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Emil-Fischer-Hörsaal der Humboldt-Universität und herausgerissene Bänke.

© Matthias Heyde/privat

Update

Verwüsteter Hörsaal an der Berliner Humboldt-Universität: Beteiligte Studierende können nicht nach verschärftem Recht sanktioniert werden

Antisemitische Schmierereien und ein hoher Sachschaden sind das Ergebnis der jüngsten Besetzung an der HU. Nach geltender Ordnung kann die Uni Hausverbote gegen beteiligte Studierende aussprechen. Wie viele das sind, ist noch nicht bekannt.

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Ein nachgebauter historischer Hörsaal der Berliner Humboldt-Universität (HU) wurde nach der Besetzung mehrerer vermeintlicher Palästina-Unterstützer im vergangenen Monat verwüstet. Nun stellt sich die Frage, wie mutmaßlich beteiligte HU-Studierende von der Uni sanktioniert werden können. Das verschärfte Ordnungsrecht, das in Folge des gewalttätigen antisemitischen Angriffs auf den Berliner Studierenden Lahav Shapira eingeführt worden war, ist an der HU noch nicht Kraft.

Nach dem neuen Ordnungsrecht an Berliner Hochschulen kann die Universität bei schweren Verstößen Studierende etwa vom Lehrbetrieb ausschließen oder rügen. Exmatrikulation ist nur dann möglich, wenn eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung gegen eine:n Studierende:n vorliegt.

Um das verschärfte Ordnungsrecht anwenden zu können, müssen die Unis jedoch neue Satzungen verabschieden. Bevor sie in Kraft treten, müssen sie durch die Uni-Gremien, vergleichbar mit Verfassungsänderungen. Die neuen Satzungen schreibt das Berliner Hochschulgesetz vor. Dort heißt es, dass über die „Ordnungsmaßnahmen“, sprich die bald möglichen mehrstufigen Sanktionen, „über ein förmliches Verfahren“ innerhalb der Uni entschieden werden müsse.

Die Satzung mit dem neuen Ordnungsrecht werde dem Akademischen Senat am 27. Mai vorgelegt, sagte eine HU-Sprecherin dem Tagesspiegel. Sie dürfte dann zeitnah verabschiedet werden.

HU wartet noch auf Angaben der Polizei

Auf mutmaßliche HU-Studierende, die im Emil-Fischer-Hörsaal randalierten, werden die schärferen Sanktionen jedoch nicht anzuwenden sein, weil die entsprechende Satzung zum Zeitpunkt der Besetzung noch nicht in Kraft war.

Nach der alten Satzung ist es möglich, ein dreimonatiges Hausverbot auszusprechen, das auch verlängert werden kann. Diese Handhabe nutzte auch die Freie Universität gegen den Angreifer von Lahav Shapira.

Allerdings liegen der HU laut einer Sprecherin bislang keine Angaben dazu vor, wer und wie viele HU-Studierende sich an der Randale beteiligt haben. Die Polizei sei dazu angefragt.

Julia von Blumenthal sagte dem Tagesspiegel mit Blick auf alle, also auch externe, Beteiligte: „Wenn es mit Unterstützung der Ermittlungsbehörden möglich ist, Schadenshandlungen einzelnen Personen zuzuordnen, wird die HU zivilrechtliche Schadenersatzansprüche gegen diese geltend machen.“ Die HU habe bereits einen Strafantrag gegen all jene gestellt, die sich im Emil-Fischer-Hörsaal verschanzt hatten.

Hausverbote können verhängt werden

Außerdem habe man Strafanzeige erstattet, so die HU-Präsidentin, die Polizei ermittle bereits von Amts wegen. Würden beteiligte HU-Studierende ermittelt, werde man Hausverbote aussprechen.

Die Unis berichten, dass in der Vergangenheit meist nur wenige Studierende an Campus-Protesten aus der radikalen Palästina-Szene beteiligt seien, viele Randalierer seien Externe.

Der Gesetzgeber hätte das Verfahren für Ordnungsmaßnahmen für alle Hochschulen einheitlich im Gesetz regeln können und sollen.

Julia von Blumenthal, HU-Präsidentin zur Durchsetzung des verschärften Ordnungsrechts

Von Blumenthal sieht bei der Einführung des neuen Ordnungsrechts durch die Politik indes Mängel. Das förmliche Verfahren, um Ordnungsmaßnahmen gegen Studierende vorzunehmen, hätte der Gesetzgeber „für alle Hochschulen einheitlich im Gesetz regeln können und sollen“, anstatt es ihnen selbst per interner Satzungsänderung aufzutragen. „Da es hier potenziell um Grundrechtseingriffe geht, habe ich das von Anfang an kritisch gesehen“, so von Blumenthal.

Damit dürfte etwa die Maßnahme gemeint sein, eigenmächtig Studierende von Lehrveranstaltungen auszuschließen. Dies steht im Konflikt zu der grundgesetzlich verbrieften freien Berufs- und Studienwahl. Gegen solche Uni-Beschlüsse könnten Betroffene daher klagen.

Bei der Besetzung des Emil-Fischer-Hörsaals rissen die Aktivist:innen Bänke heraus, beschmierten Wände mit Hamas-Symbolen und israelfeindliche Parolen. Für jüdische Studierende an den Berliner Unis schaffen die vermeintlich pro-palästinensischen Aktionen ein feindliches Klima. Sie berichten von Anfeindungen, Ausgrenzungen, Ängsten.

Der historische Saal steht für ein bedeutendes Stück Berliner Wissenschaftsgeschichte. 1892 knüpfte Emil Fischer, damals ein führender deutscher Chemiker und späterer Nobelpreisträger, an seine Zusage an die Berliner Universität eine Bedingung: ein neues Chemisches Institut, um den gestiegenen Ansprüchen an Forschung und Lehre gerecht zu werden. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Saal schwer beschädigt, später komplett nachgebaut und Fischer gewidmet.

Die Besetzung im April war nicht die erste an der HU. Bereits im Mai 2024 wurde das Institut für Sozialwissenschaften besetzt und verwüstet. Der Sachschaden für beide Besetzungen liegt nach HU-Schätzungen bei insgesamt bis zu 250.000 Euro.

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