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Der vegane Kochbuchautor, Antisemit und Neonazi Attila Hildmann ist offenbar das Ziel von Hackern geworden.

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Update

Veganer Kochbuchautor und Neonazi: Hacker erbeuten mit Insider-Hilfe Daten von Attila Hildmann

Ein Vertrauter des Antisemiten spielt „Anonymous“ brisante Daten zu. Diese kapern Hildmanns Kanäle. Der 40-Jährige spricht von einer „Überläuferaktion“.

Mehr als 100.000 E-Mails, Privatkontakte, Adressen und andere sensible Daten will das Hackerkollektiv “Anonymous Germany” vom veganen Kochbuchautor und Neonazi Attila Hildmann erbeutet haben. Möglich wurde dies offenbar durch einen ehemaligen Vertrauten Hildmanns, der von "Anonymous" als "Kai" bezeichnet wird.

Der Informant betreute mehr als ein Jahr lang die Social Media-Auftritte Hildmanns und kümmerte sich um die allgemeine IT-Sicherheit des Verschwörungsideologen. Bis er den Entschluss fasste, auszusteigen und auszupacken.

“Kai” wandte sich an die Hackergruppe “Anonymous Germany”, die sich bereits in zahlreichen Aktionen in der Vergangenheit mit der deutschen “Querdenken”-Bewegung auseinandersetzte und unter anderem Tausende Mitgliederdaten der verschwörungideologischen Partei "Die Basis" erbeutete.

Gleichzeitig beschäftigte sich die Internet-Gruppe immer wieder mit Hildmann und seiner menschenverachtenden Hetze, infiltrierte unter anderem im vergangenen Jahr einzelne Telegram-Kanäle und Websites des rechtsextremistischen Hildmanns. Nun gelang den Hackern durch die Mithilfe des Informanten “Kai” wohl der finale Schlag gegen Hildmanns virtuelles Netzwerk.

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Dutzende Telegram-Kanäle, Websites und Kanäle auf Videoplattformen, die dem Verschwörungsideologen zuzuordnen sind, wurden von den Internetexperten “defaced”. Von “defacing” ist die Rede, wenn Inhalte des Internets unberechtigterweise übernommen und verändert werden.

[Lesen Sie mehr bei Tagesspiegel Plus: „Er liebt Krieg, er liebt den Kampf“: Vertrauter von Attila Hildmann packt aus]

Im Fall von Hildmann sind seine Kanäle über die ursprünglichen Links zwar weiterhin erreichbar, zu sehen ist jedoch überall das gleiche: ein Logo von “Anonymous” und ein programmatisches Bekennervideo des Kollektivs. Durch das Zutun des ehemaligen IT-Experten an der Seite des Holocaustleugners Hildmann gelangten die “Anonymous”-Hacker an weitere hochsensible Daten wie E-Mails und Kontakte in Hildmanns Adressbuch.

Anonymous bezeichnet die Daten als die "Hildmann-Chroniken"

Die Daten geben einen tiefen Einblick in die Welt des Coronaleugners und Antisemiten. “Anonymous” bezeichnet sie als „Hildmann-Chroniken”, zuerst berichtete die Nachrichtenplattform T-Online darüber. Die konkreten Inhalte sollen in den kommenden Tagen an Behörden und Presse weitergeleitet werden, erste pikante Details wurden jedoch bereits am Montag veröffentlicht.

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So soll aus den Daten unter anderem hervorgehen, welche Unternehmen die Zusammenarbeit mit Hildmann wegen dessen Radikalisierung aufgegeben haben und welche mit ihm weiterarbeiten und sich nicht öffentlich von Hildmanns Antisemitismus distanzieren wollen. Gleichzeitig berichten die Hacker von Personen, die öffentliche Ämter bekleiden und Hildmann in Chats ihre Mitarbeit angeboten haben sollen.

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Hildmann: "Es war keine Hack-Aktion, es war eine Überläuferaktion"

In einer Audionachricht auf Telegram erklärte der 40-Jährige: "Es war ja keine Hack-Aktion, es war eine Überläuferaktion. Da wurde nichts gehackt, da hatte nur jemand Zugang zu allen Daten und hat sie an den Mossad, BND und Antifa gegeben."

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Anonymous will auch Hinweise darauf haben, dass der Haftbefehl gegen Hildmann tatsächlich aus der Berliner Justiz durchgestochen worden sein soll – wodurch dem Verschwörungs-Extremisten die Flucht aus seinem Haus im brandenburgischen Wandlitz in die Türkei gelang. Die Staatsanwaltschaft ermittelt daher gegen „Unbekannt“ wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen – Hildmann soll vor seiner Flucht ins Ausland einen Tipp aus Berliner Justizkreisen bekommen haben.

Hacker erheben Vorwürfe gegen Polizei und Justiz

Eine Haftrichterin hatte am Nachmittag des 19. Februars, einem Freitag, einen Haftbefehl wegen des Verdachts der Volksverhetzung, öffentlicher Aufforderung zu Straftaten und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gegen Hildmann ausgestellt. Während die Staatsanwaltschaft darüber erst am Montag informiert worden sei, schrieb Hildmann in der Nacht zu Sonntag seinen Anhängern auf Telegram, dass er dringend untertauchen müsse. Nur wenige Menschen sollen zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem Haftbefehl gehabt haben.

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Die Hacker erheben auch schwere Vorwürfe gegen Polizei, Landeskriminalamt und Generalstaatsanwaltschaft. Der Informant “Kai”, Hildmanns früherer IT-Mann, soll demnach mutmaßlich justiziable Videos von der Hildmann-Plattform wtube.org an die Behörden weitergeleitet, jedoch keinerlei Reaktion erhalten haben.

Pikant: Im Hildmanns Adressbuch sollen sich neben mehr als 2000 Kontakten auch die Kontaktdaten  von mehr als zwei Dutzend Sexarbeiterinnen befunden haben – etwa zu "Escorts, Dominas Latex". Auch Hildmanns Shop-Seite, auf der er seinen veganen Energydrink Daisho vermarktet, ist betroffen. Anonymous erklärte nun auch: „Wir kennen das Basisrezept von Daisho.“

Bedrohungen und Beleidigungen gegen Volker Beck

Hildmann war Anfang August in Abwesenheit von einer Zivilkammer des Berliner Landgerichts dazu verurteilt worden, den Grünen-Politiker Volker Beck künftig nicht mehr zu bedrohen oder zu beleidigen. Andernfalls droht Hildmann ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft.

Hildmann hatte in Reden im Juli 2020 indirekt damit gedroht, wenn er Reichskanzler wäre, dann würde er die Todesstrafe für Volker Beck wieder einführen, indem man ihm "die Eier" zertrete auf einem öffentlichen Platz. Bereits Ende Juli hatte das Landgericht eine einstweilige Verfügung gegen Hildmann ausgesprochen und es ihm untersagt, Volker Beck antisemitisch zu beleidigen.

Nach negativer Kritik beschimpfte Hildmann Tagesspiegel-Autorin

Hildmann hatte als veganer Kochbuchautor Karriere gemacht, war im Fernsehen und fiel auch negativ auf – als Choleriker. 2017 beschimpfte er bei Facebook nach einer negativen Kritik über seinen Vegan-Imbiss eine Tagesspiegel-Autorin.

2018 bepöbelte er Polizisten, weil die an einem auf dem Gehweg falsch geparkten Auto einen Strafzettel hinterließen. Mehrere Einsatzkräfte mussten anrücken, er leistete Widerstand und wurde in Handschellen abgeführt.

Schon damals schrieb Hildmann: „Niemand wird mich brechen. Irgendwann regiere ich dieses Land, einschließlich der Exekutive.“ Im April 2020 begann Hildmann, Verschwörungstheorien über die Corona-Pandemie, aber auch antisemitische und nationalistische Propaganda zu verbreiten. Er rief seine Anhänger regelmäßig zu Kundgebungen auf.

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