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Bei 30.000 Haushalten und 2000 Gewerbebetrieben war der Strom ausgefallen.

© Jörg Carstensen/dpa

Stromausfall in Köpenick: Was Berlins Behörden aus dem Blackout gelernt haben

Ein halbes Jahr ist der Stromausfall her, der große Teile des Berliner Südostens im Februar lahmlegte. Er offenbarte Stärken und Schwächen im Krisenmanagement.

Das durchbohrte Kabel kommt demnächst ins Heimatmuseum. Doch vielen Menschen im Berliner Südosten ist der beispiellose Stromausfall noch sehr genau in Erinnerung. Ein halbes Jahr ist es an diesem Montag her, dass in gut 30.000 Haushalten und 2000 Gewerbebetrieben die Lichter ausgingen, nachdem Bauleute beim Befestigen einer Spundwand an der Salvador-Allende-Brücke zwei parallel liegende 110-Kilovolt-Kabel durchbohrt hatten. Der Blackout war der größte und mit 31 Stunden Dauer der längste in Berlin seit Jahrzehnten. Und er offenbarte sowohl Stärken als auch Schwächen beim Management einer plötzlichen Krise.

An Aufarbeitung hat es nicht gemangelt. Laut Innenverwaltung trafen sich im März auf Einladung von Staatssekretär Torsten Akmann alle Beteiligten – vier Senatsverwaltungen, zwei Bezirksämter, Polizei, Feuerwehr, sämtliche Hilfsorganisationen aus dem Katastrophenschutz, Vattenfall, Bahn, BVG und Wasserbetriebe – zu einer ganztägigen „Lessons learned“- Veranstaltung.

Wesentliche gelernte Lektion dabei war, dass die Bewältigung zwar im Großen und Ganzen gut funktionierte, aber Verbesserungen möglich sind. Das betreffe sowohl den Austausch der Einsatzstäbe untereinander als auch die Information der Bevölkerung.

Bei einer Folgeveranstaltung im Juni sei dann beispielsweise besprochen worden, „welche Informationsbedürfnisse zu welchem Zeitpunkt und auf welche Weise zu befriedigen sind“. Tatsächlich war es dem Bezirksamt Treptow-Köpenick im Februar gelungen, über Nacht sowohl beheizte und beleuchtete Notunterkünfte herzurichten als auch alle relevanten Informationen – etwa zu Schulschließungen und zur Ausgabe von warmem Essen – online zu stellen.

Die BVG erklärte ihr mit Funk ausgestattetes Fahrpersonal spontan zu Adressaten für eventuell nötige Notrufe, die Polizei errichtete mobile Wachen, vor dem Rathaus stand ein Lkw des Katastrophenschutzes mit Steckdosen zum Laden von Handys. Nur erreichten all diese Informationen ausgerechnet die Betroffenen kaum, weil wenige Stunden nach dem Strom auch das Mobilfunknetz ausgefallen war und die völlige Dunkelheit nicht zu Streifzügen auf gut Glück einlud.

Ein Stromausfall legte im Februar große Teile des Berliner Südostens lahm.
Ein Stromausfall legte im Februar große Teile des Berliner Südostens lahm.

© Jörg Carstensen/dpa

Das Bezirksamt verwies jetzt darauf, dass über Nacht auch Infozettel gedruckt worden und morgens um sechs zu den Dienstgebäuden gefahren wurden. Für nächstes Mal erwäge man allerdings, auch die Wohnungsbaugesellschaften als Informanten zu nutzen. Im Übrigen sollte Betroffenen klar sein, sich im Notfall auf den Weg zum Rathaus zu machen – was allerdings im Februar ohne Tramverkehr nicht immer einfach war.

Auch Polizei und Feuerwehr ziehen Bilanz

Zur Frage, ob Mobilfunkmasten eine bessere Notstromversorgung bräuchten, verweist die Senatsverwaltung auf die Bundesnetzagentur und das Telekommunikationsgesetz, das zwar Vorkehrungen verlange, aber auch deren Verhältnismäßigkeit regele.

Auch die Polizei hat den Einsatz „mit allen beteiligten Dienststellen nachbereitet“. Beim nächsten Mal sollen Lautsprecherwagen anrücken, „um Informationen und Warnhinweise an die Bevölkerung mit einer größeren Reichweite zu transportieren“. Außerdem sollen mobile Wachen im Dunkeln besser erkennbar sein.

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Die Feuerwehr resümierte nach einem Symposium zum selben Thema im Mai, dass die Behördenarbeit im Wesentlichen funktioniert habe. Woran es haperte, seien Kommunikation und vor allem die Vorsorge der Menschen selbst gewesen: Längst nicht jeder hat genug Vorräte sowie Kerzen, Taschenlampen und ein batteriebetriebenes Radio im Haus.

Mehr Orientierung durch "Leuchttürme"

Damit die Menschen künftig wissen, wo sie bei einem Blackout Hilfe finden, sollen „Katastrophenschutzleuchttürme“ etabliert werden, für die laut Innenverwaltung ab 2020 Geld im Haushalt vorgesehen ist. Diese „Leuchttürme“ sollen beispielsweise Rathäuser sein, die der Allgemeinheit als Anlaufstelle dienen und dank Notstromversorgung und Notfunktechnik jederzeit funktionieren und kommunizieren können.

Das Bezirksamt Treptow-Köpenick will schon in diesem September ein solches Krisenzentrum mit eigener Stromversorgung in Betrieb nehmen – und mit eigener Telefonanlage, autarken Servern, vielen Steckdosen für die Bürger und Tagungsräumen für Krisenstäbe.

Bis zu einer Brücke in Köpenick funktionierte die Beleuchtung, während der Bezirk ohne Strom war.
Bis zu einer Brücke in Köpenick funktionierte die Beleuchtung, während der Bezirk ohne Strom war.

© Julian Stähle/ZB/dpa

Die Leuchtturm-Idee stammt aus einem seit 2013 laufenden Forschungsprojekt, zu dem auch eine Komponente namens „TankNotStrom“ gehört, die sicherstellen soll, dass kritische Infrastrukturen wie Wasserwerke, Krankenhäuser und Einsatzleitstellen, aber auch Feuerwehr- und Polizeifahrzeuge auch bei einem anhaltenden Blackout weiter funktionieren. Dazu muss vor allem Kraftstoff verteilt werden, weil beispielsweise die Dieseltanks von Notstromaggregaten nur für zwölf bis 24 Stunden reichen.

An diesem Projekt sind nach Auskunft von Sprecher Stephan Natz auch die Wasserbetriebe beteiligt, die ein eigenes Funknetz und Tanklager „aus alliierten Zeiten“ betreiben. Diese Lager könnten zu Umschlagplätzen auch für andere Stellen werden. „Beim Trinkwasser könnten wir einen flächendeckenden Blackout abfedern“, sagt Natz, „beim Abwasser aber nicht“.

In Köpenick ist mit maximalem Einsatz mobiler Pumpen und vielen Überstunden vermieden worden, dass Abwasser in die Spree floss. Für die Wasserversorgung reiche der Druck im Netz bis auf die übliche Berliner Traufhöhe, also etwa in die fünfte Etage. Dass auch die Bewohner des bis zu 21-stöckigen Allende-Viertels nicht auf dem Trockenen saßen, haben sie offenbar dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass ihre Häuser mit Notstromversorgung für die Druckverstärkerstationen ausgestattet sind.

So simple Dinge wie laminierte Zettel mit den wesentlichen Infos, die die Polizei im Ernstfall an sämtlichen Bus- und Tram-Haltestellen oder an Straßenschildern verteilt, sind nicht geplant. Die BVG hat nach Auskunft von Sprecher Markus Falkner schon nach dem Orkan Xavier im Herbst 2016 ihr Krisenmanagement geprüft – und für tauglich befunden. Neu sind „Erwägungen für den Fall eines längerfristigen Stromausfalls, in der Zeit nach 2030 einen kleinen Bestand von Dieselbussen in einer ansonsten elektrifizierten Flotte zu behalten“. Im Februar hatte die BVG ihre Straßenbahnen per Unimog abgeschleppt.

Da auch elektrische Ladentüren streikten, wurden viele Geschäfte provisorisch verrammelt. Hat die Gelegenheit Diebe gemacht? „Die Kriminalitätslage im betroffenen Bereich wies keine Besonderheiten auf“, heißt es bei der Polizei.

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