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Der Berliner Senat hat den Mietendeckel-Entwurf bereits beschlossen.

© Paul Zinken/dpa

Update

Verstößt Berliner Gesetz gegen Verfassung?: Bundesinnenministerium stellt Mietendeckel vernichtendes Gutachten aus

Das Innenministerium prüft, ob Gesetze mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das Ergebnis beim Mietendeckel ist eindeutig. Die Linke spricht von schlechtem Stil.

Das von Horst Seehofer (CSU) geführte Bundesinnenministerium hält den von der rot-rot-grünen Koalition geplanten Mietendeckel für grundgesetzwidrig. Das geht aus einem 13-seitigen internen Gutachten des Ministeriums hervor.

Es handelt sich um eine "verfassungsrechtliche Bewertung" des Ministeriums. Demnach verstößt der vom Senat beschlossene Entwurf, der noch durch das Abgeordnetenhaus muss, in mehreren Punkten gegen das Grundgesetz.

Als sogenanntes Verfassungsressort ist das Bundesinnenministerium für die Einhaltung der Rechtsordnung zuständig und prüft daraufhin bereits Entwürfe in Gesetzgebungsverfahren.

Der Gesetzentwurf greife in die vom Grundgesetz geschützte Eigentumsfreiheit der Wohnungseigentümer und ihre Vertragsfreiheit ein. Zwar liege der gesetzgeberische Zweck, durch die Begrenzung der Miethöhe der Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen entgegenzuwirken, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes im öffentlichen Interesse, die Verhinderung der Gentrifizierung sei nämlich ein Gemeinwohlbelang. Und das Gesetz dürfte nach Ansicht das Ministeriums auch geeignet und erforderlich sein, diesen Zweck zu erreichen.

Doch problematisch sei die Zumutbarkeit: Ob die im Grundgesetz geschützten Interessen der Eigentümer derart weit in den Hintergrund gestellt werden dürfen, wie es der Berliner Gesetzentwurf vorsieht, sei zweifelhaft. Ein weiteres Problem: Vom Mietenstopp würden unterschiedslos alle Vermieter erfasst, auch solche, die bislang nur geringe Mieten verlangt haben. Dies ist nach dem Gleichheitsgrundsatz problematisch.

Ein weiteres Problem aus Sicht des Ministeriums: Die Mietobergrenze versetze die zulässige Miete auf den Stand des Mietspiegels von 2013, der auf auf den Mieten der Jahre 2008-2012 basiere. Die seit dieser Zeit gestiegenen Preise – im Baugewerbe für Instandhaltung sowie sonstige für das Grundeigentum typische Kosten – blieben im Gesetz unberücksichtigt.

[Ist der Mietendeckel sinnvoll? Ja, denn steigende Mieten sind kein Naturgesetz, findet Ariane Bemmer. Lesen Sie hier den Pro-Kommentar.]

Auch deshalb erscheine die Kappung zu hoher Bestandsmieten („Wuchermiete“) problematisch. Bezugspunkt sei hier erneut die 2013 ortsübliche Miete. Ob 120 Prozent der 2013 ortsüblichen Miete bereits als Grenze zur „Wuchermiete“ angesehen werden kann, sei ebenfalls zweifelhaft.

Das Papier des Bundesinnenministeriums können Sie hier als pdf herunterladen.

Daneben fehle es an einer gesetzlichen Absicherung für Eigentümer, um eine „verfassungswidrige Substanzverletzung“ auszuschließen, wenn Eigentümer und Vermieter erhebliche Investitionen wie energetische Sanierung getätigt haben. Eine Abmilderung sei lediglich über eine Härtefallklausel möglich.

[Ist der Mietendeckel sinnvoll? Nein, denn Schwächere schauen in die Röhre, findet Antje Sirleschtov. Lesen Sie hier den Contra-Kommentar.]

Zudem sei durch den Gesetzentwurf selbst nicht abgesichert, „dass durch die Vermietung auch ein Ertrag, der zur finanziellen Grundlage für die eigene Lebensgestaltung beiträgt, erwirtschaftet werden kann“.

Der Mietendeckel und die Kritik daran:

  • Der rot-rot-grüne Berliner Senat hat den Mietendeckel-Entwurf beschlossen
  • Laut einem Gutachten des Bundesinnenministeriums ist der Mietendeckel verfassungswidrig
  • Das Gutachten beruft sich unter anderem auf die geschützte Eigentumsfreiheit der Eigentümer
  • Die Mietobergrenze ist aus Sicht des Ministeriums ein Problem
  • CDU-Landeschef Kai Wegner sieht sich bestätigt

Grundsätzlich befindet das Bundesinnenministerium, dass das Land Berlin gar nicht berechtigt sei, ein solches Gesetz zum Mietendeckel zu erlassen. Der Bund habe mit der Regelung des Mietpreisrechts auf dem freien Wohnungsmarkt von seiner Kompetenz abschließend Gebrauch gemacht – etwa mit der Mietpreisbremse in Regionen mit besonders angespanntem Wohnungsmarkt.  

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Demnach darf die Miete in diesen Gebieten zu Beginn des Mietvertrags die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10 Prozent übersteigen. „Die Mietpreisbegrenzung wurde damit durch den Bund umfassend und abschließend geregelt“, heißt es in dem Gutachten. Eine Gesetzgebungskompetenz der Länder sei daher gesperrt.

Eins steht fest, klarer Gewinner des Mietendeckels sind die Anwaltskanzleien.

schreibt NutzerIn Urbi_et_Orbi

Wegner: „Das Gutachten entlarvt den Berliner Mietendeckel als eindeutig verfassungswidrig“

Der Berliner Mietendeckel würde durch eine „auf Spezialzuständigkeiten gründende“ Einzelentscheidung die bundesrechtlichen Regelungen zur Mietpreisbremse verfälschen. Vermieter würden damit in ihren im Bundesrecht festgelegten Rechten eingeschränkt. „Dies wäre ein Verstoß gegen die bundesstaatliche Kompetenzordnung, die alle rechtsetzenden Organe dazu verpflichtet, ihre Regelungen so aufeinander abzustimmen, dass die Rechtsordnung nicht aufgrund unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich wird“, heißt es in dem Gutachten.

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Der Berliner CDU-Landeschef Kai Wegner sieht sich bestätigt. „Das Gutachten entlarvt den Berliner Mietendeckel als eindeutig verfassungswidrig. Rot-Rot-Grün muss spätestens jetzt zur Besinnung kommen“, sagte Wegner. Der Mietendeckel gehöre in den Papierkorb. Alles andere wäre unverantwortlich gegenüber Mietern und Vermietern.

„Statt Energien für ein Gesetz zu verschwenden, das spätestens vor Gericht scheitert, sollte Rot-Rot-Grün endlich die Baubremsen in Berlin lösen“, sagte Wegner. Mieten blieben nur dann bezahlbar, wenn der erhöhten Wohnungsnachfrage auch ein höheres Wohnungsangebot entgegengestellt werde. „Auch die Mietpreisbremse des Bundes bleibt in Berlin nur stehen, wenn der Mietendeckel fällt.“

Die Linken im Bundestag übten scharfe Kritik an der gezielten öffentlichen Verbreitung der „internen Aufstellung zum Mietendeckel von einzelnen Juristen im Bundesministerium des Inneren unter dem Deckmantel, das Gesetz sei begutachten worden“. Das sei irreführend, sagte Fraktionsvizechefin Caren Lay.

Lay liegt eine Antwort aus dem CSU-geführten Ministerium auf eine parlamentarische Anfrage der Linken vor. Darin schreibt das Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat: „Eine Veröffentlichung der im Rahmen der internen Prüfung des Bundesministeriums des Innern für Bauen und Heimat erstellten Aufzeichnung ist nicht vorgesehen“.

Lay sagte dem Tagesspiegel: "Das Innenministerium führt eine politische Kampagne gegen den Mietendeckel.“ Dem Parlament werde der Inhalt des „zum Gutachten aufgeblasen Papiers“ des Ministeriums vorenthalten.

Die Antwort, die Regierung äußere sich aus Rücksicht auf das laufende Gesetzgebungsverfahren nicht, werde durch in der Presse verbreitete „Meinungen aus dem Hause Seehofers“ konterkariert. „Das ist schlechter Stil des CSU-Ministeriums und politisch motiviert gegen den rot-rot-grünen Mietendeckel“, sagte die Linken-Politikerin.

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