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Gedenkplakette für die homosexuellen NS-Opfer am U-Bahnhof Nollendorfplatz nach der Schweigeminute.

© Nadine Lange

Update

„Tempelhof-Schöneberg wird sich nicht einschüchtern lassen“: Entsetzen nach Farbattacke auf Gedenktafel für homosexuelle NS-Opfer in Berlin

Am U-Bahnhof Nollendorfplatz erinnert eine Gedenktafel an die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus. Am Montag wurde sie beschmiert, am Dienstag fand eine Schweigeminute an der gereinigten Tafel statt.

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Die Sonne scheint, als Alfonso Pantisano am Dienstagnachmittag einen großen Strauß roter Rosen vor der Gedenktafel für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus am Nollendorfplatz ablegt. Die rote Farbe, mit der das Mahnmal zu Beginn der Woche beschmiert worden war, ist nicht mehr zu sehen.

Doch die Wut über die Attacke ist immer noch groß bei Berlins Queerbeauftragtem: „Ich bin stinksauer“, sagt der SPD-Politiker anlässlich einer Schweigeminute an der Tafel. Mit Blick auf deren Lage mitten im Regenbogenkiez fügt er hinzu: „Jetzt kommen sie langsam in unsere Herzkammer. Sie wollen uns zeigen, wir sind hier, wir gehen nicht mehr weg und wir haben euch im Blick.“ 

Deshalb appelliert er an die LGBTIQ-Coummunity, zusammenzuhalten und sich nicht spalten zu lassen. Eindringlich mahnt Pantisano: „Lasst uns aufeinander achtgeben.“

Zu der vom schwulen Anti-Gewalt-Projekt Maneo initiierten Veranstaltung an der Tafel sind einige Dutzend Menschen gekommen, darunter auch Jörn Oltmannn, Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg.

„HIV“ und „Dresden“ standen an der Gedenktafel am Nollendorfplatz

In einer Pressemitteilung schreibt er: „Tempelhof-Schöneberg wird sich davon nicht einschüchtern lassen. Unser Bezirk ist stolz darauf, Heimat des Regenbogenkiezes zu sein. Wir werden uns weiter für Vielfalt und Akzeptanz unterschiedlicher Lebensentwürfe sowie für die kritische Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen einsetzen.“

Die rote Schmiererei am Gedenkort war am Montag bei der Polizei gemeldet worden. Unbekannte Täter hatten die Gedenktafel übersprüht. Daneben standen die Worte „HIV“ und „Dresden“. Dies könnte als Verweis auf die Bombardierung der sächsischen Hauptstadt durch alliierte Flieger am Ende des Zweiten Weltkriegs gemeint sein. Das Gedenken an die vielen zivilen Opfer und die verheerende Zerstörung der Stadt wird schon seit Jahren von Neonazis vereinnahmt. Auch in diesem Jahr kam es am Gedenktag wieder zu einem Aufmarsch rechtsextremer Gruppen.

Am Montag hatte der queerpolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Sebastian Walter, auf den Fall aufmerksam gemacht. Er teilte auf seinem Instagram-Account ein Bild der verunstalteten Tafel. Walter sprach in einer Mitteilung von einer „Attacke auf unsere queere Erinnerungskultur und auf die Würde derer, die im Nationalsozialismus entrechtet, verfolgt und ermordet wurden“.

Dass solche Gedenkorte geschändet würden, zeige, „wie tief menschenverachtende Ideologien in unserer Gesellschaft wieder Fuß fassen“, so Walter. Er forderte „eine konsequente Aufklärung sowie langfristige Maßnahmen zum Schutz queerer Infrastruktur und Gedenkkultur in Berlin“.

Dass dieser Ort erneut entwürdigt wurde, ist nicht nur eine Schändung der Gedenkkultur, sondern ein Angriff auf die queere Community insgesamt.

Yasmine Werder, LSVD

Auch der LSVD – Verband für queere Vielfalt verurteilte die Attacke auf die Gedenktafel. Yasmine Werder aus dem Vorstand des Landesverbands erklärt in einer Mitteilung: „Dass dieser Ort erneut entwürdigt wurde, ist nicht nur eine Schändung der Gedenkkultur, sondern ein Angriff auf die queere Community insgesamt.“ Solche Taten seien Ausdruck von Queerfeindlichkeit, die auch tief in der Gesellschaft verankert seien. „Sie dürfen nicht relativiert oder ignoriert werden“, so Werder.

Das Anti-Gewalt-Projekt Maneo, dessen Räume sich in unmittelbarer Nähe befinden, forderte „die Strafverfolgungsbehörden auf, alles zu unternehmen, um die Täter zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen“, wie Maneo-Leiter Bastian Finke mitteilte.

Die Tafel mit dem Rosa Winkel und dem Schriftzug „Totgeschlagen – totgeschwiegen“ erinnert an die Verfolgung, Verschleppung und Ermordung queerer Menschen während des Nationalsozialismus – sie ist ein zentraler Ort queeren Gedenkens und mahnender Erinnerung. Mit dem Rosa Winkel kennzeichneten die Nationalsozialisten Homosexuelle in den Konzentrationslagern.

Enthüllt wurde die Tafel 1989. Sie war damals das erste Gedenken an diese Opfergruppe im öffentlichen Raum.

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