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Die Besuchsregelung in Pflegeheimen mache inzwischen gar keinen Sinn mehr, sagt Caritas-Sprecherin Claudia Appelt.

© Christoph Schmidt/dpa

„Viele sind enttäuscht und traurig“: Caritas will Berliner Pflegeheime nach Impfung für Besuche öffnen

In den Heimen gelten strenge Regeln: Oft dürfen Bewohner nur einen Besuch pro Tag für eine Stunde empfangen. Daran gibt es Kritik – die Schutzkonzepte sind da.

Von Sandra Dassler

Sie haben Monate lang alles ertragen: die Angst, die Isolation, die Trennung von ihren Lieben. Länger als ein Jahr lang mussten die Bewohner von Alten- und Pflegeeinrichtungen auf viele Kontakte, Besuche, Sport- und andere Freizeitaktivitäten verzichten. Ihre große Hoffnung waren die Impfungen gegen das für sie so gefährliche Coronavirus.

Jetzt sind alle Heimbewohner, die das wollten, zweimal geimpft, aber die meisten Einschränkungen bestehen noch immer. „Viele sind deshalb enttäuscht und traurig“, sagt Claudia Appelt, die Pressesprecherin der Caritas-Altenhilfe, die in Berlin acht und in Brandenburg vier Altenpflegeeinrichtungen betreibt: „So darf beispielsweise auch weiterhin nur ein Besucher pro Tag für eine Stunde in der Einrichtung empfangen werden. Das macht inzwischen gar keinen Sinn mehr.“

Am meisten ärgern sich die Verantwortlichen bei der Caritas-Altenhilfe darüber, dass sie schon vor Wochen ein an die neuen Bedingungen angepasstes Schutzkonzept entwickelt haben, was aber bisher zu keinerlei Reaktionen bei den zuständigen Behörden geführt hat.

„Wir haben unser Konzept sehr gewissenhaft erarbeitet und sogar mit dem Virologen und Epidemiologen Alexander S. Kekulé aus Halle abgestimmt“, sagt Claudia Appelt: „Aber die Senatsgesundheitsverwaltung teilte uns mit, dass sie darüber nicht entscheiden könne und wir uns deshalb an die jeweiligen Gesundheitsämter wenden sollen.“

Caritas wartet seit Februar auf Reaktion von Gesundheitsämtern

Die Altenhilfe legte ihr Konzept daraufhin bereits Ende Februar zwei Berliner Gesundheitsämtern vor – eine Reaktion erhielt sie bis heute nicht. „Dabei haben viele unserer Bewohner ja nicht unendlich Zeit“, sagt Claudia Appelt: „Und man könnte ihnen inzwischen ohne Risiko den Alltag wieder etwas erleichtern.“

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Sie erläutert das Schutzkonzept am Beispiel einer Senioreneinrichtung in Reinickendorf: Dort hatten bereits am 4. Februar 79 von 83 Heimbewohnern ihre zweite Impfung erhalten. Die restlichen vier konnten oder wollten sich nicht impfen lassen. Von den Pflegekräften hätten sich etwa 90 Prozent die Corona-Schutzimpfung geben lassen.

Unter diesen Bedingungen sei nicht nachvollziehbar, warum die geimpften Heimbewohner nach wie vor Masken tragen müssten, wenn sie ihre Zimmer verließen, sagt Claudia Appelt: „Auch wenn eine geimpfte Pflegekraft eine geimpfte Bewohnerin wäscht oder duscht, ist die Maske immer noch Vorschrift. Diese Entscheidung kann man doch inzwischen wieder den Menschen selbst überlassen.“

Unter der Maske sieht man das Lächeln nicht

Pflege sei Beziehungsarbeit und lebe auch von der Mimik und den Emotionen. So könne man durch die Maske etwa ein Lächeln nur schlecht oder gar nicht sehen. Hinzu komme, dass nicht wenige ältere Menschen schwerhörig seien und deshalb viel von den Lippen ihres Gegenübers ablesen würden. Aber auch für das Pflegepersonal sei das Tragen der Maske bei der oft schweren körperlichen Arbeit schon sehr belastend.

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Als unsinnig erweise sich inzwischen auch die Regelung, wonach sich ein Besucher nicht länger als eine Stunde bei seinem Angehörigen im Innern der Einrichtung aufhalten darf. Schließlich müsse jeder einen aktuellen Corona-Test vorlegen oder werde im Heim selbst getestet. Und eine Ansteckung, die zu einem schweren oder gar lebensbedrohlichen Krankheitsverlauf führe, sei ja bei den Geimpften nach bisherigem Wissensstand ohnehin nicht möglich.

Die Senatsgesundheitsverwaltung verwies am Mittwoch nach einer Anfrage des Tagesspiegel auf die Mitte März beschlossenen Lockerungen für die Einrichtungen. Danach dürfen etwa Gruppenangebote wie Singen, Tanzen, Theater und Sport in geschlossenen Räumen mit einer Obergrenze von bis zu zehn Personen und bei Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln wieder stattfinden.

Das bedeute in der Praxis, dass die Bewohner nach wie vor nur mit wenigen anderen Personen Kontakt hätten, sagt Claudia Appelt: „Wenn man ein Jahr lang immer nur die gleichen Menschen sieht – Sie glauben nicht, wie groß die Sehnsucht sein kann, auch mal wieder mit vielen anderen zusammen im Speisesaal zu sitzen.“

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