
© dpa/Silas Stein
Vier Beamte in Berlin angeklagt: Polizist misshandelt Mann in Alex-Wache – Ex-Kollegen belasten ihn schwer
Ein Polizist soll im Sommer 2021 einen Mann auf der Wache am Alexanderplatz mehrfach brutal ins Gesicht geschlagen haben. Seine drei Ex-Kollegen schildern ihre Fassungslosigkeit – weisen aber alle Schuld von sich.
Stand:
Er wünschte, er sei in jener Nacht nicht im Dienst gewesen, sagt Müslüm K. am Ende seiner Aussage vor Gericht. Seine Hände zittern, die Stimme stockt. Jene Nacht, das war der 16. Juli 2021. Damals soll K.s früherer Kollege, Abdullah I., den 21-jährigen Abdul M. ohne jeden Anlass mehrfach schwer misshandelt haben. K. und I. waren damals Polizisten der Berliner Alex-Wache, einer mobilen Polizeistation auf dem gleichnamigen Platz.
Das Opfer Abdul M. wollte an jenem 16. Juli gegen 2.10 Uhr einen verlorenen Geldbeutel melden. Der frühere Polizist I. soll ihn laut Anklage mehrfach geschlagen haben. Seine drei Kollegen sollen mitgemacht und die Tat anschließend vertuscht haben. Seit Montag müssen sich die vier vor Gericht verantworten.
Körperverletzung und Nötigung
Abdullah I. wird unter anderem Körperverletzung und Nötigung vorgeworfen. Die anderen drei Beamten sind wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung im Amt angeklagt, in einem Fall in Tateinheit mit Verfolgung Unschuldiger, Nötigung im Amt und Freiheitsberaubung.
Ich war völlig fassungslos und wie in Schockstarre.
Der Mitangeklagte Maximilian S.
Der Hauptangeklagte I. schwieg am Montag vor Gericht. Anders seine drei Mitangeklagten. Die beiden Polizisten Maximilian S. und Amos E. waren an jenem Abend mit einer Funkstreife unterwegs – und nur zufällig vor Ort. Müslüm K. war in jener Nacht Wachleiter. Die drei mitangeklagten Polizisten wurden im Frühjahr 2024 vom Dienst suspendiert.
Der Hauptanklagte I. hatte den Dienst da schon freiwillig verlassen: Er wurde bereits 2022 in erster Instanz zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt, weil er für eine Kokainbande Dokumente gefälscht und Daten abgefragt haben soll. Das Urteil ist bislang nicht rechtskräftig.
Die drei Mitangeklagten schilderten am Montag übereinstimmend, dass der Geschädigte M. stark alkoholisiert gewesen und mit dem Beamten Abdullah I. vor der Wache in Streit geraten sei. Alle drei seien dazu gekommen, um sie Situation zu schlichten – nicht zu eskalieren. „Ich bin Schutzpolizist geworden, um zu helfen – genau das wollte ich machen“, sagte Maximilian S. schluchzend und sichtlich bewegt.
Polizist I. soll Dokumente für eine Kokainbande gefälscht haben
Abdul M. habe den Beamten I. unter anderem mit dem Spruch „Ich ficke dich“ beleidigt. Das sei aber Alltag für die Kräfte der Alex-Wache, schilderte der damalige Wachleiter K. „Wir werden am Alexanderplatz regelmäßig bedroht, beleidigt oder auch attackiert, darauf sind wir vorbereitet“, sagte auch Schutzpolizist Amos E.
Für alle übrigen völlig unvermittelt habe Abdullah I. dann, an den Kollegen vorbei, dem 21-Jährigen mit der Faust ins Gesicht geschlagen. „Ich war völlig fassungslos und wie in Schockstarre“, sagte Maximilian S. Niemand der übrigen drei habe gewusst, wie man in so einer Situation reagieren soll. „Für mich war überhaupt nicht vorstellbar, dass ein Kollege einfach einen Bürger schlägt“, sagte Müslüm K.
Das Opfer verlor zeitweilig das Bewusstsein
Für die drei Mitangeklagten sei die Situation dann erst einmal vorbei gewesen. Dann habe Abdul M. allerdings sein Handy und ein Feuerzeug dem Hauptangeklagten I. ins Gesicht geworfen und diesen dadurch verletzt. Die übrigen drei hätten versucht, den 21-Jährigen auf den Boden zu bringen und zu sichern. Dabei habe Abdullah I. aber erneut völlig unerwartet auf ihn eingeschlagen und ihm unter anderem mehrfach ins Gesicht geboxt. Abdul M. verlor zwischenzeitlich das Bewusstsein..
Schutzpolizist E. habe dann einen Rettungswagen alarmiert, der auch rasch gekommen sei. Zwischenzeitlich hatten die Beamten Anzeige wegen Körperverletzung gegenüber I. aufgenommen. M. sollte Blut abgenommen werden, um seinen Alkoholwert zu bestimmen. Der 21-Jährige soll freiwillig zugestimmt haben – gegenüber Abdullah I., der selbst Geschädigter in dem Verfahren war und ihn zuvor verprügelt hatte.
Im Anschluss wollten die drei Mitangeklagten Anzeige gegen ihren Kollegen Abdullah I. wegen Körperverletzung im Amt erstatten. Dazu habe es mehrfach Gespräche mit den Vorgesetzten gegeben. „Wir waren uns alle einig, dass das verfolgt werden muss“, sagte Amos E. Ihnen sei zugesichert worden, dass die Anzeige aufgenommen würde.
Warum diese Anzeige, so sie denn erfolgt ist, nicht weiter verfolgt wurde, wird sich womöglich am kommenden Montag klären. Dann sind unter anderem die Vorgesetzten und der Geschädigte M. als Zeugen geladen.
Quiz: Körperverletzung, Einbruch, Raub – wo ist Berlin am gefährlichsten?
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