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Die Bewohner des Waldes sind immer gestresster von ausflugsbegeisterten Berlinern.

©  Gregor Fischer/dpa

Kadaver außerhalb der Sperrzone gefunden: Warum sich die Schweinepest in Brandenburg weiter ausbreiten kann

Die Afrikanische Schweinepest breitet sich aus: Zwei infizierte Tierkadaver wurden außerhalb der Kernzone entdeckt. Viele Halter fürchten um ihre Existenz.

Von Sandra Dassler

Die Afrikanische Schweinepest breitet sich stetig aus. In dieser Woche sind weitere verendete Tiere gefunden worden. Und zwar auch außerhalb der sogenannten Kernzonen. In Brandenburg gibt es bisher drei Ausbruchsorte. Um die Fundorte der ASP-positiven Tiere wurden im Radius von etwa drei Kilometern jene Kernzonen eingerichtet und nach und nach eingezäunt.

Um sicherzugehen, dass Wildschweine nicht entkommen und die Krankheit weitertragen, wurden zusätzlich um die Kerngebiete „Weiße Zonen“ festgelegt, die auch nach und nach mit Zäunen gesichert werden.

Im aktuellen Fall hat sich das als sehr nützlich erwiesen. „Die infizierten Wildschweine konnten zwar offenbar die Kernzone in Märkisch-Oderland verlassen, befanden sich aber immer noch innerhalb der Weißen Zone, die dort bereits vollständig mit einem festen Zaun gesichert ist“, sagt Dominik Lenz vom Potsdamer Verbraucherschutzministerium: „Noch fehlende Tore sind durch mobile Elemente wie Bauzäune geschützt. So konnte eine Weiterverbreitung der Seuche in bislang nicht betroffene Gebiete verhindert werden.“

Schweinehalter sehen die Entwicklungen ganz anders: „Unsere Befürchtungen haben sich schneller bestätigt als gedacht“, sagt Frank Tiggemann. Der Schweinehalter aus dem Landkreis Märkisch-Oderland spricht für viele seiner Kollegen in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die in großer Sorge sind.

In einem sogenannten Whitepaper hatten sie deshalb vor einigen Tagen aus ihrer Sicht eklatante Mängel bei der Bekämpfung der gefürchteten Tierseuche aufgelistet und die Verantwortlichen von Bund, Ländern und Landkreisen zu mehr Engagement aufgefordert (der Tagesspiegel berichtete).

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Zwar hatten zwei brandenburgische Staatssekretärinnen am Dienstag dieser Woche zu den angesprochenen Kritikpunkten auf einer digitalen Konferenz mit den Schweinehaltern Stellung bezogen. So richtig überzeugen konnten sie diese aber nicht.

Zumal bereits einen Tag später eine neue Hiobsbotschaft vom Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit eintraf: Die Zahl der bestätigten ASP-Fälle bei Wildschweinen in Brandenburg stieg auf 527 – und von den 30 neu infizierten Tieren wurden zwei außerhalb der Kernzone im Landkreis Märkisch-Oderland gefunden.

Kadaver wurden bei Löchern im Sperrzaun gefunden

„Genau dort, wo wir im Whitepaper die undichten Stellen im Zaun benannt und sogar dokumentiert hatten“, sagt Frank Tiggemann: „Das wundert uns nicht, beunruhigt aber schon sehr. Zumal am Donnerstagabend weitere fünf Wildschweinkadaver außerhalb der Kernzone gefunden wurden. Da steht allerdings das Ergebnis der Untersuchungen noch aus.“

Trotzdem müsse man jetzt schnell handeln, um das Kerngebiet auf den neuen Fundort zu erweitern und zunächst mit einem mobilen Elektrozaun zu sichern, sagt die Verbraucherstaatssekretärin und Leiterin des ASP-Krisenstabs Anna Heyer-Stuffer: „Im nächsten Schritt muss das erweiterte Kerngebiet so schnell wie möglich mit einem festen Zaun abgeschlossen werden.

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In Abstimmung mit dem Land sucht der Landkreis umgehend die unmittelbare Umgebung um den neuen Fundort systematisch nach Fallwild ab – Kadaversuchhunde, ein Hubschrauber und Drohnen unterstützen dabei.“

Beim virtuellen Treffen mit den Schweinehaltern hatte Heyer-Stuffer zuvor zwar Verständnis für die Sorgen der Branche gezeigt, aber auch vor falschen Erwartungen gewarnt. „Wir stehen erst am Anfang der Seuchenbekämpfung“, sagte die Verbraucherstaatssekretärin: „Belgien hat zwei Jahre benötigt, um seuchenfrei zu werden. In Brandenburg haben wir es aber mit einer achtmal größeren Fläche zu tun.“ Tatsächlich sind allein drei Kerngebiete in Brandenburg rund 43.000 Hektar groß.

Schweinehalter fürchten große Verluste

Zudem kommt es beim Bau des Schutzzaunes an der Grenze zu Polen immer wieder zu Verzögerungen, unter anderem wegen Munitionsfunden aus dem Zweiten Weltkrieg. Dennoch reiche es nicht, auf die Probleme hinzuweisen, sagen die Schweinehalter. Und fordern sowohl die zügigere Umsetzung des Zaunbaus und der Jagd als auch einen Rettungsschirm für Schweinehalter in den gefährdeten Gebieten.

„Wenn es bei uns auch so lange wie in Belgien dauert, wird Deutschland weder in diesem noch im nächsten Jahr den Status ,Seuchenfrei’ erhalten – mit immensen Verlusten für die Schweinehalter in ganz Deutschland“, sagt Tiggemann.

Deshalb sei es auch so wichtig, dass alle Wildschweine in den betroffenen Gebieten „entnommen“ – sprich: getötet – werden. In einer Krisensitzung hat der Landkreis Märkisch-Oderland am Donnerstag zumindest die Prämie pro in der Kern- und Weißen Zone erlegtem Wildschwein auf 100 Euro aufgestockt. Ein wichtiges und richtiges Zeichen, finden die Schweinehalter, die schon jetzt starke Einbußen bei der Vermarktung ihrer Tiere hinnehmen müssen.

Finanzielle Hilfen, wie im Whitepaper gefordert, beschränken sich bislang größtenteils auf Absichtserklärungen. So versprach etwa Agrarstaatssekretärin Silvia Bender beim virtuellen Treffen mit den Schweinehaltern Beihilfen für zusätzliche Veterinärleistungen oder längere Transportkosten. Außerdem fordere Brandenburg gemeinsam mit allen Ländern zusätzliche Förderprogramme vom Bund, damit – so Bender – „die schwierige Zeit genutzt werden kann, um tierwohlgerechtere Ställe zu bauen.“ Einige Schweinehalter fürchten allerdings, dass sie angesichts des nicht absehbaren Endes der Seuche bald überhaupt keine Ställe mehr brauchen werden.

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