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Umstritten: Spitzenkandidat Marcel Luthe.

© imago images/Christian Ditsch

Corona-Verstöße auf Parteitag, Protest gegen Luthe: Warum die Fronten bei den Freien Wählern Berlin unüberbrückbar sind

Bei den Freien Wählern Berlin kommt es zu Grabenkämpfen. Am Dienstag geht es vor das Amtsgericht.

Von Sabine Beikler

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Mit dem hehren Grundsatz „Gemeinschaft und Respekt für Berlin“ erschienen die Freien Wähler erstmals 2019 in der Berliner Politik. Mittlerweile sind rund 160 Mitglieder im Landesverband aktiv, dem laut Selbstbeschreibung das „freundliche Miteinander der Bürgerinnen und Bürger wichtig“ ist.

Vom eigenen freundlichen Miteinander oder gegenseitigen Respekt sind die Freien Wähler jedoch weit entfernt. Seit Monaten toben Graben- und Machtkämpfe im Landesverband. Am Dienstag trifft man sich nun vor Gericht. Und ob die Partei mit ihrer Landesliste im September zur Abgeordnetenhauswahl überhaupt antreten kann, ist völlig offen.

Ausgangspunkt der Querelen war der Parteitag im April, auf dem der frühere FDP-Politiker Marcel Luthe an die Spitze der Landesliste gewählt wurde. Vor Beginn des Parteitags waren fünf Mitglieder beim obligatorischen Schnelltest positiv getestet und ihnen der Zutritt zum Parteitag verwehrt worden. Diese suchten mit Kontaktpersonen ein offizielles Testzentrum auf und kamen mit negativem Ergebnis wieder zurück.

Insgesamt acht Leute wurden vom Landeschef Tobias Bauer in den Veranstaltungssaal im Funkhaus Nalepastraße hineingelassen. Daraufhin gab es Proteste von Parteimitgliedern, die empört den Parteitag verließen. Die herbeigerufene Polizei und das Ordnungsamt lösten den Parteitag nicht auf, nachdem sie sich die Vorkommnisse schildern ließen.

Nach dem Parteitag forderten 27 Mitglieder schriftlich einen Sonderparteitag. Dieses Schreiben wurde aber wieder zurückgezogen. Danach wandten sich Gegner von Luthe und Landeschef Tobias Bauer an den Bundesvorstand, der die Anfechtungsgründe nicht anerkannte, dann ans Bundesschiedsgericht, das keinen weiteren Entscheidungsbedarf sah.

Von Jagow: „eindeutiger Verstoß“ gegen Verordnung

Nun schalteten 13 Parteimitglieder, darunter auch Bayram Oruc, jugendpolitischer Vertreter im Landesvorstand, einen Anwalt ein. Rechtsanwalt Ludwig von Jagow stellte einen Antrag auf Einstweilige Verfügung, der am Dienstag vor dem Amtsgericht Lichtenberg verhandelt wird. „Der Hauptvorwurf ist ein Verstoß der zum Zeitpunkt des Parteitags am 17. April geltenden Corona-Regeln“, sagte von Jagow dem Tagesspiegel.

Jedem Versammlungsleiter hätte in dieser Sondersituation bewusst sein müssen, dass die Regeln aus den Verordnungen penibel einzuhalten sind. „Zuvor beim Einlass per Schnelltest positiv auf das Corona-Virus getestete Parteimitglieder nahmen später später dann doch teil, obwohl sie sich lediglich mit einem einfachen Schnelltest haben erneut testen lassen, diesmal mit negativem Ergebnis. Dies war ein eindeutiger Verstoß gegen die zu diesem Zeitpunkt geltende Verordnung“, sagte von Jagow.

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Zwingend hätte ein PCR-Test folgen müssen. Hinzu komme, dass rund 20 Parteimitglieder, die deshalb den Parteitag verlassen hatten, ihre Mitgliedschaftsrechte, also die Kandidatenwahl für die Landesliste, nicht ausüben konnten. Insofern seien die Beschlüsse des Parteitags unwirksam. „Nach meinem Dafürhalten war der gesamte Parteitag rechtswidrig. Deshalb muss die Partei auch den Wahlvorschlag zurückziehen“, sagte Anwalt von Jagow.

Die Fronten der Parteilager sind nicht nur verhärtet, sondern unüberbrückbar: Es gibt Vorwürfe und hinterhältige Äußerungen. Vorwürfe, Luthe hätte nur ihm wohlgesonnene Neumitglieder aufnehmen lassen, weist der Abgeordnete zurück. „So ein Quatsch. Jeder kann selbst einen Mitgliedsantrag stellen, über den der Bundesvorstand dann entscheidet“, sagte Luthe dem Tagesspiegel.

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Zum laufenden Verfahren will er sich nicht äußern. Der Landesvorsitzende Tobias Bauer betonte, dass all die Vorhaltungen der Gegenseite von Parteimitgliedern als „zerstörerischer Kurs“ wahrgenommen würden. Die Parteimitglieder würden jetzt „viel lieber Wahlkampf machen“.

Ob die Freien Wähler, die in Berlin in Umfragen zwischen zwei und drei Prozent liegen, tatsächlich in den Wahlkampf für das Abgeordnetenhaus ziehen können, ist nicht nur vom Ausgang vor Gericht abhängig. Am Mittwoch entscheiden Bezirkswahlausschüsse über Bezirkslisten und Wahlkreisvorschläge. Und am kommenden Freitag entscheidet der Landeswahlausschuss über die Zulassung der Landeslisten. 26 Parteien haben Landeslisten abgegeben, darunter die Freien Wähler.

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