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Kriminaltechnikerinnen gehen in ein Wohnhaus in Lichtenrade. Die Mutter des drei Jahre alten Mädchens ist festgenommen worden.

© dpa

Tod einer Dreijährigen: Mutter des Mädchens litt offenbar unter psychischen Problemen

In Lichtenrade wurde eine Dreijährige von ihrer Mutter getötet. Ein Ermittlungsrichter ordnete eine Unterbringung der Frau in einer psychiatrischen Klinik an.

Von Sandra Dassler

Noch ist unklar, warum das dreijährige Mädchen sterben musste. Aber die Mutter litt offenbar unter psychischen Problemen. Der  Vater hatte das Kind am Mittwochabend schwer verletzt in der Wohnung in Lichtenrade gefunden, das Kind starb im Krankenhaus. Die 44-jährige Mutter wurde unter dringendem Tatverdacht festgenommen. Eine Mordkommission ermittelt. Die Staatsanwaltschaft am Donnerstagnachmittag über Twitter mit: Die geständige Beschuldigte sei wegen Mordverdachts einem Ermittlungsrichter vorgeführt worden, der aufgrund ihrer psychischen Erkrankung die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet habe.

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"Extrem selten, dass Frauen töten"

Dass Mütter ihre Kinder töten, ist extrem selten, sagt die Leiterin der Klinik und Hochschulambulanz für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité, Isabella Heuser: „Es ist übrigens schon extrem selten, dass Frauen überhaupt töten. Gerade deshalb ist jeder Fall anders und sehr individuell.“ Die Polizeistatistik kennt eine Reihe von Fällen, wo Männer ihre Frau oder Lebensgefährtin „bestrafen“ wollten, in dem sie die gemeinsamen Kinder töteten. Dass Frauen zu solchen Methoden greifen, wäre eine krasse Ausnahme. Bei ähnlichen Fällen, die in jüngster Zeit bekannt wurden, spielten oft psychische Probleme eine Rolle oder wurden zumindest vermutet.

So entdeckte am Montag dieser Woche ein 52-jähriger Familienvater in Witten in Nordrhein-Westfalen die Leichen seiner 39-jährigen Frau und seines zehnjährigen Sohnes. Die Polizei geht bisherigen Erkenntnissen zufolge davon aus, dass die Mutter erst den Jungen und dann sich selbst getötet hat. Sie wollte den Jungen wohl mit in den Tod nehmen, Experten sprechen in einem solchen Fall von einem erweiterten Suizid. Eine Polizeisprecherin soll auch von psychischen Problemen der Mutter berichtet haben, bestätigt wurde das bis heute allerdings nicht.

Fälle sollten nicht verallgemeinert werden

Ganz anders im Fall einer 36-jährigen Mutter im oberbayerischen Baar-Ebenhausen, der von Gutachtern und schließlich auch vom Gericht Anfang des Jahres bestätigt wurde, dass sie an einer schweren Schizophrenie litt und deshalb schuldunfähig war, als sie ihren schlafenden, dreijährigen Sohn mit einem Messer umbrachte. Die Frau gab vor Gericht an, dass sie im April 2018 Stimmen gehört habe, die ihr befahlen, „ihr Liebstes zu töten“. Die Frau hatte dann versucht, sich selbst das Leben zu nehmen. Sie wurde wegen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Das Gericht stellte fest, dass sie wegen ihrer Wahnvorstellungen nicht in der Lage gewesen sei, das Unrecht ihres Handelns zu erkennen.

Auch eine 38-jährige Frau aus Schneeberg in Bayern  wurde vor drei Jahren vom Landgericht Aschaffenburg nicht verurteilt, weil sie an einer depressiven Episode mit psychotischen Symptomen litt, als sie ihren einjährigen Sohn tötete.

Man sollte sich allerdings davor hüten, mehrere solcher Fälle zu verallgemeinern, sagt Isabella Heuser: „Wie bereits festgestellt: Es ist extrem selten, dass Frauen töten und noch seltener, dass psychisch Kranke töten.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind in Deutschland ermordet wird liegt pro Tag bei 1 zu 200 000 000. 2015 wurden insgesamt 16 Kinder in der gesamten Bundesrepublik umgebracht.

Motive für Infantizide liegen oft in psychischen Störungen

Tötungen von Neugeborenen, sogenannte Neonatizide, werden gesondert erfasst, da es sich oftmals um ungewollte Kinder, verdrängte Schwangerschaften oder sehr junge Mütter handelt.

Die Motive bei Kindstötungen (Infantizide) sind hingegen oft in psychotischen Störungen zu suchen. Oder man will das Kind mit in den eigenen Tod nehmen, um es nicht allein und verloren zurückzulassen.  Seltener geht es wie bereits erwähnt, darum, dass das ein Partner oder ehemaliger Partner bestraft werden soll, in dem man nicht ihn tötet, sondern das, was er am meisten liebt.

In selten Fällen werden Kinder getötet, weil sie den Täter ablehnen, jemand anderen mehr lieben oder sich „nicht richtig verhalten“.  Manchmal geschehen auch Unfälle, wobei man einen Dreijährigen beispielsweise durch Schütteln nicht so viel Schaden zufügen kann wie einem Säugling.

Was immer die Ursache der Familientragödie von Lichtenrade war – Experten verweisen darauf, dass es viele Hilfsangebote gibt und niemand sich scheuen muss, diese Hilfe auch in Anspruch zu nehmen.

Hilfsangebote

Haben Sie dunkle Gedanken? Wenn es Ihnen nicht gut geht oder Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen Sie sich melden können.

Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.

Weiterhin gibt es von der Telefonseelsorge das Angebot eines Hilfe-Chats. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite. Informationen finden Sie unter: www.telefonseelsorge.de

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