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Gottes Geschöpfe. In den Weltreligionen gibt es unterschiedliche Blickwinkel auf das Haustier.

© Thilo Rückeis

Was sagen Bibel, Thora und Koran zu Hund und Katz'?: Haustier in Gottes Namen

Rund 120 000 Hunde leben in Berlin. Aber kaum eine Schnauze ist bei Muslimen Zuhause. Warum eigentlich? Was sagen die großen Religionen in Berlin zum Hund im Haus oder der Katze auf dem Sofa? Eine tierische Werkschau in Bibel, Thora und Koran.

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CHRISTENTUM

Martin Luther hatte ein Haustier, einen kleinen Spitz, den er „Tölpel“ nannte. Er mochte ihn sehr. Das hinderte den Reformator allerdings nicht daran, in Tieren letztlich seelenlose Kreaturen zu sehen. Der Hund habe zwar „alles an leiblichen Dingen in dieser Welt“, soll er in einer Tischrede über seinen Hund gesagt haben, zum Beispiel „frische Augen, starke Beine und einen guten Magen“, doch er habe nichts fürs ewige Leben. Der vernunftbegabte, zur Gottgläubigkeit fähige Mensch stand für ihn weit über dem Tier. Darin war sich Luther mit seinen Zeitgenossen einig. Und so dachten schon viele Christen vor ihm.

Seit vielen hundert Jahren schätzt sich der christliche Mensch als „Krone der Schöpfung“ ein. Das hat mit dem biblischen Schöpfungsbericht zu tun, der vor etwa 2500 Jahren entstanden ist und in dem es heißt: „Gott segnete Mann und Frau und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehret euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.“

Dualismus zwischen Mensch und Natur

Das jüdisch-christliche Denken verband sich mit der griechischen Philosophie, die von dem Dualismus geprägt war: hier die zum ewigen Leben bestimmte Seele des Menschen, dort die vergängliche, seelenlose Natur. Tiere und Pflanzen wurden fortan abgewertet zur unbeseelten Natur. Auch in sich musste der Christ das Animalische, Triebhafte bekämpfen, das der „frommen Seele“ schade. Dem Teufel verpassten die christlichen Maler und Bildhauer Tierfratzen, Schwänze und Klauen. Die Schlange blieb das Sinnbild der Sünde.

Natürlich gab es immer wieder Ausnahmen wie den heiligen Franz von Assisi, doch erst seit etwa hundert Jahren dämmert es den Christen, dass sie im Verhältnis zu den „Mitgeschöpfen“ vielleicht grundsätzlich etwas falsch verstanden haben: dass die Aufforderung, sich die Erde zu unterwerfen, nicht heißen sollte, sie zu zerstören und alles was sich auf ihr regt, zu drangsalieren und für den eigenen Zweck auszubeuten.

„Tiere sind Geschöpfe Gottes und unterstehen seiner fürsorgenden Vorsehung“, heißt es heute im Katechismus der katholischen Kirche. Die Bibel zeichnet auch an vielen Stellen ein harmonisches Bild von Mensch und Tier. Darauf besinnt man sich nun wieder. Im Paradies dürfen die Tiere nicht fehlen, und Ochs und Esel sind fester Bestandteil der Krippe in Bethlehem.

Gottesdienste für Mensch und Tier

Die „Bewahrung der Schöpfung“ gehört seit den 70er und 80er Jahren zu den Kernforderungen von Kirchen- und Katholikentagen, es ist üblich geworden, dass Pfarrer und Bischöfe für den Schutz der Umwelt und die Erhaltung der Artenvielfalt eintreten und gegen die Massentierhaltung kämpfen. Mit dem Zusatz, dass man sich der Tiere durchaus „zur Ernährung und zur Herstellung von Kleidern bedienen“ dürfe, da Gott die Tiere unter die Herrschaft des Menschen gestellt habe. Radikale Christen gehen einen Schritt weiter, sie verstehen unter Bewahrung der Schöpfung, vegan zu leben.

Vereinzelt laden Gemeinden zu „Gottesdiensten für Mensch und Tier“ ein, bei denen Hunde und Katzen willkommen sind. Hier zeigt sich bisweilen, dass auch Liebe übergriffig sein kann. Wenn Hunde oder Katzen als Mutter- oder Kindersatz vergöttert werden, hat auch das nichts mehr mit der Bewahrung der Geschöpflichkeit des Tieres zu tun.

Welche Tiere koscher sind

JUDENTUM

Einige Fragen des Lebens sind so kompliziert, dass nur ein fachkundiger Rabbiner oder eine beschlagene Rabbinerin sie beantworten kann. Zum Beispiel, ob in einem koscheren Haushalt auch das Futter für Hund und Katze koscher sein muss. Wer einmal auf diese Frage gekommen ist, den lässt sie so schnell nicht mehr los.

Vielleicht aber hat sich die Mehrheit der Tierliebhaber diese Frage vorsichtshalber nie gestellt. Hauptsache, dem Hündchen – das, wenn es gemütlich ist, bei Juden statt Waldi Schlomo heißt, oder Barak, wenn es schnell wie der Blitz ist – geht es gut. Außerdem ist die Konstellation Juden und Haustiere eine relativ junge. „Sich Haustiere zu halten ist bei Juden aber lange Zeit unüblich gewesen“, sagt Gesa Ederberg, Rabbinerin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

Distanz zu Vierbeinern

Erst im Laufe der Zeit habe diese kulturelle Gepflogenheit der Mehrheit auch im Alltag der Minderheit einen Platz gefunden. Die lang gepflegte Zurückhaltung hat einen Grund: Hunde und Katzen gelten nach religiösen Kriterien als unrein. Koscher sind allein Wiederkäuer mit gespaltenen Hufen. Hunde und Katzen können mit diesen körperlichen Eigenheiten nicht aufwarten. Deshalb sollte es im Haus für sie keinen Platz geben. Einerseits. Andererseits muss man die Koscher-Frage nicht zur Schicksalsfrage erklären. „Normalerweise kommt ja niemand auf die Idee, das Haustier in einen Braten zu verwandeln“, sagt Ederberg.

Die Abneigung gegenüber Hunden hat noch einen erschreckenden historischen Hintergrund. Im Mittelalter setzten Kirche und christliche Gesellschaft in antisemitischer Art und Weise Juden mit diesen „schmutzigen Tieren“ gleich. Beide waren Ausgestoßene, galten als diejenigen, die mit ihrem unwürdigen Dasein europäische Lebensgewohnheiten „besudelten“. So gingen Juden im Laufe der Jahrhunderte auf Distanz zu den Vierbeinern. Ein Hund zu Hause? Für Religiöse bis heute oft ein Ding der Unmöglichkeit.

Inhalt des Fressnapfes

Bei säkularen Juden oder jenen, die es mit der Religion nicht allzu genau nehmen, spielen solche Vorbehalte keine Rolle. In israelischen Großstädten zum Beispiel wimmelt es von Hunden und Katzen. Die Halacha, das jüdische Recht, lässt die Haltung von Tieren prinzipiell zu, Hauptsache, sie können dem Menschen nicht gefährlich werden. Ein Raubtier mit Reißzähnen und Klauen als Familienmitglied scheidet damit aus.

Ansonsten gilt im täglichen Umgang mit Hund oder Katze: Aus ethischen Gründen sollte das Verhältnis zu ihnen durch Respekt und Verantwortungsbewusstsein geprägt sein. Schließlich gehört es zu den Grundprinzipien des Judentums, dass alles Leben, also jedes Lebewesen heilig ist. „Deshalb besitzt die artgerechte Haltung einen hohen Stellenwert“, sagt Rabbinerin Ederberg.

Bleibt zumindest für koschere Haushalte das Problem des Hunde- oder Katzenfutters. Muss es den jüdischen Speisegesetzen entsprechen? Und wenn ja: Wo gibt es das? Tut sich da noch eine lukrative Marktlücke auf? Unwahrscheinlich. Rabbinerin Gesa Ederberg sagt: Der Inhalt eines Fressnapfes muss nicht zwingend koscheren Kriterien genügen. Gut zu wissen. Das schont den Geldbeutel und die Nerven.

Bester Freund des Menschen

ISLAM

Und was ist, wenn sich die kleine Rayan aus Kreuzberg von ihren libanesischen Eltern zu Weihnachten nichts mehr als eine Katze wünscht? Können die sich auf die Religion herausreden, wenn sie trotzdem Nein sagen? Aus dem Koran und den Hadithen, den überlieferten Worten des Propheten, spricht viel Liebe zum Tier: Ameise und Biene, Spinne, Kuh und Elefant sind sogar die Titel einzelner Suren. „Die Vollkommenheit der Schöpfung Gottes wird wiederholt an wunderschönen Erzählungen und Beschreibungen von Tieren dargestellt“, schreibt der österreichische Autor Tarafa Baghajati. Es geht etwa um die Schönheit der Kamele, den Instinkt der Bienen oder die Treue der Vögel. Grausamkeiten gegen Tiere sind ausdrücklich verboten.

Schächtregeln im Islam

Die Schächtregeln zum Beispiel, die Vorschriften, wie „halal“, also „rein“ zu schlachten sei, schreiben vor, dass Tiere, die verzehrt werden, ihr Leben in artgerechter Haltung verbracht haben müssen. Außerdem sollen sie nicht sehen müssen, wenn ein anderes Tier getötet wird. Und dem Propheten wird die Aussage zugeschrieben: „Eine gute Tat an einem Tier ist genauso verdienstvoll wie eine gute Tat an einem Menschen, während eine grausame Handlung an einem Tier genauso schlimm ist wie eine grausame Handlung an einem Menschen. Wer immer auch freundlich zu den Geschöpfen Gottes ist, ist freundlich zu sich selbst.“ An einer anderen Stelle sagt er: „Das unnötige Schlachten, Töten, Schlagen und grausame Behandeln von Tieren ist eine große Sünde.“ Mohammed selbst soll ein ausgesprochener Katzenliebhaber gewesen sein.

Schwieriger wird es mit dem Tier, das hierzulande vielen als „bester Freund des Menschen“ gilt. Der Hund gilt als nicht „halal“, wer ihn etwa kurz vor dem Gebet berührt hat, muss sich reinigen. Er ist deshalb auch kein typischer Hausgenosse muslimischer Berliner. Was nichts daran ändert, dass auch der Hund in den Augen von Gläubigen ein Geschöpf Gottes ist, dem sogar ein weitreichender Respekt gebührt: So wird berichtet, dass eine Frau einem sehr durstigen Hund, den sie am Brunnen neben sich entdeckte, zu trinken gab und dann erst den eigenen Durst stillte. Allein deswegen erließ Gott ihr ihre Sünden.

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