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Nur die Ruhe. Der zukünftige Imker Vasilji Vitrak lernt bei „Bienen-Guru“ Benedikt Polaczek, wie Völkerverständigung funktioniert.

© Thilo Rückeis

Bienenzüchten in Berlin: "Vielen Hobbyimkern fehlt das Basiswissen"

Bienenzüchten mitten in der Stadt ist zum Trend geworden wie Gärtnern oder Bierbrauen. Oft fehlt aber das Wissen über die Insekten.

Vasilji Vitrak hat keine Angst vor Sticheleien. Der 31-jährige öffnet die Abdeckung eines Bienenstocks und zieht eine Honigwabe heraus, auf der sich laut summend etliche Bienen wimmeln. Statt Schutzanzug, Imkerhut und Handschuhen trägt Vitrak Jeans und T-Shirt. Seine Dreadlocks hat er zu einem Knoten zusammengebunden. Auch wenn es in Berlin noch einmal ein bisschen wärmer werden soll – das Schwirren im Garten der Freien Universität in der Königin- Luise-Straßen hat deutlich abgenommen. Die Bienen bereiten sich auf den Winter vor. Vasilji Vitrak überprüft den Futter- und Brutbestand im Bienenstock. „Sieht alles wunderbar aus“, sagt er.

Imkern ist schon lange kein Altherrenhobby mehr. Bereits seit einigen Jahren summt und brummt es von Berlins Dächern und Balkonen, selbst im Innenhof des Bundestages stehen Bienenkisten. In Berlin gibt es 1300 im Imkerverband organisierte Bienenhalter und schätzungsweise 500 bis 700 nicht organisierte Imker. Nach Bierbrauen und Kleingärtnern ist nun auch das Imkern zum urbanen Trend geworden, immer mehr Städter halten eigene Bienen. Im Internet finden sich Anleitungen zur Herstellung von Bartpflegeprodukte aus Bienenwachs, auf Instagram zeigen junge Hobbyimker ihre Fotos unter dem Hashtag „beecool“.

Bienen-Guru als Lehrmeister

Den jungen Stadtimkern geht es längst nicht nur um den Honig. Wer Bienen hält, will damit meistens auch ein bisschen die Welt retten. Mit einer Bienenbox auf den Balkon wollen die Freizeitimker etwas gegen das Bienensterben und für den Umweltschutz tun. Eigentlich eine erfreuliche Entwicklung. Doch wer das Imkern nie gelernt hat, läuft Gefahr, den fleißigen Insekten mehr zu schaden als zu helfen. „Vielen Hobbyimkern fehlt das Basiswissen“, sagt Jungimker Vasilji Vitrak und schiebt die inspizierte Honigwabe zurück in den Bienenstock. Seine eigene Faszination führt er auf seine Kindheit in der ehemaligen Sowjetunion zurück, wo er mit dem brummenden Geräusch von Bienen im Garten seines Opas aufwuchs.

Nach dem Abitur probierte Vitrak dann viel aus, so richtig glücklich machte ihn aber keiner seiner Jobs. Auf die Idee mit den Bienen kam er bei der Beschäftigung mit dem Kleingarten, den er mit seiner Freundin in Zehlendorf bewirtschaftet. Um sich Starthilfe zu suchen, wandte er sich an den örtlichen Imkerverein. Dort traf er Imkermeister Benedikt Polaczek, den er witzelnd den „Bienen-Guru“ nennt. Denn wer in Berlin imkert, kommt an Polaczek kaum vorbei: Der 61-jährige ist Vorsitzender des Berliner Imkerverbands, Vorsitzender des Zehlendorfer Imkervereins und promovierter Agrarwissenschaftler. Seit einem Jahr ist er zudem Lehrmeister. Vitrak macht am Institut für Veterinär-Biochemie der FU eine Ausbildung zum Tierwirt mit Fachrichtung Imkerei. Das Ganze dauert zwei bis drei Jahre.

Vasilij Vitriak beim Schleudern von Honig im NatLab.
Vasilij Vitriak beim Schleudern von Honig im NatLab.

© Thilo Rückeis

Je nach Jahreszeit brauchen Bienen bestimmte Fürsorge. „Viele kaufen sich einfach eine Bienenwohnung, ohne zu wissen, dass die Tiere Arbeit machen“, sagt Polaczek. Er hat sich hinter Vasilji Vitrak an den Bienenstock gestellt und begutachtet, wie sein Schüler den Schwarm untersucht. „Imker müssen dafür sorgen, dass ihre Bienen gesund sind und gefüttert werden“, sagt Polaczek. Bis zu 50 000 Tiere leben in einem Volk, das kann einen Freizeitimker schon mal überfordern. Erst letztens habe ihn eine Halterin angerufen und geklagt: „Die ganze Nachbarschaft hat Angst, die Bienen sind überall.“ Sie habe nicht gewusst, dass sich die Tiere im Sommer explosionsartig vermehren können. Und im Internet habe sie gelesen, dass sie sich nach dem Kauf um nichts mehr zu kümmern brauche.

Gefährliche Unwissenheit

Polaczek hält die Unwissenheit für gefährlich. „Wenn ich die Biologie der Bienen nicht kenne, kann ich ihnen auch nicht helfen“, sagt er und lässt eine Drohne über seine Hand krabbeln. Die Flügel der männlichen Biene sind durch die Varroamilbe verkümmert. Der Parasit überträgt Viren, geschlüpfte Bienen erkranken oder verkümmern. In Europa sind alle Bienenvölker damit infiziert. Deshalb behandeln Imker ihre Völker mit Varroaziden, weichen und harten chemischen Mitteln, die die Milben abtöten. Unerfahrene Imker merkten häufig gar nicht, dass ihr Volk von der Milbe befallen sei oder wüssten nicht wie man sie bekämpft, beklagt Polaczek. „Das lernt man nicht auf Youtube.“

Imkern ist ein Zusammenspiel aus Tradition, Handwerk und Wissen, und Polaczek gibt diese Lehre an seinen Schüler weiter. Vasilji Vitrak fasziniert die Ursprünglichkeit des Berufs. Als Züchter muss er sich nach den Jahreszeiten richten, auf die Natur hören. „Beim Imkern habe ich das Gefühl, ich zu sein“, fügt er hinzu. Benedikt Polaczek beobachtet, wie sein Lehrling behutsam den Deckel auf den Bienenstock legt, um bloß keine der Honigbienen zu verletzen. „Ich glaube, du könntest inzwischen gar nicht mehr ohne die Bienen sein“, sagt Polaczek und klingt stolz dabei.

Miriam Dahlinger

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