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Pestizide gefährden den Bienenbestand in Brandenburg. (Symolfoto)

© Foto: dpa/picture alliance

Umweltverbände fordern Pestizid-Verbot in Naturschutzgebieten: Neuer Streit um Volksinitiative gegen das Bienensterben in Brandenburg

73.052 Brandenburger hatten eine Volksinitiative gegen das Insektensterben unterschrieben. Nun wollen SPD und CDU Pestizide in Naturschutzgebieten doch nicht verbieten.

Die Volksinitiative „Artenvielfalt retten“, bei der Umweltverbände im Wahljahr 2019 immerhin 73.052 Unterschriften gegen das Bienen- und Insektensterben in Brandenburg gesammelt hatten, schlägt Alarm. Auf einer kurzfristig anberaumten Online-Pressekonferenz übten deren Vorsitzender Friedhelm Schmitz-Jersch, Ex-Chef des Naturschutzbundes (Nabu), und Axel Kruschat, Geschäftsführer des Bundes für Umwelt- und Naturschutz im Land (BUND) am Mittwoch scharfe Kritik an der Brandenburger SPD und CDU.

Die Parteien wollen im Landtag jenen Gesetzentwurf stoppen, mit dem der Einsatz von Pestiziden in Naturschutzgebieten und sogenannten FFH-Gebieten nach der europäischen Schutzcharta „Flora-Fauna-Habitat“ verboten werden sollte. Das war ein Hauptanliegen der damaligen Volksinitiative, das nun endlich umgesetzt werden sollte – nach zwei jährigen Verhandlungen um einen Kompromiss.

„Das trifft uns tief. Das ist ein herber Schlag“, sagte Schmitz-Jersch. Er erinnerte an den Koalitionsvertrag des Kenia-Bündnisses aus SPD, CDU und Grünen, der eine „ambitionierte Pestizidreduktionsstrategie“ vorsehe, um bis 2030 den Pestizideinsatz um die Hälfte zu verringern. „Wie glaubwürdig ist das, wenn man nicht einmal bei den wertvollsten Schutzgebieten im Land den Pestizideinsatz generell ausschließen will?“

Denn das geforderte Pestizid- und Düngemittelverbot beträfe allein die Naturschutz- und FFH-Gebiete. Es gehe um eine Fläche von 30.000 bis 40.000 Hektar im Land, was im Vergleich zu der insgesamt eine Million Hektar großen Ackerfläche gering sei, so Kruschat. „Man muss sagen, dass unsere Forderungen eigentlich sehr bescheiden sind.“ Dabei habe der Artenschwund ein besorgniserregendes Ausmaß.

SPD und CDU wiederum begründen den Schwenk damit, dass mittlerweile auf Bundesebene die Umweltgesetzgebung strenger geworden ist, weshalb ein solches Verbot auf Landesebene nicht mehr notwendig sei. Dem widersprechen Kruschat und Schmitz-Jersch. Zwar gebe es inzwischen Verschärfungen der Bundesregelungen, doch wesentliche Pestizide seien in Naturschutzgebieten weiter zulässig, hieß es. Zudem gelte für Flora-Fauna-Habitat-Gebiete ein Pestizidverbot nur für Grünland, nicht für Ackerflächen. Und die Bundesregelungen ließen, so Schmitz-Jersch, Landesregelungen zu.

Gutachten hatte Formfehler bei Volksinitiative gerügt

Für die Volksinitiative „Artenvielfalt retten“ wäre es der zweite herbe Rückschlag. Wegen formaler Mängel, die ein Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes bescheinigt hatte, hatte der Hauptausschuss 2020 die Volksinitiative bereits für nicht zulässig erklärt. Gerügt wurde, dass die Umweltverbände Unterschriften für eine ganze Liste von Insektenschutz-Gesetzesänderungen gesammelt hatten, was gegen das sogenannte „Kopplungsverbot“ verstoße.

Dagegen klagt die Volksinitiative beim Landesverfassungsgericht. Das Verfahren läuft, es ruhte allerdings, da in den letzten zwei Jahren Kompromiss-Verhandlungen zwischen den Umweltverbänden, den Regierungsfraktionen und einer weiteren, von Landnutzern getragenen Volksinitiative liefen. Die Initiative „Mehr als nur ein Summen“, die 24.000 Unterschriften sammelte, hatte sich mit der Volksinitiative „Artenvielfalt retten“ zusammengetan – 2021 war eine Vereinbarung unterzeichnet worden. Und die Parteien hatten versprochen, das Insektenschutz-Anliegen zu verfolgen.

Um so größer ist jetzt der Frust bei den Naturschützern über den drohenden Schwenk von SPD und CDU. „Wir sind enttäuscht, wir sehen uns getäuscht“, sagte Schmitz-Jersch. Und BUND-Geschäftsführer Kruschat sieht mittlerweile ein systematisches Vorgehen, erfolgreiche Volksinitiativen über den Weg von Kompromissverhandlungen im Sande verlaufen zu lassen. Er verwies auf das erfolgreiche und vom Landtag angenommene Volksbegehren gegen Mega-Ställe in Brandenburg, wo bis auf den Tierschutzbeauftragten „bis heute keine unserer Forderungen umgesetzt worden ist.“

Tatsächlich ist auch das vom Landtag angenommene Volksbegehren für ein striktes Nachtflugverbot am BER-Airport bis heute nicht umgesetzt. Sollten SPD und CDU nicht einlenken, setzen die Verbände auf das Verfassungsgericht. Würde das die Volksinitiative für zulässig erklären, könnte ein Volksbegehren gestartet werden. Kruschat schloss auch eine neue Kampagne nicht aus. Noch hoffe man aber, dass der Landtag ein Pestizidverbot für Brandenburger Naturschutzgebiete beschließe.

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