Fall Hubertus Knabe und #MeToo in Hohenschönhausen:

Als Vorgesetzter habe er unangemessene Situationen für Bewerbungsgespräche mit Frauen in privatem Rahmen etwa bei abendlichen Restaurantbesuchen herbeigeführt. Dieses Verhalten habe er trotz Ermahnung durch seinen damaligen Chef Hubertus Knabe nicht abgestellt. Daher sei er für den Posten nicht geeignet.

Ob die Vorwürfe sexueller Belästigung stimmen, hat das Gericht nicht entschieden. Dies sei nicht Gegenstand des Verfahrens, sagte der Richter. Es sei aber nicht auszuschließen, dass die Vorwürfe zutreffen. Frauendorfer und sein Anwalt erschienen nicht zur Urteilsverkündung. Er kann jetzt aber Berufung vor dem Landesarbeitsgericht einlegen.

Der neue Direktor der Gedenkstätte, Helge Heidemeyer, zeigte sich erleichtert. An der Gedenkstätte habe wegen der ausstehenden Entscheidung Unruhe geherrscht.

Helge Heidemeyer wird neuer Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
Helge Heidemeyer wird neuer Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen

© BStU/promo

Heidemeyer sagte: Nun könne die Gedenkstätte sich wieder mit ungeteilter Aufmerksamkeit ihrer Aufgabe widmen, die den Stasi-Opfern verpflichtet sei und „der Auseinandersetzung mit den Formen und Folgen politischer Verfolgung“.

Die klare Positionierung des Gerichtes sei ein „wichtiges und ermutigendes Signal an alle Menschen, sich gegen Machtmissbrauch und sexuelle Belästigung im Arbeitsverhältnis zu Wort zu melden“. Das Urteil gebe den Frauen recht, die sich gegen das unangemessene Verhalten Frauendorfers gewehrt hatten. 

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