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Tarifstreit im Nahverkehr eskaliert: Verdi ruft zu BVG-Warnstreik am Montag auf
Nach einer Mitgliederbefragung hat Verdi entschieden: Die BVG wird bestreikt. Im Tarifstreit um geht es um Forderungen von 250 Millionen Euro pro Jahr.
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Die Gewerkschaft Verdi ruft für den kommenden Montag, 27. Januar, zu einem eintägigen Warnstreik bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) auf. Man reagiere damit „auf die Verzögerungsstrategien des Vorstands“, teilte Verdi am frühen Mittwochabend mit.
„Wir bitten um Verständnis, dass uns nur der Streik bleibt, um diese Forderungen auch durchzusetzen“, sagte Verhandlungsführer Jeremy Arndt. Damit sich Fahrgäste vorbereiten können, erfolge die Ankündigung so früh.
Obwohl man die Forderungen bereits im Oktober 2024 an die BVG übermittelt habe, sei in der ersten Verhandlungsrunde vor einer Woche kein Angebot vorgelegt worden, begründete Verdi die schnelle Eskalation. „Auch wurde deutlich, dass die Einschätzungen zu dem bestehenden Aufholbedarf bei den Löhnen zwischen Verdi und dem BVG-Vorstand weit auseinanderliegen.“
Verdi hatte nach der ersten Verhandlungsrunde die Mitglieder befragt. Das Ergebnis war eindeutig, „eine deutliche Mehrheit sprach sich für einen ersten Warnstreik bereits vor dem zweiten Verhandlungstermin aus“, hieß es von Verdi. Aufgrund dieser Rückmeldungen hat die Tarifkommission am Nachmittag nun so entschieden.
Die BVG teilte am Abend mit: „Die Ankündigung von Verdi für einen Warnstreik ab Montag für 24 Stunden hält die BVG für unverhältnismäßig.“ Dies sei eine „Eskalation noch vor der ersten richtigen Verhandlungsrunde“.
U-Bahnen und Straßenbahnen fallen aus – einige Busse fahren trotz Streiks
Wie der Landesbetrieb auf seiner Webseite mitteilt, fallen während des Streiks alle U-Bahnen und Straßenbahnen sowie die meisten Busse aus. Linien und Angebote, die im Auftrag der BVG von anderen Unternehmen gefahren werden, seien hingegen nicht vom Streik betroffen. Das gilt für den BVG Muva und alle Fähren.
Auch die Buslinien 106, 114, 118, 124, 133, 161, 168, 175, 179, 204, 218, 234, 275, 316, 318, 320, 326, 334, 349, 359, 363, 380, N12, N23, N35, N39, N53, N61, N69, N84, N91, N95, N97 fahren demnach. Die Linien M36, 112, 124, 184, 744, 893 und N68 verkehren am Streiktag mit eingeschränktem Angebot. Hier empfiehlt die BVG den Fahrgästen, sich vor Fahrtantritt über die BVG-Apps über die jeweilige Verbindung zu informieren.
Die meisten Fahrgäste müssen also in die S-Bahn umsteigen oder Fahrrad, Auto und Roller nutzen. Die Erfahrungen der zurückliegenden Jahre haben gezeigt, dass in Berlin kein Chaos ausbricht, wenn die BVG stillsteht. Nur bei Streiks ohne Ankündigung hatte es Ende der 90er-Jahre wilde Szenen an Bahnhöfen gegeben – Fahrgäste prügelten sich um Taxis.
Die Gewerkschaft hatte in den vergangenen Wochen vielfach betont, wie unzufrieden die Beschäftigten der BVG sind. Schon vor zwei Wochen hatte Verdi gewarnt, dass „es Arbeitskampfmaßnahmen bis hin zum Erzwingungsstreik geben“ werde, wenn sich Arbeitgeberseite und Senat nicht bewegen. Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt hatte gesagt: „Wir sind auf alles eingestellt.“
Verdi fordert 750 Euro mehr pro Monat
Es geht um sehr viel Geld: Verdi fordert für die knapp 14.000 BVG-Beschäftigten monatlich 750 Euro Lohnplus, ein 13. Monatsgehalt, eine Fahrdienst- beziehungsweise Wechselschichtzulage von 300 Euro sowie eine Schichtzulage von 200 Euro. Das Paket würde die BVG die gigantische Summe von 250 Millionen Euro kosten – pro Jahr.
Die BVG hatte das als nicht finanzierbar bezeichnet. Man akzeptiere zwar, dass es Nachholbedarf beim Entgelt gebe, „die Ergebnisse müssen jedoch realistisch und verhältnismäßig sein“, hieß es nach der ersten Verhandlungsrunde. Die BVG wolle „gemeinsam mit Verdi umsetzbare und stabile Lösungen für Mitarbeiter und das Unternehmen finden“. Die BVG hatte angekündigt, zur nächsten Verhandlungsrunde am 31. Januar ein Angebot mitzubringen, und zwar „als Diskussionsgrundlage“.
Das wird keine leichte Zeit für die Fahrgäste.
Jeremy Arndt, Verdi-Verhandlungsführer
Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt hatte nach dem ersten Treffen gesagt: „Es ist deutlich geworden, dass wir in der Einschätzung, wie groß der Nachholbedarf ist, weit auseinanderliegen.“ Verdi argumentiert mit einem „faktischen Reallohnverlust“ seit der letzten Lohnrunde Ende 2021, an die man fünf lange Jahre gebunden war. Die Inflation sei seitdem jedes Jahr höher gewesen als das vereinbarte Lohnplus.
Verdi will Streik mindestens 24 Stunden vorher ankündigen
Zuletzt hatte es im Jahr 2008 längere Streiks gegeben. 2025 werde „ähnlich intensiv“, hatte Verdi schon bei der Vorstellung der Forderungen im Oktober prophezeit.
Für die Verhandlungen sind bis zum 10. April sechs Termine angesetzt. Parallel laufen auch die Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen.
Auch bei der Deutschen Bahn könnte im Frühjahr gestreikt werden: Am Donnerstag will die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ihre Forderungen zur Tarifrunde mit der DB vorstellen. Der aktuelle Vertrag läuft Ende März aus, bis dahin darf nicht gestreikt werden. Die Deutsche Bahn betreibt in Berlin die S-Bahn.
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