zum Hauptinhalt
Vorrang für Radler: So sollen Fahrradstraßen in Berlin nach den Vorstellungen von Fahrrad-Aktivisten aussehen.

© Simulation: Volksentscheid Fahrrad/Jan Evertz

Ausbau der Fahrradwege stockt: Verkehrswende in Berlin auf dem Schleichweg

Bislang gibt es in Berlin 20 Fahrradstraßen, auf denen Radler Vorrang vor Autos genießen. Zu wenige, finden Aktivisten.

In ganz Treptow-Köpenick gibt es eine einzige Fahrradstraße – die Wiesenpromenade in Köpenick. Vor einem Jahr beantragte die BVV, die Einrichtung einer zweiten Straße zu prüfen. Bislang ohne Ergebnis, das Bezirksamt verweist auf den Senat, der wiederum auf den Bezirk.

„Eine einzige Fahrradstraße auf 270.000 Einwohner – das steht in keinem Verhältnis zur Bevölkerung“, sagt Sophie Lattke, Sprecherin des Netzwerkes Fahrradfreundliches Treptow-Köpenick. Mindestens drei weitere Straßenzüge würden sich eignen.

Am Sonntag demonstrierten 170 Radfahrer in Adlershof für die Einrichtung weiterer Fahrradstraßen, auf denen Radfahrer Vorrang haben gegenüber dem Autoverkehr. Bislang gibt es in Berlin nur 20 Fahrradstraßen. Auf der Gleimstraße und der Stargarder Straße in Prenzlauer Berg soll die nächste entstehen, die Prüfung läuft, aber auch hier lassen Ergebnisse auf sich warten.

Auf der Prinzregentenstraße kommt es seit Jahren zu Konflikten

Unterdessen werden bestehende Fahrradstraßen von vielen Autofahrern ignoriert. Sie verhalten sich wie auf normalen Straßen, obwohl Tempo 30 gilt und nur Anliegerverkehr erlaubt ist. Besonders auf der den Radfahrern gewidmeten Prinzregentenstraße in Wilmersdorf kommt es häufiger zu Konflikten. „Da müssten Poller eingebaut werden“, sagt Klaus Wittke aus Johannisthal, der mehrmals die Woche die Straße nutzt. „Das ist ein Schleichweg für die Bundesallee. Die Polizei kontrolliert das aber nicht.“

Vor Kurzem hatte ein Autofahrer gegen die Festsetzung der Prinzregenten- als Fahrradstraße geklagt, mit dem Argument, der Straßenzug werde nicht überwiegend von Radfahrern genutzt. Das Verwaltungsgericht wies die Klage aber zurück, die in beiden Richtungen befahrbare Straße sei an manchen Stellen nur 4,60 Meter breit. Das mache „Mischverkehr gefährlich“.

Der Durchgangsverkehr könne auf die parallel verlaufende Bundesallee ausweichen. Seit Jahren diskutiert der Bezirk, wie der Autoverkehr aus der Fahrradstraße herausgeholt werden kann – bislang ohne greifbares Ergebnis. Aktivisten plädieren seit Jahren für eine Sperre durch Poller in Höhe des Volksparks oder an der Einfahrt an der Ecke Wexstraße.

In den Bezirksämtern fehlt Personal zur Planung von Radwegen

Der Radverkehr hat im vergangenen Jahr wieder um neun Prozent zugenommen, sagt Andreas Paul vom ADFC auf der Demo in Adlershof, allerdings komme der von der rot-rot-grünen Koalition versprochene Aufbau der Infrastruktur für ein sicheres Radfahren nicht hinterher.

In den Bezirksämtern lautet die häufigste Antwort, es fehle an Personal zur Planung der Radwege. Dabei gibt es genügend professionelle Unternehmen, die das gerne übernehmen würden, wie die dänische Firma Ramboll, die die Ausschreibung für sechs der zehn Radschnellwege gewonnen hat.

Neben den Fahrradstraßen steht derzeit vor allem die Sicherheit an Baustellen im Mittelpunkt. Nach einem schweren Unfall in der vergangenen Woche hat der Verein Changing Cities, der aus dem Volksentscheid Fahrrad hervorgegangen ist, die Unfallstelle inspiziert. Wie berichtet, war ein 55-jähriger Radfahrer im Dunkeln in eine nicht gesicherte Baustelle auf einem Radweg in Lichtenberg gestürzt.

Ich glaube nicht, dass irgendjemand in den Bauämtern und im Senat die Sache mit der Verkehrswende in irgendeiner Weise ernst nimmt.

schreibt NutzerIn goobe

„Das geht so nicht", sagt Staatssekretär Streese

Bauarbeiter hatten vergessen, einen fast 20 Zentimeter hohen Absatz im Asphalt abzusperren. Nach Angaben von Changing Cities hat die Baustelle an der Straße Alt Friedrichsfelde eine Woche nach dem Unfall immer noch „schwere Mängel“. „Der Zweirichtungs-Geh- und Radweg ist zum Teil auf 1,2 Meter reduziert, während Pkw trotz Baustelle ungestört drei Spuren zur Verfügung haben“, teilte Ragnhild Sørensen von Changing Cities mit.

Dies verstoße gegen das von Rot-Rot-Grün verabschiedete Mobilitätsgesetz. Der Staatssekretär in der Verkehrsverwaltung, Ingmar Streese, soll nach Angaben des ADFC auf der Mitgliederversammlung des Fahrradclubs am Sonnabend im Tempodrom Mängel an dieser Baustelle eingeräumt haben: „Das geht so nicht.“

Paragraf 39 des Mobilitätsgesetzes sieht eine „sichere Radverkehrsführung“ vor

Tatsächlich sind derartige Baustellen Alltag für Radfahrer. Im Juli 2018 hatte das Netzwerk Fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg das Versprechen des Senats getestet, sofort auf Meldungen zu unsicheren Baustellen zu reagieren. Ergebnis: 79 Prozent der 100 Anfragen wurden nicht oder nur unvollständig bearbeitet. In diesem Jahr habe es eine minimale Verbesserung auf 76 Prozent gegeben.

Wie berichtet, gibt es seit zwei Jahren bei der Verkehrslenkung des Senats den E-Mail-Service „Baustellenmelder“. Melden könnte man auch die Prinzregentenstraße. Diese ist seit Wochen auf Höhe Güntzelstraße durch Bauzäune völlig abgeriegelt. Radfahrer radeln illegal über den Gehweg. Paragraf 39 des Mobilitätsgesetzes sieht eine „sichere Radverkehrsführung“ vor oder hilfsweise eine Umleitung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false