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Der frühere Bundesanwalt Herbert Diemer.

© Tobias Hase/picture alliance/dpa

Untersuchungsausschuss zu rechten Anschlägen in Neukölln: „Seriencharakter ist nicht ausreichend anerkannt worden“

Im Ausschuss zum Neukölln-Komplex wurden externe Ermittler angehört. Der frühere Bundesanwalt Herbert Diemer sieht nur einzelne Versäumnisse.

Der frühere Bundesanwalt Herbert Diemer hat der Staatsanwaltschaft mit Blick auf die Ermittlungen zur rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln erneut Versäumnisse vorgeworfen. Diemer und die frühere Polizeipräsidentin von Eberswalde, Uta Leichsenring, waren am Freitag als Zeug:innen im Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex geladen.

Diemer und Leichsenring hatten zwischen 2020 und 2021 die Arbeit der Ermittlungsbehörden rund um die rechte Straftatenserie untersucht. Dabei waren sie zu dem Schluss gekommen, dass es zwar einzelne Versäumnisse gegeben habe, die Arbeit der Behörden aber insgesamt meist nach Lehrbuch abgelaufen sei. Das betonte Diemer am Freitag erneut vor dem Ausschuss, vor dem beide ihren damaligen Schlussbericht vorstellten.

„Die Ermittlungen sind sehr akribisch und aufwendig geführt worden“, sagte Uta Leichsenring mit Blick auf die Polizei. An jenen Stellen, an denen Betroffene fehlende Ermittlungen vermuteten, habe sich in den Akten meistens herausgestellt, dass jene tatsächlich stattgefunden hätten.

Die Staatsanwaltschaft habe allerdings den Seriencharakter lange nicht ausreichend anerkannt, sagte Diemer. „Die Vorgehensweise bei der Staatsanwaltschaft war jene, die bei Massendelikten üblich war – und wenn es keine Hinweise auf Täter gab, wurden Verfahren eingestellt“, so der frühere Bundesanwalt. Das sei bei politischer Kriminalität allerdings aus seiner Sicht nicht angemessen. Zumal die Polizei bereits 2015 von einem Seriencharakter gesprochen habe.

Die Ermittlungen sind sehr akribisch und aufwendig geführt worden.

Uta Leichsenring, frühere Polizeipräsidentin von Eberswalde

Zudem hätten fünf verschiedene Abteilungen der Staatsanwaltschaft die unterschiedlichen Taten bearbeitet, zum Teil sei auf Anträge der Polizei erst mit mehrmonatiger Verspätung eingegangen worden. Beides würde dem Seriencharakter nicht gerecht. „Wir haben aber keine Hinweise darauf gefunden, dass Anschläge hätten verhindert werden können“, sagte Diemer. Verbessert habe sich die Lage dann, als die Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen 2020 an sich zog.

„Dass es keine Ermittlungsergebnisse gibt, liegt einfach in der Natur der Sache bei Brandstiftungsdelikten“, sagte Diemer weiter. Man hätte die Täter nahezu dauerhaft observieren und auf frischer Tat ertappen müssen, betonte er. „Anders ist da eine Verurteilung kaum möglich.“

Der Untersuchungsausschuss soll mögliche Pannen und Ermittlungsfehler in einer Serie rechtsextremer Anschläge in Neukölln aufdecken. Dieser Serie werden 72 rechte Straftaten seit 2013 zugerechnet, darunter 23 Brandanschläge. Einer der beiden Hauptverdächtigen, der frühere NPD-Kreisvorsitzende Sebastian T., steht derzeit noch wegen einiger dieser Vorfälle vor Gericht. Sein Mitangeklagter Tilo P. wurde kürzlich mit Blick auf zwei Brandanschläge frei gesprochen.

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