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Alles dicht im Lockdown: Statt in den Berliner Kneipen wird jetzt online Karten gespielt
Skat in der Bar war gestern. Heute wird Doppelkopf per App gezockt. Das ist lustiger als gedacht.
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Es gibt dazu vermutlich kaum Zahlen. Aber das Gefühl sagt: Berlin ist von einer Skatspielerstadt längst zu einer Doppelkopfmetropole geworden. Das mag auch daran liegen, dass das Drei-Personen-Spiel Skat besser an die Holztische rauer Kneipen passt als an die Esstische der Latte-Macchiato-Generation.
Und Kneipen mit Skatbrüdern, die auf den dritten Mann lauern wie einst bei Loriot („Kennen Sie Schnipp-Schnapp?“) gibt es eben immer weniger.
Doppelkopf passt besser zu Wein als zu Bier und kann nicht nur drei, sondern mindestens vier Spieler unterhalten, ist also doppelt paartauglich, das ist der Punkt. Und dann – nur ein subjektiver Eindruck – ist es nicht so von gusseisernen Regeln und Gewohnheiten eingefriedet, nicht jeder Fehler führt sofort in ein großes Bohei der Experten, sondern bleibt auch mal unentdeckt.
Ja, gut, aber was soll das jetzt, wo zwei Doppelkopfspieler überhaupt keine zwei weiteren empfangen dürfen und Singles ohnehin außen vor bleiben? Es führt zum Online-Doppelkopf, dessen Existenz vielen Gewohnheitsspielern immer noch unbekannt sein dürfte. Wer jetzt fragt, warum zum Teufel er denn statt mit drei Freunden mit einem doofen Computer spielen soll, hat keine Ahnung.
Denn die App passt nicht nur auf fast jedes Smartphone – wir nutzen die von Isar Interactive, kostenlos oder werbefrei für 5,99, es gibt aber zum Beispiel auch den „Fuchstreff“ – , sondern lässt alles zu: Allein gegen drei fiktive Gegner spielen, zu zweit gegen zwei, zu dritt gegen einen – oder zu viert wie gewohnt.
Der Computer zählt die Punkte ganz genau
Der ferne Server gibt die Karten, erlaubt neben dem Normalspiel jede Art von Solo inklusive der gefürchteten Pflichtsoli, kennt die „Armut“ und lässt sich auf die offiziellen Regeln ebenso einstellen wie auf spezielle Varianten, also zum Beispiel das Spiel ohne Neunen.
Ein weiterer wichtiger Vorteil: Ausgezählt und bepunktet wird mit unbestechlicher Genauigkeit sofort, wenn die letzte Karte auf dem Tisch liegt. Und Schummeln geht gar nicht: Wer sticht, obwohl er bedienen müsste, wird sofort zur Ordnung gerufen.
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Aber: Ist das nicht furchtbar öde, wenn alle nur auf ihre Handys starren? Sicher – deshalb ist es bei echten menschlichen Mitspielern natürlich sinnvoll, sich parallel über Skype oder irgendein anderes Videosystem zu verbinden und dann dort all die Sprüche, das Wehklagen über schlechte Blätter und das Expertengehabe loszulassen, ohne die dem Spiel was fehlen würde.
Eine Einschränkung für Experten bleibt: Die stille Kommunikation über körperliche Signale ist dabei kaum möglich, aber das lässt sich verschmerzen und bringt Anfänger sogar eher ins Spiel. Zudem ist das System kürzlich ein wenig nachjustiert worden, weil die virtuellen Mitspieler mit ihrem hundertprozentigen Gedächtnis und dem betont aggressiven Stil den meisten Nutzern einfach zu gut waren.
Sich auf eine Runde Karten zu verabreden, ist online einfacher
Heute hauen sie auch schon mal platt daneben. Ein weiterer kleiner Fehler: Manchmal scheinen die Server auf dem letzten Loch zu pfeifen, das Spiel kann erstarren oder auch mal ganz abbrechen, zumal an dunklen Wochenendabenden mit schlechtem Wetter.
Aber das dürfte an der längst enormen Verbreitung liegen: Der Münchener Mathematiker Peter Heinlein, Betreiber von Isar Interactive, hatte schon im ersten Lockdown oft eine sechsstellige Zahl von Spielern gleichzeitig am Start.
Er hat sein Projekt mit Skat – das natürlich auch online gespielt werden kann – und mit Schafkopf begonnen, logisch für einen Süddeutschen. Schafkopf ist aber so nahe an Doppelkopf, dass sich dieser weitere Schritt nahezu von selbst verstand.
Was mich betrifft: Ich habe Doppelkopf früher vielleicht drei oder vier Mal im Jahr gespielt. Jetzt im Lockdown sind es mit der App ein oder zwei Spiele in der Woche, weil das Verabreden so viel einfacher ist und auch eine Kurzpartie zwischendurch locker läuft.
Und ganz im Ernst: Wir haben uns im letzten Sommer, als es erlaubt war, auch schon zu viert getroffen und trotzdem per App gespielt, weil es schneller und praktischer ist.
Der große Schmäh entfällt allerdings: „Hat sich schon mal einer totgemischt“, das gibt es bei der App nicht mehr. Die haut die Karten so schnell raus wie kein menschlicher Spieler. Bessere Blätter gibt sie aber nicht.
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