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Po-Grabscher und öffentliches Onanieren: U-Bahn-Abteile nur für Frauen sind eine gute Idee – leider
Die Grünen fordern Frauenabteile, um auf sexualisierte Gewalt im Nahverkehr zu reagieren. Das Problem bleibt damit ungelöst – doch andere Länder machen vor, dass die Maßnahme hilft.

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Rushhour, quietschend fährt die U-Bahn ein, alles drängt in die Wagen. Eingequetscht zwischen fremden Menschen zu sein, fühlt sich nie besonders schön an. Aber hier ist etwas anders: Mich umgeben nur Frauen. Frauen, die Bücher lesen oder Musik hören, Frauen, die sich für die Arbeit schminken, Frauen, die dicht beieinanderstehen und sich keine Gedanken machen müssen, dass Männer sie anfassen.
Was in Mexiko-Stadt, wo ich diesen Sommer zwei Monate lang lebte, arbeitete und U-Bahn fuhr, längst Alltag ist, wird jetzt auch in Berlin diskutiert. Die Berliner Grünen fordern U-Bahn-Wagen nur für Frauen, um auf die sexualisierte Gewalt im öffentlichen Nahverkehr zu reagieren.
Auf den ersten Blick mag der Vorschlag absurd erscheinen. Wie soll das funktionieren, wer sorgt dafür, dass Männer sich daran halten und überhaupt: Sexualisierte Gewalt verschwindet ja nicht, nur weil sie nicht mehr in öffentlichen Verkehrsmitteln ausgeübt wird. Sollte man nicht viel mehr die Ursachen bekämpfen, statt die Symptome?

© Inga Barthels
Letztere Frage lässt sich mit „ja, und“ beantworten. Natürlich gilt es, für eine bessere Zukunft ohne sexualisierte Gewalt zu kämpfen. Aber den Frauen, die jetzt und hier in Bussen und U-Bahnen belästigt werden, helfen keine Zukunftsvisionen. Eine davon bin ich.
Viele Frauen entwickeln Mechanismen, um sich zu schützen
Seit ich Kind bin, erlebe ich in öffentlichen Verkehrsmitteln sexuelle Belästigung und Schlimmeres: Männer, oft betrunken, die mir auf die Pelle rücken. Männer, die mich anspucken, weil ich nicht mit ihnen reden will. Männer, die mir im vollen Wagen an den Po fassen, wenn ich mich kaum bewegen kann. Männer, die vor mir onanieren und mich dabei anstarren.
Ich hatte damit noch „Glück“. Auslöser für den Vorstoß der Grünen war eine Vergewaltigung am U-Bahnhof Krumme Lanke – der Haltestelle, an der ich als Jugendliche oft ein- und ausgestiegen bin.
Wie viele andere Frauen habe ich Mechanismen entwickelt, um mich zu schützen. Ich stelle mich im vollen Wagen möglichst an die Wand, sodass mich niemand von hinten berühren kann. Wenn in einem Abteil nur Männer sitzen, steige ich nicht ein, vor allem nicht nachts. Nach großen Fußballspielen meide ich die Bahnen, die vom Stadion kommen. All das sollte ich nicht tun müssen, aber meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass es nötig ist. Und ich bin privilegiert. Ein Auto habe ich zwar nicht, aber ich kann zur Not ein Taxi nehmen. Andere haben diese Wahl nicht.
Die Frauenabteile in Mexiko-Stadt haben für mich eine enorme Erleichterung im Alltag bedeutet. Sich keine Gedanken machen zu müssen im öffentlichen Raum, sich sicher zu fühlen – was für einen Unterschied das macht!
Es drohen Geldstrafen und Arrest bis 36 Stunden
Aufgrund vieler Beschwerden von Frauen gab es in der mexikanischen Hauptstadt bereits seit 1970 zu Stoßzeiten Abteile nur für Frauen. Seit 2000 gehören die ersten beiden Wagen der U-Bahnen dauerhaft Frauen und Kindern unter 12 Jahren, Tokio folgte 2005 dem mexikanischen Modell. Auf den Bahnsteigen von Mexiko-Stadt ist der Frauenbereich mit pinken Plastikaufstellern markiert.
Auch die Metrobusse, in denen es keine abgegrenzten Abteile gibt, haben inzwischen vorne Frauenbereiche, markiert durch pinke Sitzplätze und Schilder. Natürlich kann jede Frau, die das will, auch die gemischten Bereiche benutzen. Und ja, die meisten Männer halten sich an die Regel – wer dagegen verstößt, dem drohen hohe Geldstrafen oder Arrest bis zu 36 Stunden.
Ideal ist das natürlich nicht. Ideal wäre eine Welt, in der Frauen und Männer gemeinsam Bahn fahren können, ohne dass Frauen Angst haben müssen. Aber in dieser Welt leben wir nicht. 2023 zählte die Berliner Polizei 391 Sexualdelikte im öffentlichen Nahverkehr. In der Realität sind es wahrscheinlich deutlich mehr. Ich zumindest habe nie einen der Männer angezeigt, die mich belästigt haben. Ich war jung, ich hatte Angst. Ich bin ausgestiegen.
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