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Unterstützung vom Landeselternausschuss: Mindestens 2500 Berliner Lehrer demonstrieren erneut für kleinere Klassen
Zum fünften Mal ist die Lehrer-Gewerkschaft GEW für einen „Tarifvertrag Gesundheitsschutz“ auf die Straße gegangen. Auch Elternvertreter setzen sich dafür ein.
Stand:
Für viele Berliner Schülerinnen und Schüler ist der gewohnte Unterricht am Dienstag ausgefallen. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beteiligten sich 3500 Lehrkräfte an einem ganztägigen Warnstreik. Die Bildungsverwaltung zählte rund 2600 pädagogische Mitarbeiter, die in den Ausstand traten, vor allem Lehrkräfte.
Mit dem Ausstand, zu dem auch andere Schulbeschäftigte wie Sozialpädagogen und Psychologen aufgerufen waren, wollte die GEW zum wiederholten Mal ihre Forderung nach kleineren Klassen und einem entsprechenden Tarifvertrag untermauern. „Der Tarifvertrag ist unser Hebel für Entlastung“, sagte die Leiterin des GEW-Vorstandsbereiches Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik, Anne Albers, laut Gewerkschaft auf einer Kundgebung. „Nur mit einem Tarifvertrag können wir den Senat dazu bringen, endlich verbindliche Zusagen über mehr Personal, mehr Schulgebäude und kleinere Klassen zu machen.“
Kleinere Klassen hätten nach Einschätzung der Gewerkschaft eine geringere Arbeitsbelastung und damit einen besseren Gesundheitsschutz für Lehrerinnen und Lehrer zur Folge. Auch die Kinder und Jugendlichen würden davon profitieren.
Unterstützung vom Landeselternausschuss
Bei der Kundgebung vor dem Roten Rathaus hielt am Dienstag auch der Vorsitzende des Landeselternausschusses Schule (LEA), Norman Heise, eine Rede. „Auch der LEA verfolgt seit Jahren die Forderung, die Klassen in den Berliner Schulen nicht immer größer werden zu lassen“, sagte Heise. „Genauso lange sehen wir Jahr für Jahr die Klassenfrequenzen steigen – auch über die Vorgaben der Verordnungen und über Kapazitäten der Schulen hinaus.“
Der Landeselternausschuss sehe abgesehen von dem geforderten Tarifvertrag keinen wirksamen Hebel, die Klassengrößen zu begrenzen. „Daher werden wir die Forderung der GEW ab sofort unterstützen, um unsere Kinder, aber auch das pädagogische Personal perspektivisch zu entlasten“, sagte Heise weiter, „auch wenn uns bewusst ist, dass die Realisierung über den Ausbau von Studienplätzen und den Bau weiterer Schulplätze nicht von heute auf morgen erfolgen kann.“
Die Unterstützung des Anliegens sei vom LEA bei einer Sitzung am Freitag beschlossen worden. Bislang hatte der Landeselternausschuss den Streiks neutral gegenübergestanden. „Als Eltern finden wir Lehrer-Streiks nach wie vor anstrengend“, sagte Heise dem Tagesspiegel. „Bezogen auf dieses Anliegen unterstützen wir die GEW jedoch, weil wir kein anderes Mittel mehr sehen.“
Berlin hat kein Mandat für entsprechende Tarifverhandlungen.
Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Finanzen
„Die Solidarität der Eltern zeigt, dass wir mit unserer Forderung nach kleineren Klassen und einer langfristigen Perspektive für bessere Bildungsbedingungen nicht alleine sind in dieser Stadt“, sagte GEW-Landeschef Tom Erdmann. Die Berliner:innen seien „sehr unzufrieden mit dem schlechten Zustand unserer Schulen – dies sollte der rot-grün-rote Senat endlich ernst nehmen“, sagte Erdmann.
Die Gewerkschaft trägt ihr Anliegen schon seit mehr als einem Jahr vor und organisierte deswegen bereits einige Protestaktionen und Warnstreiks. Der Warnstreik am Dienstag war der fünfte seit 2021, der letzte ist knapp drei Wochen her. Damals hatten sich rund 3000 Personen beteiligt. In Berlin gibt es rund 34.000 Lehrer, viele davon sind Angestellte und dürfen anders als Beamte streiken.
Finanzsenator sieht keinen Spielraum
„Unser erneuter Warnstreik ist nötig, da Finanzsenator Daniel Wesener unsere Gesprächsangebote ignoriert und Verhandlungen über einen Tarifvertrag verweigert“, hatte Tom Erdmann im Vorfeld des Warnstreiks erklärt. Mit dem Hinweis auf das fehlende Personal lasse sich die GEW nicht „abspeisen“. GEW-Tarifexperte Udo Mertens betonte, die Gewerkschaft wolle „noch in diesem Schuljahr eine Lösung“.
Wir müssen unseren Eltern wieder erklären, dass in der mühsamen Nach-Pandemie-Zeit erneut der Unterricht ausfällt.
Matthias Ziegfeld, Leiter der Hermann-Nohl-Grundschule in Neukölln
Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) sieht keinen Spielraum für derartige Verhandlungen: „Als Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder kann das Land Berlin nicht frei darüber entscheiden, Tarifverhandlungen aufzunehmen“, stellte sein Sprecher am vergangenen Dienstag nochmals klar.
Berlin habe das GEW-Anliegen eines „Tarifvertrags Gesundheitsschutz“ im November 2021 in die Mitgliederversammlung der Tarifgemeinschaft der Länder eingebracht. Allerdings habe sich dort eine Mehrheit dafür ausgesprochen, an der bisherigen Linie festzuhalten und keine Verhandlungen zu Fragen der Personalbemessung zu führen. „Berlin hat damit kein Mandat für entsprechende Tarifverhandlungen“, bleibt die Finanzverwaltung bei ihrer Linie von 2021.
Weniger als eine Stunde nach der Streikankündigung am vergangenen Dienstag hatte sich der Leiter der Neuköllner Herman-Nohl-Grundschule, Matthias Ziegfeld, an den GEW-Vorstand gewandt, um gegen den Streik zu protestieren. „Sie überfordern das gesamte schulische System und sind schlecht beraten, wenn Sie das als Gewerkschaft für einen produktiven Weg halten“, schrieb Ziegfeld in seiner Mail, die dem Tagesspiegel vorliegt.
„Nach der heutigen Personalversammlung in Neukölln, dem jüngsten Streik vor wenigen Wochen und einem schulischen Studientag müssen wir unseren Eltern wieder erklären, dass in der mühsamen Nach-Pandemie-Zeit erneut der Unterricht ausfällt“, hatte Ziegfeld beklagt. Leider seien die Streikgründe „heutzutage so wenig nachvollziehbar, dass wir diese den Eltern auch noch soufflieren müssen.“ (mit dpa)
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