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© dpa/AP/Uncredited

Vor Gipfel der Innenminister: Berliner SPD-Politiker sprechen sich gegen Asylverfahren an EU-Außengrenzen aus

Am Donnerstag beraten die EU-Innenminister:innen über die Reform des europäischen Asylsystems. Kurz vorher stellen sich mehrere Berliner Politiker gegen die geplanten Grenzverfahren.

In der Debatte um Asylverfahren an den EU-Außengrenzen haben sich mehrere Berliner SPD-Politiker:innen gegen das Vorgehen ausgesprochen. Die politische Initiative „Brand New Bundestag“ (BNB) veröffentlichte auf ihrer Webseite eine entsprechende Stellungnahme. Hintergrund ist das anstehende Treffen der EU-Innenminister:innen am Donnerstag in Luxemburg.

Man teile die Sorge vieler Menschen, dass die Vorschläge für ein neues gemeinsames europäisches Asylsystem das Recht auf Asyl abschwächen könnten. „Im Rahmen der Asylverfahrensverordnung drohen für Menschen aus Ländern mit geringer Schutzquote verpflichtende Asylgrenzverfahren“, heißt es in dem Schreiben. Man sehe diese Grenzverfahren kritisch, da sie haftähnliche Zustände beförderten, zivilgesellschaftliche und anwaltliche Unterstützung erschwerten und den Rechtsschutz einschränkten.

Dass Rechtsbehelfe gegen geplante Abschiebungen keine automatische aufschiebende Wirkung haben sollen, bedeute konkret, dass Menschen abgeschoben werden könnten, deren Gerichtsverfahren noch gar nicht abgeschlossen ist. „Minderjährige Geflüchtete und ihre Eltern dürfen keinesfalls in solch ein Grenzverfahren kommen“, fordern die Unterzeichner:innen des Statements.

Zudem dürfe sich die EU ihrer asylpolitischen Verantwortung nicht durch eine Ausweitung des Konzepts der sicheren Drittstaaten entziehen. Die EU dürfe nur Länder zu sicheren Drittstaaten erklären, die die Genfer Flüchtlingskonvention vollumfänglich anwenden, heißt es. „Außerdem treten wir gegen die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten und gegen Asylabkommen mit menschenrechtlich fragwürdigen Partner-Staaten ein.“

Im Rahmen der Asylreform müsse darüber hinaus sichergestellt werden, dass alle EU-Staaten „ihrer Verantwortung für die Registrierung und menschenrechtskonforme Aufnahme und Unterbringung nachkommen und sich möglichst viele Staaten an einem verbindlichen europäischen Verteilsystem beteiligen.“ Zudem werden in dem Schreiben unter anderem ein verstärkter Kampf gegen sogenannte Pushbacks an den Außengrenzen sowie eine gemeinsame europäische Seenotrettung gefordert.

Zu den 30 Unterzeichner:innen gehören unter anderem die Mitglieder des Abgeordnetenhauses Maja Lasić, Tamara Lüdke, Orkan Özdemir, Marcel Hopp sowie Linda Vierecke. Auch die Berliner SPD-Bundestagsabgeordneten Hakan Demir, Annika Klose, Sebastian Roloff, Ruppert Stüwe und Ana-Maria Trăsnea unterzeichneten das Schreiben – ebenso die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram.

Einen ähnlich lautenden Beschluss verabschiedeten die Berliner Grünen bereits Anfang Mai beim Landesausschuss der Partei. Darin fordern sie die Bundesregierung auf, ihre Position zu ändern und sich für eine Verbesserung des Asylsystems einzusetzen.

Bettina Jarasch, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, sagte dazu: „Die Verhandlungen auf EU-Ebene stehen unter keinem guten Stern: Es gibt unter den Mitgliedstaaten keine Einigkeit, dass Geflüchtete künftig tatsächlich solidarisch auf alle EU-Staaten verteilt werden. Das ist aber das eigentliche Ziel der Asylreform.“ Nun entstehe der Eindruck, dass die Einführung von menschenrechtlich hochproblematischen Grenzverfahren dennoch vorangetrieben werden solle.

Es wäre ein trügerischer Fehlschluss, zu glauben, dass durch Abschottung und Abschreckung die Flucht von Menschen unterbunden werden könne.

Philmon Ghirmai, Landesvorsitzender der Berliner Grünen

Philmon Ghirmai, Landesvorsitzender der Grünen, sagte: „Grenzverfahren, haftähnliche Lager, die Ausweitung sicherer Herkunfts- und Drittstaaten: Es ist zu befürchten, dass die derzeitigen Verhandlungen zu massiven Verschärfungen führen.“ Ein „Kuhhandel“, wie er anscheinend auf dem Tische liege, gehe zulasten vulnerabler Gruppen. „Es wäre ein trügerischer Fehlschluss, zu glauben, dass durch Abschottung und Abschreckung die Flucht von Menschen unterbunden werden könne.“

Der stellvertretende Landesvorsitzende der Berliner FDP, Sven Hilgers, erklärte auf Anfrage dagegen, schnelle Asylverfahren für Menschen mit geringen Aussichten auf ein Bleiberecht direkt an der EU-Außengrenze und deren konsequente Rückführung seien ein wichtiger Schritt hin zu einem fairen Lastenausgleich zwischen den EU-Mitgliedsstaaten.

„Der EU-Gipfel muss dazu beitragen, dass mit einem neu geordneten Verfahren auch Ankunftszentren wie etwa in Tegel entlastet werden können. Das neue europäische Asylsystem muss menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Standards genügen“, sagte Hilgers. Darüber hinausgehende rote Linien gefährdeten eine Einigung. Die Asylreform dürfe nicht an Deutschland und auch nicht an einem Koalitionspartner scheitern.

Die EU-Innenminister:innen beraten am Donnerstag in Luxemburg über die seit Jahren strittige Reform. Es geht unter anderem um die Frage, ob es Vorprüfungen von Asylanträgen schon an den EU-Außengrenzen geben soll.

Die Bundesregierung soll sich nach dem Willen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unter anderem dafür starkmachen, dass Asylzentren an den EU-Außengrenzen eingerichtet werden, um bereits dort eine Vorprüfung der Asylbegehren vieler Menschen zu treffen. (mit dpa)

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