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Beate Ernst aus Zehlendorf.

© Wir Berlin

„Vermüllung und Vernachlässigung ganzer Kieze“ : Berlinerin aus Zehlendorf erhielt das Bundesverdienstkreuz für gesellschaftliches Engagement

Beate Ernst aus Berlin-Zehlendorf erhielt das Bundesverdienstkreuz für ihr gesellschaftliches Engagement. Hier spricht sie über Dreck, Ehrenamt, Pizzakartons und was ihr Hoffnung macht.

„Das Problem lag damals sprichwörtlich auf der Straße“, erinnert sich die Berlinerin Beate Ernst. „Die Vermüllung und daraus resultierend die Vernachlässigung ganzer Kieze war weit über die Grenzen Berlins hinaus ein Thema dieser Zeit.“ Vor zwölf Jahren hatte die Zehlendorferin schließlich genug und wurde aktiv: Sie begann mit Gleichgesinnten, die Stadt aufzuräumen. „Ganz sicher habe ich nicht darüber nachgedacht, ob ich irgendwann dafür einen Orden erhalten könnte.“ Doch den hat sie nun bekommen.

Am 9. Februar überreichte ihr Maren Schellenberg (Grüne), Bürgermeisterin von Steglitz-Zehlendorf, im Namen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Bundesverdienstkreuz. „Darauf bin ich sehr stolz“, sagt die 69-Jährige. Darüber berichtet der Tagesspiegel-Newsletter für Steglitz-Zehlendorf, dessen aktuelle Ausgabe es in voller Länge unter tagesspiegel.de/bezirke gibt.

„Ich bin eine Engagierte in der ersten Reihe – aber dahinter stehen viele Aktive, daher ist es eine Auszeichnung für das gesamte Engagement.“ Die öffentliche Würdigung tue gut. Vor allem, weil „Engagement immer noch gesellschaftlich und politisch zu wenig geschätzt und anerkannt wird“. Dabei sei die Stadtgesellschaft auf den ehrenamtlichen Einsatz der Bürgerinnen und Bürger angewiesen.

„Zunächst haben wir uns vor allem um das Thema Hundekot und den Zustand von Parkanlagen und auch Straßen gekümmert“, erläutert Beate Ernst. Die erste Aktion im öffentlichen Raum fand 2011 statt: „Friedenau räumt auf“, hieß sie. Aus der erfolgreichen Premiere entstand dann im September des gleichen Jahres der erste berlinweite Aktionstag „Berlin – unsere saubere Stadt: Mach mit!“. Und Berlin machte mit.

1500 Menschen kamen und sammelten Müll auf

Der Aktionstag, zu dem seitdem jeden Herbst im Rahmen des World Cleanup Days aufgerufen wird, wurde ein großer Erfolg: 2020 beteiligten sich etwa 95.000 Aktive an 2700 Aufräumaktionen.

„Wir haben damals das Brandenburger Tor aus gebrauchten Pizzakartons nachgebaut“, erzählt Beate Ernst. Das „Müllburger Tor“ habe dann lange im Strandbad Plötzensee gestanden, es sei sogar nachts bunt angestrahlt worden.

Brandenburger Tor aus Pizzakartons

Dass der Tor-Nachbau aus Pizzakartons bestand, war kein Zufall: In den langen Corona-Monaten sei immer mehr Verpackungsmüll auf die Straßen und ins Stadtgrün geworfen worden. „Selbst Probleme, die schon besser gelöst erschienen, sind wieder sichtbar“, sagt Organisatorin Ernst und fügt hinzu: „Zum Beispiel die Kaffee-to-go-Becher“.

Sie sei es nicht leid, anderen Jahr für Jahr hinterherzuräumen, sagt die ehemalige Lehrerin; zwanzig Jahre lang hat sie am Albert-Einstein Gymnasium in Neukölln Mathematik und Politik unterrichtet. Natürlich wäre es besser, wenn weniger Abfall produziert und er dann ordnungsgemäß entsorgt werden würde. Sie setzt auf Aufklärung, Kommunikation und die steigende Motivation, gemeinsam aktiv zu sein – von den Aktionstagen über die Haltet-die-Gewässer-sauber-Kampagne „Alles im Fluss“ bis zum Plakate-Wettbewerb für Kinder.

„Besonders freuen wir uns darüber, dass die Beteiligten immer jünger geworden sind im Laufe der Jahre und dass die Thematik des Umweltschutzes so gut ankommt.“ Beate Ernst ist froh, dass sich immer mehr Menschen engagieren – nicht nur, weil dann am Aktionstag mehr Müll von den Straßen, Ufern und Grünanlagen geschafft werden kann. Denn: „Diejenigen, die an Aktionen teilgenommen haben, verhalten sich in der Regel danach anders im öffentlichen Raum, und das finde ich eigentlich den größten Erfolg.“

Um die immer größer werdenden Aktionen besser koordinieren und Fördergelder einwerben zu können, gründete die Gruppe um Beate Ernst im Jahr 2013 den Verein „Wir Berlin“. Bald kamen Angestellte hinzu, und der Verein wurde 2019 in eine gemeinnützige GmbH überführt. Aktuell sind drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei „Wir Berlin“ fest angestellt. Die „Wir Berlin“-Gründerin hofft, dass es bald wieder fünf sind – es gäbe genug zu tun. Doch weil sich die Initiative über befristete Förderungen trägt, sei es zu Beginn eines Jahres immer ein Va¬banque¬spiel für die Beschäftigten: Gibt es Geld? Wann kommt die Zusage? Wann ist die Förderung auf dem Konto?

„Ich beklage sehr, dass es in dieser Stadt keine institutionalisierte Förderung für gestandene Initiativen wie unsere gibt“, sagt die Zehlendorferin. Doch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an sie mache Mut, sie sei ein Signal: „Es wird eben doch gesehen, was man tut.“

Sie wollen mehr aus Steglitz-Zehlendorf lesen? Gerne. Den Bezirksnewsletter vom Tagesspiegel für den Berliner Südwesten gibt es einmal pro Woche, mit aktuellen Bezirksnachrichten, Kiez-Debatten, vielen Terminen und Tipps. Die aktuelle Ausgabe gibt es unter tagesspiegel.de/bezirke - wie für alle anderen Berliner Bezirke. Wir freuen uns auf Sie! Hier einige der aktuellen Themen aus Steglitz-Zehlendorf im Bezirksnewsletter

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...und noch viel mehr im Tagesspiegel-Newsletter für Steglitz-Zehlendorf unter tagesspiegel.de/bezirke.

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